Inklusion:"Der Wind bläst auch ins Glück"

Lesezeit: 3 min

Dietmar Krause, Betreuerin Andrea Krieger, Reinhold Lichtenstern und Hannelore Metzinger (von links). (Foto: privat)

Dietmar Krause, Reinhold Lichtenstern und Hannelore Metzinger aus Moosburg sind schwerstmehrfachbehindert und Preisträger eines Schreibwettbewerbs. Ihre Werke werden jetzt im literarischen Wochenkalender des Wortfinder-Vereins veröffentlicht.

Von Isadora Wandt, Moosburg

Seit 2011 nehmen die Bewohner und Bewohnerinnen des Anneliese-Schweinberger-Hauses (AHS) der Lebenshilfe in Moosburg am Wortfinder-Literaturwettbewerb teil. Dies ist ein Wettbewerb der in Deutschland, Österreich und der Schweiz ausgeschrieben wird, also im deutschsprachigen Raum. Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen können so ihre Geschichten und Gedichte veröffentlichen.

Aus den rund 1250 eingereichten Einsendungen dieses Jahres wählte die Jury die Gewinner aus. Das Anneliese-Schweinberger-Haus brachte gleich drei Sieger hervor: Dietmar Krause, Reinhold Lichtenstern und Hannelore Metzinger. Ihre Werke werden jetzt im literarischen Wochenkalender des gemeinnützigen Wortfinder-Vereins veröffentlicht. Thema dieser Ausgabe war: "Gefühlsachterbahn & Gedankenkarussell - Über das Denken und über das Fühlen".

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Die drei sind nicht zum ersten Mal bei dem Wettbewerb dabei, sie haben schon öfters daran teilgenommen. Hannelore Metzinger wohnt seit 1999 im Anneliese-Schweinberger-Haus, ist künstlerisch sehr begabt und hat früher gerne geschrieben. Sie ist Mitglied in der Bewohnervertretung und setzt sich für Kunst-, Musik- und Literaturangebote im Haus ein. Dietmar Krause lebt seit 1997 im Haus und macht gerne bei den künstlerischen Angeboten mit. Dabei ist er gerne handwerklich tätig. Ein sehr engagierter Geschichtenerzähler ist Reinhold Lichtenstern, der seit 2018 Bewohner im Anneliese-Schweinberger-Haus ist.

Idee des Wettbewerbes ist es, Menschen mit Behinderungen eine Chance zu geben, sich auszudrücken. Sabine Feldwieser, die das Projekt organisiert, hat davor Schreib-Workshops während Fortbildungen angeboten. "Ich finde, das ist eine ganz tolle Sache, weil sich die Menschen manchmal auch klarer und direkter ausdrücken und damit mehr sagen, als sie mir persönlich mitteilen", erklärt Evi Hübl, Leiterin des Anneliese-Schweinberger-Haus.

Es geht um die Liebe, die Freude und das Essen

"Die Geschichten sind im Alltag entstanden", erzählt Andrea Krieger, die seit 20 Jahren im Haus arbeitet und bei der Entwicklung der Werke mitgeholfen hat. Da die Bewohner und Bewohnerinnen schwerstmehrfachbehindert sind, sind ihre Hilfe und ihr Input sehr wichtig. "Ich setze mich hin und rede einfach mit den Menschen. Ich komme dann natürlich auf das Thema, das für den Kalender gefragt wird. Dann ergibt sich das einfach im Gespräch, im Alltag. Ich notiere dann, was sie sagen, fasse das zusammen und das ist dann der Artikel. Ich schreibe aber nichts dazu, was sie nicht gesagt haben", erklärt Andrea Krieger. "Das mit den Schinkennudeln, der Text von Herrn Lichtenstern, hat wirklich so stattgefunden", erzählt sie weiter. In den Geschichten geht es oft um das Thema Liebe, Freude, Glück, aber eben auch um das Essen.

Dieser Schreibprozess verstärkt die Freundschaft zwischen Andrea Krieger und den drei Bewohnern. "Von selber würden die drei nicht darauf kommen, am Wettbewerb teilzunehmen. Ich bin der Input, weil ich mich mit ihnen beschäftige. Ich setze mich bewusst hin und frage, wie es ihnen geht, mit dem Gedanken, dass da ein Artikel entsteht. "

Das Gedankenkarussell von Hannelore Metzinger. (Foto: privat)

Im Wortfinder-Wettbewerb sind nicht nur Worte zu finden, sondern auch Zeichnungen. Hannelore Metzinger mag Kunst und malt gerne. Zum Thema "Gefühlsachterbahn & Gedankenkarussell" hat sie das Gedankenkarussell bildlich dargestellt. Manchmal diktiert sie Andrea Krieger ihre Geschichten. "Zurzeit erzähle ich ganz gerne Geschichten", sagt Hannelore Metzinger und lächelt.

Andrea Krieger glaubt, dass Hannelore Metzingers Beziehung zum Geschichten erzählen im Anneliese-Schweinberger-Haus erst aufgeblüht ist. "Wir machen auch eine personenzentrierte Biographie-Arbeit. Frau Metzinger hat mir ihre Lebensgeschichte erzählt und das habe ich aufgeschrieben. Das haben wir dann in einem Büchlein zusammen aufgeschrieben. Zum Teil hat sie selber geschrieben und ich habe es vorgeschrieben. Frau Metzinger schreibt ganz gerne und erzählt gerne von früher, wie ihr Leben war. Das wäre auch ganz schön für eine Veröffentlichung."

Der Preis des Wettbewerbes ist die Veröffentlichung im Wochenkalender des Wortfinder Vereins. Darauf sind die Schriftsteller und Schriftstellerinnen sowie ihre Angehörigen sehr stolz. Die Kalender werden den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Hauses sowie den Ärzten und Ärztinnen, die sich um die Bewohner und Bewohnerinnen kümmern, geschenkt. Im Folgenden finden sich die ausgezeichneten Texte.

Sonst Nix

Ich habe Hunger und ich habe Durst.

Und ich habe Angst vorm Sterben.

Sonst kenne ich nix - ich habe keine Langweile

und traurig bin ich auch nicht.

Lust habe ich auf eine Frau.

Mit der würde ich schmusen und

ich würd sie so lieb haben.

Und auf die Nacht würde ich

im Bett mit ihr kuscheln.

Sonst habe ich keine Gefühle

Dietmar Krause

Im Gespräch

"Na Reinhold - wie geht es dir denn heute?"

"Was gibt es denn zum Essen?"

"Schinkennudeln - hast du schon Hunger?"

"Was gibt es gleich wieder zum Essen?"

"Schinkennudeln"

"Ach ja Schinkennudeln - ich hab schon an Hunger."

"Wie geht es dir denn sonst?"

"Was gibt es denn zum Essen?"

"Schinkennudeln - aber meine Frage war - geht es dir gut?"

"Ach ja Schinkennudeln - die kochst du für mich - oder?"

"Ja"

"Du bist mein Buzziweiberl und kochst immer so gut für mich. Was gibt es gleich wieder?"

"Schinkennudeln"

"Da geht es mir gut, wenn du für mich kochst!"

Reinhold Lichtenstern

Meine Gefülle

Meine Gefülle habe ich gemalt in einem Karussell,

weil Gefülle ist was, was mich bewegt.

Die Gefülle sind manchmal was Schönes

und manchmal nicht so was Schönes.

Sie kommen und gehen, wie sie wollen.

Da kann man gar nichts tun.

Hannelore Metzinger

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