Weltfrauentag:"Wir sind mindestens so gut wie die Männer"

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Am 8. März ist Weltfrauentag. Im Bild: Ein Schild an einer männlichen Statue in der Ludwig-Thoma-Straße in Dachau mit der Aufschrift: "Scheiß auf jedes Rollendenken! Mackertum könnt Ihr Euch schenken". (Foto: N.P.JØRGENSEN)

Der Weltfrauentag am 8. März trägt das Motto "BreakTheBias - brecht die Voreingenommenheit". Aber noch immer ist eine wirkliche Gleichberechtigung nicht Realität.

Von Gudrun Regelein; Von Klára Mayer, Freising

An diesem Dienstag ist Weltfrauentag. Seit 1921 findet er weltweit jährlich am 8. März statt. In diesem Jahr trägt er das Motto "BreakTheBias - brecht die Voreingenommenheit". Seit über 100 Jahren geht es bei dem Weltfrauentag um die Gleichstellung der Geschlechter: 1909 gingen Frauen in den USA erstmals auf die Straße, um mehr Rechte einzufordern; damals ging es um ein Wahlrecht für Frauen. Aber noch heute sind Frauen in den allermeisten gesellschaftlichen Bereichen nicht gleichberechtigt. Sechs Frauen aus den Landkreisen Freising und Erding berichten der SZ von ihren Erfahrungen.

Monika Mlnarschick, Oberärztin der Psychosomatischen Tagesklinik. (Foto: Marco Einfeldt)

Monika Mlnarschik, Oberärztin Psychosomatik und Psychotherapie am Klinikum Freising

"Also ehrlich gesagt habe ich mich bisher nie besonders um den Weltfrauentag gekümmert. In anderen Ländern - wie Frankreich oder in den osteuropäischen Länder - hat er mehr Bedeutung als in Deutschland. Beim Thema Gleichberechtigung gibt es zwar viele Absichtserklärungen, in denen gefordert wird, Frauen nach vorne, in Führungspositionen, zu bringen. Aber in der Realität schaut das dann oft ganz anders aus. Hier am Klinikum haben wir zwar einige Oberärztinnen, aber in der Chefarztposition gibt es nur Männer. Woran das liegt? Vielleicht daran, dass sich viele Frauen noch immer nicht so viel zutrauen. Oder daran, dass ihnen Zeit mit ihrer Familie einfach wichtiger ist. Manchen fehlt vielleicht auch der Wille, sich durchzusetzen. Ich denke, die Gründe sind immer sehr individuell. Grundsätzlich würde ich mir aber in der Ärzteschaft mehr Frauen in Führungspositionen wünschen, das würde eine andere Note, etwas Kreatives, in die Arbeit hineinbringen. Die Soft Skills, die Frauen oft haben, wären sicher hilfreich - gerade auch für ein gutes Miteinander."

Sandra Liebold. (Foto: Privat)

Sandra Liebold, Fachbereichsleitung der Kindertagesstätten des AWO-Kreisverbands Erding

"Mir ist tatsächlich der Weltfrauentag sehr wichtig. Auch, dass er jedes Jahr aufs Neue wieder Gehör findet. Es geht darum, dass das Thema nicht vergessen und verloren geht in der Vielfalt der ganzen Geschichten, die um uns herum passieren. Es soll auch immer ein Anstoß an die Politik sein, an der Thematik dran zu bleiben. In meinem Berufsfeld sind tatsächlich Frauen in der Überzahl, also leider gibt es eher wenig Männer. Das liegt - denke ich - auch an der Bezahlung. Ich kann mir schon vorstellen, dass es Männer gibt, die sich für pädagogische Themen interessieren- aber dass für sie die Bezahlung eben abschreckend ist. Was ich allerdings in den Kindertagesstätten beobachte und gut finde ist, dass ich vor 15 Jahren viele Väter nicht gekannt habe - und heutzutage sind die Papas genauso bei den Elternabenden dabei, holen die Kinder ab oder sind Ansprechpartner. Es gibt auch Papas, die eine Eingewöhnungszeit mit ihrem Kind machen. Das war vor 15 Jahren noch eine Ausnahme.

Schwört schon lange auf die Kraft der Rituale: Claudia Pfrang. (Foto: Marco Einfeldt)

Claudia Pfrang, Direktorin der Domberg-Akademie in Freising

"Ich halte den Weltfrauentag nach wie vor für sehr wichtig - denn wir sind noch immer nicht dort, wo wir sein sollten: in einer gleichberechtigten Gesellschaft und Arbeitswelt - von der Kirche ganz zu schweigen. In den großen Unternehmen gibt es noch immer zu wenige Frauen in Führungspositionen, deshalb halte ich die Frauenquote auch für ein wichtiges Instrument. Frauen in Führungspositionen aber denken noch immer, dass sie sich mehr als die Männer anstrengen müssen - sie sind es nicht gewöhnt, sich so Gehör zu verschaffen wie diese. Frauen haben auch nicht solche Netzwerke wie die Männer. Frauen haben wahnsinnig hohe Ansprüche an sich selber, aber sie sollten ihren Perfektionismus ein Stück weit ablegen. Sie sollten das Selbstbewusstsein haben zu sagen, "wir sind mindestens so gut wie die Männer". Ich komme aus einer kirchlichen Verbandstradition, die eine Parität hat - und finde das auch gut. Ich selber achte auf gemischte Teams, auch queere Menschen wären übrigens willkommen. Diversität ist vielleicht anspruchsvoll, aber auch bereichernd."

Das neue Bürgergeld war überfällig, die 50 Euro mehr reichten aber nicht aus, sagt Freisings Diakonie-Vorständin Christina Binder. (Foto: Marco Einfeldt)

Christina Binder, Vorständin der Diakonie Freising

"Ich habe im Januar die Leitung der Diakonie Freising übernommen, zu der auch das Frauenhaus und die Interventionsstelle Hilda für Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, gehören. Es ist erschreckend, dass auch in einem blühenden Landkreis wie Freising Frauen unter häuslicher und sexualisierter Gewalt leiden. Auch in anderen Fachbereichen - wie der Kirchlichen Allgemeinen Sozialarbeit, der Fachstelle zur Verhinderung von Obdachlosigkeit oder auch in der Flüchtlings- und Integrationsberatung - berichten viele Frauen von extremer Not und Diskriminierung. Es ist für alleinerziehende Mütter beispielsweise viel schwieriger, eine Arbeit oder eine Wohnung zu finden. Für Frauen mit Migrationshintergrund dagegen ist es extrem mühsam, ihren Weg ins deutsche System zu finden. Weil sie eine Frau und weil sie Ausländerin sind. Frauen sind auch im Jahr 2022 in den allermeisten gesellschaftlichen Bereichen nicht gleichberechtigt. Deswegen ist der Weltfrauentag auch ein extrem wichtiger Tag, an dem wir darauf aufmerksam machen können, dass auch hier, in unserem Landkreis, Frauen unter extrem schwierigen Bedingungen leben müssen."

Johanna Kamm, Mitglied der Geschäftsleistung und Prokuristin im elterlichen Unternehmen Technik Huber. (Foto: Privat)

Johanna Kamm, Mitglied der Geschäftsleitung und Prokuristin im elterlichen Unternehmen Huber Technik in Erding

"Ich persönlich habe keine besondere Verbindung zum Weltfrauentag. Wenn ich nichts darüber lesen würde, würde der Weltfrauentag ziemlich an mir vorbeigehen. Ich habe selbst auch nie das Gefühl gehabt, dass ich im Vergleich zu einem Mann ungerecht oder anders behandelt wurde. Ich kann mit allen unseren Kunden auf Augenhöhe sprechen. Das liegt bestimmt auch an meiner Mutter. Die musste sich oft durchkämpfen, sie hat für meine Schwester, das Unternehmen und für mich den Weg geebnet. Der Weltfrauentag wurde ja vor mehr als hundert Jahren ins Leben gerufen. Ich finde es wahnsinnig schade, dass es nach wie vor die Notwendigkeit für diesen Tag gibt. Im Bezug auf die Gleichstellung von Mann und Frau sind wir in Deutschland natürlich noch immer nicht da, wo wir sein wollen. Da muss sich dringend noch Einiges verändern. Ich finde den Tag aber vor allem für diejenigen Frauen wichtig, die noch lange nicht die Rechte haben, wie wir in Deutschland haben."

Irmgard Posch, Kreisbäuerin Landkreis Erding. (Foto: Renate Schmidt)

Irmgard Posch, Kreisbäuerin im Kreisverband Erding

"In unserem bayrischen Bauernverband hat der Weltfrauentag eine hohe Beachtung. Mit nur einem Tag ist aber keine wirkliche Veränderung möglich, eigentlich sollte jeder Tag ein Weltfrauentag sein. So kommt das Thema halt einmal im Jahr medial auf und wird wieder etwas in Erinnerung gerufen. Meine Oma war aus der Landwirtschaft und sie war es, die mir die Liebe zum Beruf in die Wiege gelegt hat. In der jungen Generation bin ich als Frau in der Landwirtschaft inzwischen selbstverständlich. Aber als ich damals meine Lehre gemacht habe, war man als Frau schon noch eine Ausnahme - und ich bin noch nicht so alt. Inzwischen aber gibt es in jedem Jahrgang Frauen, die den Beruf erlernen. Es ist aber noch immer oft so, dass an mich als Ehefrau die Frage gestellt wird, ob mein Mann, also der Chef, da sei. Dann muss ich erst einmal kurz schlucken. Gerade in den älteren Generationen ist es noch immer in den Köpfen, dass der Mann der Betriebsleiter ist. In der Landwirtschaft ist es inzwischen mit der modernen Technologie aber ganz egal, ob das jetzt eine Frau oder ein Mann ist."

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