Sie sei "die Liebe meines Lebens", beteuerte der Angeklagte. Es sei nicht seine Absicht gewesen, "meine Frau zu strafen, das war nur meine Reaktion aus dem Moment heraus", ließ er das Gericht über den Dolmetscher wissen. Dass er sich seit Dienstag vor der als Schwurgericht tagenden ersten Strafkammer des Landshuter Landgerichts wegen versuchten Totschlags verantworten muss, weil er im Februar versucht haben soll, seine getrennt von ihm lebende Ehefrau in deren Wohnung in Hallbergmoos zu töten, führte der Angeklagte auf seine Drogensucht zurück. Und auf seine Eifersucht. Letztere habe ihn "fertig gemacht, die hat mich getötet".
Laut Anklage suchte der 24-Jährige am 28. Februar gegen neun Uhr seine Frau in deren Wohnung auf. Es soll zum Streit gekommen sein. Dabei, so lautet der Vorwurf, soll der Angeklagte seine Frau geschlagen und mit der Hand sowie einem Ladekabel gewürgt haben, wobei er mehrfach gesagt haben soll, er werde sie umbringen. Als eine Nachbarin zu Hilfe kam, ließ der 24-Jährige laut Anklage von seiner Frau ab, um in der Küche ein Messer zu holen. Die Nachbarin zog die Küchentür zu, woraufhin die Ehefrau ins Nachbarhaus flüchten konnte. Als die von der Nachbarin gerufenen Polizei eintraf, soll die Ehefrau zurück in ihre Wohnung gegangen und dort erneut vom Angeklagten attackiert worden sein. Die Beamten zerrten ihn schließlich von der Frau weg und nahmen ihn fest.
Newsletter abonnieren:SZ Gerne draußen!
Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.
Der heute 24-Jährige war laut Anklageschrift seit 2016 mit seiner Frau nach islamischem Recht verheiratet. Im Jemen geboren floh er nach eigenen Angaben vor den Bürgerkriegswirren in seinem Heimatland und kam mit Frau und Sohn 2020 nach Deutschland und schließlich in den Landkreis Freising. Er arbeitete in einer Münchner Bäckerei, hatte seinen Erzählungen nach allerdings Drogenprobleme, "durch die ich zum Versager wurde, auch als Vater, ich habe Fehler gemacht, das bestreite ich gar nicht". Seine Frau sei "ungeduldig geworden, sie hat nicht auf mich gewartet", so empfand es der 24-Jährige.
Auf Initiative der Frau trennte sich das Paar im Mai 2022, aber man habe es noch ein paar Mal miteinander probiert, es sei ein Hin und Her gewesen, so der Angeklagte. Letztlich "habe ich die Drogen und den Alkohol nicht in den Griff bekommen, und dafür hat meine Frau mich gehasst. Ich hätte Hilfe gebraucht durch einen Arzt." Als er im Januar 2023 - nach eigenen Aussagen gegen seinen Willen - wegen einer Verletzung immer wieder krankgeschrieben wurde und seinen Job verlor, steigerte der Angeklagte seinen Drogen- und Alkoholkonsum. Er berichtete von Mengen, die die Richter nicht so recht glauben und mit seinen Einkommensverhältnissen in Einklang bringen konnten. Der Angeklagte sprach von zwei bis drei Flaschen Wodka täglich und bis zu 40 Litern Bier in der Woche. Dazu Marihuana, Kokain und Medikamente.
Beim Angeklagten wird der Konsum von Alkohol, Cannabis, Kokain und Schmerzmitteln nachgewiesen
Zur Tatzeit wurde bei dem 24-Jährigen laut eines Gutachtens, auf das der Vorsitzende Richter Ralph Reiter verwies, der Konsum von Alkohol, Cannabis, Kokain und Schmerzmitteln nachgewiesen. Er habe nach einer durchzechten Nacht, so berichtete der Angeklagte, an jenem Morgen 900 Euro von der Bank abgehoben, um sie seiner Frau zu bringen, da er unterhaltspflichtig für seinen Sohn ist: "Und dann war da dieser Typ, von dem ich angenommen habe, dass es ihr Freund ist. Und dass er dann geflüchtet ist, hat mein Misstrauen erhöht." Er habe sich betrogen gefühlt.
Auf die Frage der Staatsanwältin, wie man jemanden betrügen könne, vom dem man getrennt sei, erklärte der 24-Jährige: "In unserer Gesellschaft findet das Ende einer Beziehung erst statt, wenn man geschieden ist, aber ich habe ja nicht gesagt, ich bin jetzt geschieden." Die Frau, fragte der Richter nach, "hätte die Scheidung von sich aus nicht aussprechen können?". Als der Angeklagte mit "nein" antwortete, meinte der Vorsitzende: "Das ist vielleicht das Problem."
Die Polizisten und Polizistinnen, die als erste am Tatort eingetroffen waren, berichteten unisono, der 24-Jährige habe mehrfach geäußert, er wolle seine Frau umbringen. "Und uns auch", sagte ein Beamter. "Er hat gesagt, dass er das Problem nicht nachvollziehen kann, weil das seine Frau ist und er das Recht dazu hat, sie umzubringen", berichtete eine Polizistin. Etwas anders klang es bei einem Beamten der Kripo: "Er hat zu mir gesagt, dass er seine Frau nicht ganz umbringen wollte, sondern nur ein bisschen. Wenn ich jemanden tot machen will, dann mache ich das richtig, hat er gesagt."
Der Prozess wird fortgesetzt.