Prozess am Landgericht:Fenster und Eingangstür in Brand gesteckt

Lesezeit: 3 min

Im Sitzungssaal fünf des Landshuter Landgerichts muss sich seit Donnerstag ein 56-Jähriger aus Eching wegen versuchten Doppelmords und besonders schwerer Brandstiftung verantworten. (Foto: oh)

Ein 56-jähriger Echinger soll die Wohnung seiner Nachbarn angezündet haben, um diese zu töten. Als Motiv steht auch Ausländerfeindlichkeit im Raum. Der Angeklagte weist am ersten Verhandlungstag alle Vorwürfe von sich.

Von Alexander Kappen, Landshut/Eching

Man habe beim Eintreffen am Tatort schnell "eindeutige Spuren einer Brandstiftung festgestellt", sagte ein als Zeuge geladener Polizist zum Prozessauftakt. Und diese Brandstiftung, das geht aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft hervor, hätte durchaus verheerende Folgen haben und wesentlich größeren Schaden anrichten können als die knapp 14 000 Euro, die es letztlich waren.

Der 56-jährige Angeklagte, der sich seit Donnerstag vor der als Schwurgericht tagenden ersten Strafkammer des Landgerichts Landshut wegen versuchten Doppelmords und besonders schwerer Brandstiftung verantworten muss, soll in der Nacht auf den 7. August 2022 in einem Mehrparteienhaus in Eching die Eingangstür und zwei Fenster einer im zweiten Obergeschoss gelegenen Nachbarwohnung in Brand gesteckt haben. In der Absicht, das darin schlafende Paar zu töten. Während Vorsitzender Richter Ralph Reiter die Möglichkeit einer ausländerfeindlich motivierten Tat zur Sprache brachte, beteuerte der Angeklagte am ersten Verhandlungstag vehement seine Unschuld: "Ich habe mit dem Brand nichts zu tun."

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Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft fasste der Angeklagte, weil er mit dem geschädigten Nachbarpaar bereits seit längerer Zeit Streitigkeiten ausfocht, den Entschluss, die Wohnung der beiden anzuzünden, um sie umzubringen. Dazu soll er ein Lösungsmittel als Brandbeschleuniger über die Wohnungstür und die davor liegende Fußmatte geschüttet und diese angezündet haben.

Doch damit nicht genug: Außerdem soll der heute 56-Jährige ein rotes T-Shirt mit dem Brandbeschleuniger getränkt, angezündet und vor die Tür gelegt haben. Auf die gleiche Weise soll er mit zwei weiteren Textilien verfahren sein, die er brennend auf die beiden neben der Tür befindlichen Fensterbretter gelegt haben soll. Und schließlich, so der Vorwurf, zündete er noch eine mit dem Lösungsmittel befüllte Dose an und stellte sie neben die Eingangstür. An dem Shirt befanden sich übrigens DNA-Spuren des Angeklagten, die schließlich zu seiner Verhaftung führten.

Dem Angeklagten, so die Staatsanwaltschaft, sei klar gewesen, dass er den Geschädigten "durch die Inbrandsetzung der Wohnungstüre und der beiden Fenster die einzig realistische Fluchtmöglichkeit aus der Wohnung abschnitt". Das Paar sei einer konkreten Todesgefahr durch Rauchgase und Flammen ausgesetzt gewesen. Zudem habe der Angeklagte billigend in Kauf genommen, dass sich das Feuer auf die gesamte Anlage ausbreitet und zu einer "Gefahr für eine Mehrzahl von Personen" werden könnte.

Der mutmaßliche Täter ruft selbst die Feuerwehr

Dazu kam es glücklicherweise nicht, weil der Nachbar in der brennenden Wohnung durch einen Rauchmelder und den Lärm eines zerberstenden Fensters wach wurde und das Feuer von innen löschte, das sich von der Tür bereits bis zu einen halben Meter in die Wohnung hinein ausgebreitet hatte. Von außen versuchte der Angeklagte selbst, das Feuer zu löschen - eine andere Nachbarin hatte ihn aus seiner Wohnung geklopft und geklingelt, um ihn auf den Brand aufmerksam zu machen. Laut Anklage drängte sie ihn zu den Löscharbeiten. Wie der 56-Jährige in der Verhandlung sagte, war er es auch, der die Feuerwehr gerufen hat.

Der Angeklagte schilderte den Fall im Wesentlichen ganz anders: Er sei am Abend gegen 22 Uhr ins Bett gegangen und dann von besagter Nachbarin durch Klingeln und Klopfen aufgeweckt worden. Als sie ihn auf das Feuer in der Nachbarwohnung aufmerksam gemacht habe, sei er mit einer Salatschüssel zwischen seiner Küche und der Brandstelle hin- und hergelaufen, um das Feuer mit Wasser zu löschen. Als er dem Feuer nicht Herr werden konnte, sei er "fix und fertig gewesen", berichtete der Angeklagte. "Das Feuer wurde wieder größer, ich konnte nicht mehr - und wollte mir das wegtrinken."

Deshalb sei er in seine Wohnung gegangen und habe eine halbe bis dreiviertel Flasche Sahnelikör getrunken. Gemessen an seinem am nächsten Morgen festgestellten Alkoholpegel "müssten es aber eher zwei Flaschen gewesen sein", sagte der als Sachverständiger anwesende Landgerichtsarzt Hubert Näger in der Verhandlung. Vor dem Schlafengehen habe er überhaupt nichts getrunken, beteuerte der Angeklagte, der einräumte, früher Spiegeltrinker gewesen zu sein. Seit 2021 habe er sein Alkoholproblem jedoch im Griff.

An Streitigkeiten mit den Opfern kann sich der Angeklagte nicht erinnern

Zu den angeblichen Streitigkeiten zwischen dem Angeklagten und den Geschädigten, von denen bei den Polizeivernehmungen wohl die Rede war, konnte der 56-Jährige am Donnerstag nicht viel sagen. Der Nachbar habe es nicht gut gefunden, dass er sich mit anderen Leuten im Haus gut verstanden habe und er habe ihm gesagt, er solle sich von diesen fernhalten. Mehr sei da nicht gewesen, so der Angeklagte. "Wenn Sie nicht sagen können, was es für Probleme gab, vielleicht liegt es ja dann daran, dass der Nachbar pakistanischer Herkunft ist", sagte der Richter.

Mit dem Fall betraute Polizisten berichteten nämlich, der Angeklagte habe, als er nach den Geschädigten gefragt worden sei, diese mit ausländerfeindlichen Schimpfwörtern bedacht. Als die Polizisten ihn aufgefordert hätten, das zu unterlassen, habe er plötzlich angezweifelt, dass es sich bei ihnen um echte Polizisten handele, berichteten die Beamten. Der Angeklagte bezeichnete das als "Blödsinn", er habe schließlich in seinem Job "schon oft mit Ausländern zusammengearbeitet" und habe keine Probleme mit diesen. Der Prozess wird fortgesetzt.

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