Prozessauftakt in Landshut:Mann soll Ehefrau gewürgt und vergewaltigt haben

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Die Möglichkeit einer Verständigung, wie sie die Strafprozessordnung vorsieht, wurde am ersten Hauptverhandlungstag zwischen den Verfahrensbeteiligten ausgelotet. Am Ende nahm die Verteidigung das Angebot des Gerichts aber nicht an. (Foto: dpa)

Die Staatsanwaltschaft wirft einem 38-Jährigen vor, sich in der gemeinsamen Wohnung im nördlichen Landkreis Freising mehrfach an der Mutter von fünf Kindern vergangen zu haben. Am ersten Verhandlungstag weist der Angeklagte alle Vorwürfe zurück. Eine Verständigung scheitert.

Von Alexander Kappen, Landshut/Freising

In der Anklageschrift las sich das Ganze wie eine familiäre Schreckensherrschaft. Von einem aggressiv-dominanten Auftreten des fünffachen Vaters, der zuletzt im nördlichen Landkreis Freising gelebt hatte, war die Rede. Wer sich in der Familie seinem Willen nicht gefügt habe, so der Vorwurf, sei mit körperlicher Gewalt und Todesdrohungen eingeschüchtert worden. Der 38-Jährige, der sich jetzt wegen vorsätzlicher Körperverletzung und der Vergewaltigung seiner Frau vor der sechsten Strafkammer des Landshuter Landgerichts verantworten muss, ist sich jedoch keiner Schuld bewusst. Es sei eine ganz normale Ehe gewesen, ließ er zum Prozessauftakt durch seinen Verteidiger ausrichten. Eine Verständigung, über die beraten wurde, kam nicht zu Stande.

Laut Anklage führten der 38-jährige Afghane und seine Frau seit 2003 eine von ihren Eltern arrangierte Ehe, 2016 kam das Paar nach Deutschland. Der Angeklagte soll versucht haben, seine Frau zu kontrollieren, indem er ihr eigenes Geld, Ausweisdokumente und Zeugnisse vorenthielt und ihre sozialen Kontakte einschränkte. Zudem soll es zu diversen Übergriffen gekommen sein. Ein Beamter der Kriminalpolizei Erding berichtete als Zeuge von "20 Vorfällen plus x", von denen die Ehefrau ihm gegenüber gesprochen habe.

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Zur Anklage kamen schließlich drei Fälle. Im November 2019 soll der Angeklagte seine Frau im Treppenhaus des Mehrfamilienhauses, in dem sie wohnten, bei einem Streit mindestens eine Minute lang gewürgt, sie dann die Treppe hinunter gestoßen und dort liegen gelassen haben, so der Vorwurf. Die Frau erlitt Prellungen und eine Gehirnerschütterung. Wie der Kripo-Beamte berichtete, ist eine Behandlung im Freisinger Krankenhaus in Zusammenhang mit diesem Vorfall dokumentiert. Ebenso ein weiterer Krankenhausaufenthalt wegen Panikattacken, die die Frau offenbar wegen ihrer psychischen Belastung hatte.

Angeklagt sind zudem zwei Fälle vom Juni 2021 und April 2022, als der Angeklagte seine Ehefrau gegen deren Willen und eindeutigen verbalen Protest auch unter Einsatz körperlicher Gewalt zu verschiedenen Sexualpraktiken gezwungen haben soll. Laut Anklage erlitt die Frau nicht unerhebliche Schmerzen.

Der Ehefrau "war nicht bewusst, dass das in Deutschland nicht erlaubt ist"

Erst im Mai vergangenen Jahres fragte die Geschädigte dann eine Flüchtlingshelferin, die für sie auch als Dolmetscherin fungierte, ob sie mit ihr zur Polizei gehe, um Anzeige zu erstatten. So berichtete es der Kriminalpolizist, der die Ehefrau des Angeklagten vernommen hat. Den späten Zeitpunkt der Anzeige, so der Beamte, habe die Helferin damit begründet, "dass der Geschädigten nicht bewusst war, dass das in Deutschland nicht erlaubt ist - in ihrem Kulturkreis sei es üblich, dass der Mann bestimmt und bekommt, was er will".

Der Polizist hat nach eigenen Angaben bei der Vernehmung der Frau "keinen über das normal Maß hinausgehenden Belastungseifer" erkannt. Auch sei ihm "kein besonderer Anhaltspunkt für die Unglaubwürdigkeit der Geschädigten" aufgefallen. Auch dass die Frau zu einem Zeitpunkt zur Polizei gegangen sei, als der Angeklagte auf einer Auslandsreise "im Iran und somit nicht da war, ist absolut nachvollziehbar".

Der Angeklagte teilte über eine von seinem Anwalt vorgetragenen Erklärung mit, er weise die erhobenen Vorwürfe vollständig zurück, er wisse nicht, wo diese herrührten. Der Angeklagte, so sagte der Verteidiger, "hat noch eine zweite Ehefrau genommen, das ist üblich in diesem Kulturkreis". Und erst da hätten die Vorwürfe der ersten Ehefrau begonnen.

"Es geht hier um den entgegengesetzten Willen und nicht um den Kulturkreis", sagt der Richter

Vorsitzender Richter Thomas Lindinger erläuterte dem Angeklagten in aller Ruhe die deutsche Rechtslage: "Wenn jemand gegen den erkennbaren Willen einer Person sexuelle Handlungen an dieser vornimmt, nennt man das Vergewaltigung, oder verkürzt: nein heißt nein. Es geht hier um den entgegengesetzten Willen und nicht um den Kulturkreis. Das ist das deutsche Gesetz." Was ein mögliches Geständnis angehe, das natürlich nur in Frage komme, wenn es was zu gestehen gebe, sei der Zeitpunkt für dessen Gewichtung entscheidend. "Ein Geständnis vor der Vernehmung der Geschädigten, das ihr auch die Aussage ersparen könnte, wäre strafmildernd - danach wäre es weniger wert."

Der Verteidiger regte daraufhin ein Rechtsgespräch an. Die Kammer machte dabei ein Verständigungsangebot, das bei einem Geständnis eine Freiheitsstrafe zwischen dreieinhalb und viereinhalb Jahren in Aussicht stellte. Zudem eine mögliche Einstellung des Verfahrens bezüglich der Körperverletzung. Die Staatsanwältin wäre unter diesen Bedingungen zu einem "Deal" bereit gewesen. Dieser scheiterte jedoch am Angeklagten, dessen Verteidiger nach Rücksprache mit ihm sagte, dass ohne begangene Tat kein Geständnis abgelegt werden könne. Der Prozess wird fortgesetzt.

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