Es gibt Menschen, die in der Küche runterkommen. Sie bauen dabei den Stress ab, sie vergessen den hektischen Tag im Büro oder den Ärger mit den Kollegen. Angelina Giuliano gehört nicht unbedingt dazu. "Wenn man mich fragt, ob ich mich beim Kochen entspanne, sage ich immer: das ist Ansichtssache." Mehr als Entspannung bedeutet das Kochen für sie Konzentration. Und natürlich Zeit. "Heutzutage soll alles schnell gehen, aber die Küche braucht Zeit", sagt sie.
Angelina Giuliano, 59, ist Köchin aus Leidenschaft. Seit über drei Jahrzehnten lebt die Sizilianerin in Deutschland, seit 24 Jahren in Neufahrn. Wer die Programme der örtlichen Volkshochschulen regelmäßig durchblättert, der hat ihren Namen wahrscheinlich schon gelesen. Sie hält italienische Kochkurse in Freising, Neufahrn, Hallbergmoos und Unterföhring. Mal geht es um die Pizza ("Der Kurs ist immer gefragt", sagt sie), mal sind die "Cicchetti", also venezianisches Fingerfood, an der Reihe. Und natürlich Nudeln oder Fisch, aus der süditalienischen Küche dürfen schlicht nicht fehlen.
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An diesem Donnerstag Ende April ist Angelina Giuliano in leichter Aufregung. Sie muss noch für den nächsten Kochkurs am Folgetag einkaufen, diesmal geht es um Rezepte mit Sommergemüse. Auf dem Programm stehen untere anderem gefüllte Zucchini, Bärlauchpesto, Eiernudeln mit Spargel. 14 Personen haben sich angemeldet, mehr als ursprünglich geplant. Sie wollen Einiges lernen und Tipps mit nach Hause nehmen. Zum Beispiel, dass man beim Kochen der Nudeln die Herdplatte nicht frühzeitig ausschalten sollte - denn das mag vielleicht Gas oder Strom sparen, aber das macht die Nudeln klebrig, erklärt die Köchin. Oder, dass für eine Soße in diesen Breitengraden geschälte Tomaten besser sind als frische Tomaten, denn mit ihnen ist man zumindest auf der sicheren Seite. "Frische Tomaten sehen schöner aus, sind aber häufig nicht reif genug und deshalb sauer", sagt Giuliano.
Angelina Giuliano hat das Kochen zuhause in Palermo gelernt, genauer gesagt: von ihrem Vater, von Beruf Schiffskoch. Sie besuchte eine auf die Küche und Hotellerie spezialisierte Schule, dann widmete sie sich hauptsächlich der Familie und den drei Töchtern. Nach dem Umzug nach Deutschland arbeitete sie in einer Mensa, dann begann sie, italienische Kochkurse zu geben. Darin versucht sie, Tradition und Modernität zu kombinieren.
Die sizilianische Küche ist eine der abwechslungsreichsten Regionalküchen Italiens. Sie ist von verschiedenen Kulturen beeinflusst, zum Beispiel von den Arabern. In die Insel führten sie etwa Zitrusfrüchte, Reis und Mandeln ein - Zutaten, die heute nicht mehr wegzudenken sind. Wie bei den "Arancini", frittierten und gefüllten Reisbällchen, die auch bei den Urlaubern große Popularität genießen. Oder beim Couscous nach Trapaneser Art, einem anderen Gericht, das auf die arabische Herrschaft zurückzuführen ist. Aber auch die Griechen und die Normannen hinterließen Spuren, zum Beispiel den Frischkäse Ricotta und den Stockfisch.
"Zu Beginn des Kurses siezen wir uns. Nach vier Stunden sind wir schon wie eine große Familie"
Angelina Giuliano hat sich gut in Deutschland eingelebt, in die Heimat fährt sie regelmäßig im Urlaub. Sie kommt zurück mit vollgepacktem Auto, darin sind Nudeln, Olivenöl oder Käsesorten wie Crescenza und Caciocavallo zu finden. Zum Italiener geht sie hingegen selten, ihrer Meinung nach sind die Menüs in Deutschland meistens wenig kreativ und nicht abwechslungsreich. Über die gastronomischen Trends informiert sie sich in Zeitschriften wie "So is(s)t Italien" und "La cucina italiana", sie schaut Kochsendungen, ihr Vorbild ist zum Beispiel der italienische TV-Küchenstar Antonino Cannavacciuolo, der vor Kurzem mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurde. Ihr Lieblingsrezept im Sommer sind Gnocchi mit Tomatensauce, Auberginen und geräuchertem Ricotta, im Winter steht sie auf Klassiker wie Spezzatino, eine Art italienisches Gulasch, mit Kartoffeln.
Wenn man Angelina Giuliano fragt, warum sie gerne die Kunst des Kochens weitergibt, sagt sie: "Zu Beginn des Kurses siezen wir uns. Nach vier Stunden sind wir schon wie eine große Familie." Überhaupt sei das Kochen für sie viel mehr als nur Lebensmittel und Rezepte: "Die Küche ist Emotion", sagt sie mit einem breiten Lächeln. Durch das Kochen tauchen Erinnerungen wieder auf, man denkt dabei an Menschen, mit denen man besondere Momente erlebt hat, gerade überlegt sie schon, was sie beim nächsten Treffen in Sizilien mit einer guten Freundin kochen möchte. Den Kursteilnehmern und Kursteilnehmerinnen versucht sie, diesen Aspekt zu vermitteln. "Ihnen sage ich immer: ich kann euch ein Rezept geben. Aber den ganzen Rest müsst ihr selbst hinzufügen." Mit "ganzem Rest" meint sie: die Hingabe, die Kreativität, die Leidenschaft. Und natürlich die Zeit. Erst dann gelangt die Küche ins Gedächtnis.
Bolognese-Soße ("Ragù di carne") nach Angelina Giuliano: Rezept für ein Kg Fleisch
- Zwei Knoblauchzehen, zwei weiße Zwiebeln mittlerer Größe, zwei Selleriestangen und vier mittelgroße Karotten putzen, schälen und ganz fein hacken, ein Lorbeerblatt hinzufügen. Olivenöl in einem Topf erhitzen, das Gemüse darin andünsten aber nicht bräunen lassen.
- Das Hackfleisch hinzugeben und mit Salz und Pfeffer abschmecken. Angelina Giuliano kauft in der Regel keine fertige Hackmischung, sondern gehacktes Rind- und Schweinfleisch separat. Mit ihrem eigenen Fleischwolf mischt sie dann die verschiedenen Fleischsorten.
- Wenn das Hackfleisch trocken ist, eine halbe Tube vom doppelten Tomatenkonzentrat, eine Glasflasche passierte Tomaten und ein Liter Wasser hinzufügen.
- Das Ganze zwei Stunden lang bei mittlerer Temperatur kochen und immer wieder rühren. Danach mindestens vier Stunden lang auf niedrigster Temperatur köcheln lassen.