Prozess am Landgericht:Kinderpornografie im großen Stil gespeichert

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Unter anderem auf USB-Sticks hatte der Angeklagte zehntausende kinderpornografische Dateien gespeichert. (Foto: Ole Spata/dpa)

Ein 55-jähriger Neufahrner wird zu drei Jahren und fünf Monaten Haft verurteilt, weil zehntausende Videos und Bilder mit kinderpornografischem Inhalt in seiner Wohnung gefunden werden.

Von Alexander Kappen, Landshut/Neufahrn

Er habe sich völlig in der virtuellen Welt verloren, "sodass ich gar nicht mehr realisiert habe, was ich da mache", sagte der Angeklagte. Es tue ihm "unendlich leid, dass ich nicht früher angefangen habe, darüber nachzudenken, was ich da getan habe". Gemeint waren die unzähligen Videos und Bilder mit kinder- und jugendpornografischen Inhalten, die der 55-jährige Neufahrner auf PCs, Tablets, Handys, externen Festplatten und USB-Sticks gespeichert hatte. Zudem führte er per Whatsapp einen Chat mit einem Jungen. Diesem bot er nicht nur Geschlechtsverkehr an, sondern tauschte dort mit ihm Nachrichten sexuellen Inhalts sowie pornografische Bilder aus - nach Überzeugung von Staatsanwaltschaft und Gericht in der Annahme, dass es sich bei dem Chatpartner um einen 13-Jährigen handelte.

Der von Anfang an in vollem Umfang geständige Angeklagte wurde von der Jugendschutzkammer des Landgerichts Landshut unter Vorsitz von Richterin Michaela Wawerla am Montag zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und fünf Monaten verurteilt. Das Urteil basiert auf einer Verständigung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung.

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Man habe eine Mitteilung erhalten, dass über Skype kinderpornografische Inhalte ins Internet hochgeladen worden seien, berichtete eine Kripo-Beamtin in der Hauptverhandlung als Zeugin. Dahinter verbarg sich der Anschluss des heute 55-Jährigen, dessen Wohnung in Neufahrn daraufhin von der Polizei durchsucht wurde. Der Angeklagte habe etwas verschlafen und "überfahren" gewirkt, sei dann aber sehr kooperativ gewesen und habe auch freiwillig seine Passwörter für die Speichermedien herausgegeben, berichtete ein anderer Polizist. Die Wohnung an sich sei "chaotisch" gewesen.

Das deckte sich mit den Erzählungen des Angeklagten, der von einer Art Internetsucht berichtete, die ihn erfasst habe. Der 55-Jährige, der seine leiblichen Eltern nicht kennt und bei einer alleinerziehenden Adoptivmutter aufgewachsen ist, machte nach dem Abitur eine kaufmännische Lehre und arbeitete dann jahrelang als Selbständiger in einer anderen Branche. In der Zeit habe er sich dann immer mehr der virtuellen Welt gewidmet, "mit der realen Welt bin ich nicht mehr klargekommen", erzählte er in der Verhandlung. Er habe seine Wohnung nicht mehr aufgeräumt, die Post habe sich teils fünf Jahre lang gestapelt, ohne von ihm geöffnet zu werden. Im Beruf sei er zurechtgekommen, im Privaten nicht. "Ich war einsam."

Es sei ihm "nicht um das Anschauen der Bilder gegangen", behauptet der Angeklagte

Bei den angeklagten Taten sei es ihm gar nicht "um das Anschauen der Bilder gegangen", behauptete er, "sondern um das Kommunizieren mit Menschen und darum, Teil dieser Gemeinschaft zu sein", sagte er. "Wir haben da Dateien getauscht, ich habe die teilweise gar nicht angeschaut, das waren so viele und es waren auch doppelte dabei."

Laut Anklage fanden sich auf seinen Geräten knapp 69 000 kinderpornografische Bilder und rund 3600 Videos mit einer Gesamtspiellänge von mehr als 315 Stunden. Dazu kamen circa 11 700 jugendpornografische Bilder sowie 680 Videos mit einer Gesamtlaufzeit von mehr als 49 Stunden. Zu sehen sind darauf fast ausschließlich Jungen. Bereits im Jahr 2005 hat es ein Verfahren gegen den Angeklagten wegen Kinderpornografie gegeben, das aber schon aus dem Bundeszentralregister gelöscht ist, weshalb er in der aktuellen Verhandlung als nicht vorbestraft galt.

"War das Verfahren damals kein Weckruf für Sie?", wollte die Vorsitzende wissen. Er habe "nicht wahrgenommen, dass ich da wieder reinschlittere", antwortete der Angeklagte. Durch sein Abtauchen in die virtuelle Welt "war mir das nicht mehr präsent". Inzwischen habe er sich aber um Therapiemöglichkeiten bemüht, um wieder Struktur in seinen Alltag zu bekommen und mit der realen Welt klarzukommen.

Dass er geglaubt haben soll, er chatte mit einem Erwachsenen, nimmt das Gericht ihm nicht ab

Zu dem Chat mit dem Jungen, der sich selbst als 13-Jähriger ausgab, aber in Wahrheit 14 war, sagte der Angeklagte: "Ich habe gedacht, ich kommuniziere in Wirklichkeit mit einem Erwachsenen." Sie glaube, so die Vorsitzende in der Urteilsbegründung, der Angeklagte "redet sich da die Welt ein bisschen schön". Warum er gemeint haben solle, "er chattet mit einem Erwachsenen, der sich als Kind ausgibt, ist der Kammer nicht verständlich". Für sie war klar: "Er wollte mit einem Kind kommunizieren."

Der Neufahrner wurde schließlich wegen versuchten sexuellen Missbrauchs eines Kindes ohne Körperkontakt verurteilt sowie wegen des Besitzes kinder- und jugendpornografischer Schriften. Auf den Videos und Bildern sei "schwerster sexueller Missbrauch von teils sehr kleinen Kindern zu sehen", führte die Vorsitzende zulasten des Angeklagten an. Negativ ins Gewicht fiel auch die Vielzahl der Dateien.

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