Versuchter Mord:"Er hat sich ständig provoziert gefühlt"

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Ein Feuerwehr-Fahrzeug im Einsatz. (Foto: Leonhard Simon)

Im Prozess um eine Brandstiftung in einem Echinger Wohnhaus berichten Zeugen von einem auffälligen Verhalten des Angeklagten. Der hegte offenbar "eine Aversion" gegen eines der beiden Tatopfer.

Von Alexander Kappen, Eching

Wer hat in einer August-Nacht im Jahr 2022 das Feuer vor einer Wohnung in einem Echinger Mehrfamilienhaus gelegt, das ein Paar im Schlaf überrascht hat? Was war das Motiv des Brandstifters? Dieser Frage geht derzeit die als Schwurgericht tagende erste Strafkammer des Landgerichts Landshut nach, vor der sich ein 56-jähriger Bewohner des Hauses wegen besonders schwerer Brandstiftung und versuchten Doppelmordes verantworten muss. Bei der Fortsetzung der Hauptverhandlung am Dienstag zeichneten Polizisten und eine Nachbarin im Zeugenstand ein rätselhaftes und zuweilen befremdliches Bild des Angeklagten, der die Tat seit dem Prozessbeginn in der vergangenen Woche bestreitet.

Fest steht: In dem Haus herrschten offenbar schon vor dem Brand problematische Zustände - inklusive Beleidigungen, Bedrohungen, Handgreiflichkeiten, sexuellen Belästigungen und Anzeigen. Mittendrin stets der Angeklagte, der von seiner direkten Nachbarin als "seltsamer Mann" bezeichnet und in keinem guten Licht dargestellt wurde.

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Der 56-jährige Angeklagte soll in der Tatnacht die Eingangstür und zwei Fenster einer im zweiten Obergeschoss gelegenen Nachbarwohnung in Brand gesteckt haben. In der Absicht, das darin schlafende Paar zu töten. Dabei benutzte er laut Anklage auch mit Brandbeschleuniger getränkte Textilien - unter anderem ein T-Shirt, an dem seine DNA-Spuren gefunden wurden. Das Paar, das in der betreffenden Wohnung lebt, wachte in der Brandnacht durch ein berstendes Fenster und den Lärm der Rauchmelder rechtzeitig auf und kam mit leichten Verletzungen davon. An der Wohnung entstand ein Sachschaden von knapp 14 000 Euro.

Ein Beamter der Erdinger Kriminalpolizei berichtete, der Angeklagte sei bei seiner Zeugenvernehmung durch die Polizei "sehr nervös, zappelig und hibbelig" gewesen. "Und er hat mir gleich angeboten, mich in seiner Wohnung umzuschauen - ich wusste gar nicht, warum." In dem Lagerräumen des Angeklagten, der öfter für Nachbarn und Bekannte Malerarbeiten erledigte, wurde nach Aussage des Polizisten aber kein Brandbeschleuniger gefunden. "Er hat gesagt, dass er schon seit Jahren kein Terpentin mehr benutzt."

Der ursprünglich aus Pakistan stammende Mann, vor dessen Wohnung der Brand gelegt worden ist, habe ausgesagt, er sei in der Vergangenheit vom Angeklagten mehrfach "als Kanake bezeichnet worden", berichtete der Kripo-Beamte. Bereits am ersten Verhandlungstag hatten Polizisten ausgesagt, dass der Angeklagte dieses Schimpfwort auch ihnen gegenüber in Bezug auf das Opfer benutzt habe. Die Kammer unter Vorsitz von Richter Ralph Reiter prüft auch, ob Fremdenfeindlichkeit als mögliches Tatmotiv infrage kommt. Am Auto des Angeklagten sollen in der Vergangenheit schon Reifen zerstochen und eine Scheibe eingeschlagen worden sein.

"Er wollte ständig wissen, was ich gesehen und der Polizei gesagt habe", berichtet eine Nachbarin

Kaum ein gutes Wort für den Angeklagten fand eine Nachbarin, die am Dienstag ebenfalls als Zeugin aussagte. Sie hatte, weil ihre Hunde angeschlagen hatten, das Feuer bemerkt und beim Angeklagten geklopft und geklingelt. Daraufhin half er beim Löschen und rief auf ihre Aufforderung hin die Feuerwehr. Entgegen seiner eigenen Aussage hatte die 64-Jährige nicht den Eindruck, dass der Angeklagte zu dem Zeitpunkt geschlafen habe - auch weil er so schnell angezogen und an der Tür gewesen sei. Und nach dem Brand "wollte er ständig wissen, was ich gesehen und was ich der Polizei gesagt habe", berichtete die Zeugin.

Das Verhältnis zwischen dem Angeklagten und dem Opfer war ihrer Aussage nach nicht das Beste. Der 56-Jährige habe gegen den Nachbarn "einfach eine Aversion gehabt, warum, das weiß ich nicht". Durch den Gang und den Blick des Opfers habe sich der Angeklagte "ständig provoziert und bedroht gefühlt", sagte die Zeugin. "Und er hat auch gesagt, ein paar von seinen Freunden aus Neufahrn, angeblich Türken, würden sich freuen, den mal richtig zu polieren."

Sexuelle Übergriffe und Kot vor den Wohnungstüren

Das Verhältnis der Zeugin zum Angeklagten ist sehr zwiespältig. Erst waren die beiden befreundet, dann wurde der 56-Jährige sexuell übergriffig. Einmal legte er sich gegen den Willen der Frau in ihr Bett, wie sie sagte, und wurde von Nachbarn mit körperlicher Gewalt aus der Wohnung gebracht. Als er sie mal an der Brust begrapscht habe, habe sie ihn angezeigt. Der Angeklagte wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Nach dem Vorfall sei im Haus vor den Wohnungstüren immer wieder Kot gelegen. Vermeintlicher Hundekot. Die Zeugin ließ diesen jedoch beim Tierarzt untersuchen. Das unappetitliche Ergebnis: es waren menschliche Exkremente. "Ich kann es nicht beweisen, dass es von ihm war", so die Zeugin, "aber er hat mir gesagt, dass er sogar noch eine Wurst im Gefrierschrank hat und das macht, damit ich meinen Hund verliere".

Dennoch ließ sie sich danach wieder auf den Angeklagten ein und diesen sogar in ihre Wohnung. Von den Richtern darauf angesprochen, sagte sie: "Der hat mich so tyrannisiert, dass ich gemeint habe, es ist besser, sich mit seinem Feind zu verbünden." Der Prozess wird fortgesetzt.

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