Mit der Energiewende im Landkreis soll es möglichst schnell vorangehen - allerdings nicht überall. Thomas Grevel kämpft darum, auf seinem Grundstück in Berg einen Solarzaun errichten zu dürfen. Der Kranzberger Gemeinderat hatte den Bauantrag einstimmig genehmigt, nicht aber das Landratsamt Freising. Bei einem Ortstermin des Petitionsausschusses des Landtags kam ein Kompromissvorschlag auf den Tisch, den das Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr prüfen will. Darüber entscheiden wird aber wiederum die Kreisbehörde. Und die sah bisher keinerlei Ermessensspielraum, denn das Areal befindet sich im Außenbereich und im Landschaftsschutzgebiet Ampertal.
Das Haus von Thomas Grevel in Berg liegt idyllisch an einem Hang über dem Ampertal und so versteckt, dass man nur mit Navi dorthin findet. Die alte Buchenhecke, die das Grundstück umgibt, will Grevel teilweise durch einen Solarzaun - maximale Leistung 20 Kilowatt-Peak - ersetzen. Dieser soll laut Planung auch noch einige Meter auf eine Wiese verlängert werden, die Grevel gehört, aber landwirtschaftlich genutzt wird. Insgesamt soll er etwa 100 Meter lang werden. Weil es wenig Vergleichsobjekte gibt und das Vorhaben bei einer Genehmigung zu einem Präzedenzfall würde, entschied der Petitionsausschuss im April, sich direkt in Berg ein Bild davon zu machen. Gekommen waren am Mittwoch die beiden Abgeordneten Karl Straub (CSU) und Johannes Becher (Grüne).
Zwei Paneele hat Grevel zu Demonstrationszwecken aufgestellt, daneben zwei Transparente mit den provokanten Aufschriften "Solarzaun vom Landrat abgelehnt" und "Energiewende, aber nicht bei uns", beides mit Ausrufezeichen. Grevel ist ein Tüftler, mit dem Strom will er letztlich ein kleines Blockheizkraftwerk betreiben, um seine alte Ölheizung zu ersetzen. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach hat er bereits. Die Buchenhecke müsste er ohnehin beseitigen, erklärte er. Zum einen sei sie so hoch, dass er sie nicht mehr pflegen könne. Zum anderen sei der Maschendrahtzaun in der Hecke verrostet und kaputt. Einen Teil der Buchenreihe will er an anderer Stelle wieder einsetzen.
Für das Landratsamt ist die Sache klar: Ermessensspielraum hätte man in diesem Fall nur, wenn keine öffentlichen Belange beeinträchtigt würden. Das aber sei hier gegeben, erläuterte Juristin Isabel Altmeyer. Der Flächennutzungsplan sehe an dieser Stelle eine landwirtschaftliche Nutzung vor. Auch der Landschaftsschutz spricht laut Jörg Steiner von der Unteren Naturschutzbehörde dagegen. Es handele sich um eine sehr exponierte Lage. "Das ist sicher nicht der hässlichste Punkt Freisings", meinte er. "Der Nutzen wäre klein, der Schaden groß." Er fürchtet zudem viele Bezugsfälle.
Grevel will diese Einwände nicht gelten lassen. Er sieht sich durch die Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) 2023 im Recht. In Paragraf zwei heißt es dort seit Januar unter der Überschrift "Besondere Bedeutung der erneuerbaren Energien": "Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen sowie den dazugehörigen Nebenanlagen liegen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit." Die Rechtsanwaltskanzlei Kapellmann aus München legt dies in einem Kommentar so aus, dass auch im Naturschutz "die Abwägungsentscheidung nach der Intention des Gesetzgebers künftig allenfalls in Ausnahmefällen zulasten der erneuerbaren Energien ausfallen" soll.
Doch die Sache ist verzwickt. Das EEG finde hier keine Anwendung, Es gelte der recht strikte Paragraf 35 "Bauen im Außenbereich" des Baugesetzbuches, der keine Abwägungsentscheidung vorsehe, sagte eine Vertreterin des Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr.
Die beiden Abgeordneten unternahmen mehrere Anläufe, um doch noch zu einem Kompromiss zu kommen. Becher schlug vor, den Solarzaun auf den Bereich zu beschränken, wo sich bisher die Buchenhecke befindet, plus einer Kompensationsmaßnahme - ein Vorschlag, mit dem auch Grevel leben könnte, wie er meinte. Straub sagte, dass er mit der Optik eines Solarzauns keine Probleme habe, "das dient der Natur letztlich ja auch'". Aber er betonte, dass die Entscheidung letztlich beim Landratsamt liege. Dessen Argumentation sei rechtlich korrekt.
Für Thomas Grevel war der Ortstermin alles andere als befriedigend
Grevel nannte den Ortstermin "sehr unbefriedigend". Der Zaun wäre ja nur eine Zwischenlösung für etwa 30 Jahre, bis es andere Technologien gebe. Wie man das EEG 2023 "so ignorieren kann, macht mich fassungslos", sagte er. Sollte das Landratsamt bei seiner Ablehnung bleiben, will er vor das Verwaltungsgericht gehen. Becher hofft, dass es dazu nicht kommen wird. Das Staatsministerium will seinen Vorstoß aufgreifen und eine Stellungnahme zu einer kleinen Zaun-Lösung als Ersatz für die Hecke verfassen. Der Petitionsausschuss wird darüber diskutieren, allerdings wohl erst in der neuen Legislaturperiode nach der Landtagswahl. Dann ist wieder das Landratsamt am Zug.
Ausnahmen für Freiflächen-Photovoltaikanlagen in Landschaftsschutzgebieten haben die Freisinger Kreisräte in Autobahnnähe und Bahntrassen kürzlich erst zugelassen. Für Jörg Steiner macht es Sinn, an "größeren Rädern zu drehen". Beim Solarzaun in Berg sehe er nicht den "Mega-Gewinn für die Energiewende", wohl aber den optischen Schaden.