Kommunalwahl im Landkreis Freising:"Andere gehen zum Fußballtraining"

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Seit Wochen opfern auch sehr junge Leute ihre Zeit dem Wahlkampf. Statt Sport zu treiben oder Partys zu feiern, machen sie sich für ihre Überzeugung stark

Von Florian Beck, Freising

Der Landkreis wählt Mitte März einen neuen Landrat sowie in 24 Gemeinden neue Bürgermeister. Außerdem werden der Kreistag und 24 Stadt- und Gemeinderäte neu zusammengestellt. Auf den Listen stehen viele alteingesessene Lokalgrößen, doch es haben auch einige Jugendliche zu einem Listenplatz gebracht. Viele davon treten zum ersten Mal zu einer Wahl an und strotzen vor frischen Ideen und jugendlichem Aktivismus. Die Freisinger SZ hat bereits im Dezember aus allen Parteien und Wählervereinigungen im Landkreis je einen jungen Kandidaten vorgestellt - insgesamt neun engagierte Jugendliche. In den vergangenen Wochen hatten sie alle Hände voll zu tun: Sie mussten Plakate aufstellen, Infostände abhalten, Flyer verteilen, Veranstaltungen besuchen und neben all dem ihren Schulabschluss, ihr Studium, ihre Ausbildung oder ihren Beruf im Auge behalten. Acht der neun Jugendlichen standen nun erneut zu einem Gespräch bereit, lediglich der Kandidat der Linkspartei Christoph Kröner, war nicht mehr zu erreichen.

Theresa Rudolph

Theresa Rudolph von der FDP verteilt fleißig Flyer. (Foto: Marco Einfeldt)

21 Jahre, Studentin aus Freising, FDP, Stadtratsliste Freising Platz 5, Kreistagsliste Platz 6:

"Ich bin sehr motiviert in diesen Wahlkampf gestartet und bin es auch weiterhin. Natürlich bedeuten die ganzen Veranstaltungen und Aktionen einen großen Zeitaufwand, aber ich finde, es lohnt sich total. Mit dem Beginn der Semesterferien und dem Ende meiner Prüfungsphase habe ich jetzt auch die Gelegenheit, mich voll auf den Wahlkampf zu fokussieren. Außerdem macht es mir wirklich Spaß, auf die Leute zuzugehen, die meisten sind sehr offen für unsere Themen. Daraus entstehen oft gute Gespräche, aus denen ich auch selbst noch viel lernen kann.

Bei Aktionen wie unserem wöchentlichen Infostand am Kriegerdenkmal wurde ich öfter auf mein Alter angesprochen, allerdings habe ich nur positive Rückmeldungen bekommen. Wir jungen Kandidaten unterstützen uns auch gegenseitig. Man sieht sich oft bei Veranstaltungen oder dem Jugendparteienstammtisch, deswegen lernt man sich früher oder später zwangsläufig kennen. Mich haben einige Freunde und Kommilitonen auf die Kandidatur angesprochen, die meisten von ihnen kennen mich aber eh als politischen Menschen, deswegen war es für sie keine große Überraschung. Ich habe es sogar geschafft, zwei meiner Freunde dazu zu bringen, auch für die FDP zu kandidieren."

Sofian Achour

19 Jahre, Schüler aus Freising, Freie Wähler, Stadtratsliste Freising Platz 21:

"Ich finde es richtig schön zu sehen, wie sich jetzt alle für den Wahlkampf ins Zeug legen. Und mir macht es wirklich Spaß. Anstrengend finde ich es im Moment noch nicht besonders, allerdings bin ich auch nicht überall dabei, immerhin schreibe ich ja im Mai mein Abitur. Trotzdem bin ich oft bei unseren Infoständen, ich freue mich jedes mal wieder, wie einfach man da mit den Wählern ins Gespräch kommen kann. Diese Begegnungen machen mir auch am meisten Spaß im Wahlkampf.

Manche meiner Freunde wussten gar nichts von meiner Kandidatur, den meisten hatte ich es aber schon erzählt. In der Schule kamen mehrere Mitschüler und auch Lehrer auf mich zu, die meinen Namen auf unserer Liste entdeckt haben. Sie fanden es eigentlich alle echt stark, dass ich mich engagiere und etwas verändern möchte. Nach wie vor ist allerdings das Hauptziel, dass die Freien Wähler als Ganzes gut abschneiden, ob ich selbst in den Stadtrat komme, ist zweitrangig. Die Kandidaten auf unseren vorderen Listenplätzen sind ja auch nicht umsonst vorne, von ihnen kann und will ich noch viel lernen."

Emilia Kirner

Emilia Kirner (ÖDP) hat die Website erstellt. (Foto: Marco Einfeldt)

22 Jahre, Studentin aus Freising, ÖDP, Stadtratsliste Freising Platz 2, Kreistagsliste Platz 6:

"Ich bin aufgrund meines relativ guten Listenplatzes sogar auf einigen Plakaten der ÖDP gelandet, deshalb haben mich auch schon mehrere Bekannte und Kommilitonen angesprochen - fast alle meine Freunde wussten sowieso Bescheid. Die Reaktionen waren gemischt, eigentlich fanden es alle gut, dass ich mich einbringen will, nicht alle waren aber mit den Inhalten der ÖDP zu 100 Prozent zufrieden. Das hat mich aber nicht besonders gestört, schließlich ist keine Partei für jeden etwas. Und ich konnte in der Folge spannende Diskussionen zu Themen wie etwa einem allgemeinen Tempolimit führen, die sonst wohl nicht zustande gekommen wären.

Überhaupt merkt man im Vorfeld der Kommunalwahl jetzt total, wie sich die gesellschaftliche Debatte immer mehr konkreten Inhalten und Ideen zuwendet. Die Parteien sind wie sonst nie Teil der öffentlichen Berichterstattung, das finde ich wirklich super. Das wird man sicher auch bei unseren Infoständen merken, die wird es aber erst an den letzten vier Samstagen vor der Wahl geben. Wobei es nicht so ist, dass ich jetzt noch nichts zu tun hätte: In den letzten Tagen habe ich zum Beispiel beim Ausformulieren unserer Flyer mitgeholfen und beim Radentscheid hier in Freising bin ich stark eingebunden, da habe ich etwa die Website erstellt. Dazu kommt, dass in der Uni gerade noch die Prüfungsphase läuft, deswegen muss ich auch noch eine ganze Menge lernen. Zum Glück kann ich von mir behaupten, dass Zeitmanagement meine Stärke ist, daher bekomme ich das alles irgendwie unter einen Hut."

Joana Bayraktar

Joana Bayraktar, Grüne, unterwegs im Landkreis beim Hausbesuch. (Foto: Marco Einfeldt)

24 Jahre, Studentin aus Freising, Die Grünen, Stadtratsliste Freising Platz 5, Kreistagsliste Platz 5:

"Ich finde, es liegt schon den ganzen Wahlkampf allgemein eine positive Grundstimmung in der Luft, das gefällt mir total. Natürlich war es anstrengend, gemeinsam ein Programm und Flyer zu erstellen, und natürlich ist es jetzt auch anstrengend, die an die Leute zu bringen. Aber ich bin wirklich begeistert, wie positiv die meisten Bürger uns und unsere Inhalte aufnehmen. Auch im Hinblick auf mein Alter kam noch kein einziger blöder Spruch, wenn dann nur Anerkennung. Auf jeden Fall geht viel Zeit neben der Uni für den Wahlkampf drauf, aber immerhin habe ich jetzt erst mal Semesterferien. Und wenn man die ganzen Aktionen wie Infostände und dergleichen gut in den eigenen Tagesablauf einbindet, dann fällt es einem auch gar nicht so schwer, sich die Zeit dafür zu nehmen. Allerdings bin ich gespannt, wie viel intensiver es im März noch wird.

Am meisten Spaß machen mir der Haustürwahlkampf und die Veranstaltungen von uns Grünen. Mein Highlight war ohne Zweifel der Besuch von Robert Habeck Anfang Februar, weil ich bei seinem Besuch für die Moderation zuständig war. Ich war unfassbar aufgeregt, aber es hat sich total gelohnt, ich fand den ganzen Tag wirklich sehr gelungen. Ich bin auch auf dem ein oder anderen Plakat zu sehen, darauf sprechen mich viele meiner Freunde und Bekannten an. Ich finde die Vorstellung irgendwie skurril, dass ein Bild von mir im ganzen Landkreis verteilt wird."

Michael Weindl

21 Jahre, Student aus Freising, SPD, Stadtratsliste Platz 9, Kreistagsliste Platz 23:

"Ich würde die Politik als mein Hobby bezeichnen - andere gehen in den Schwimmverein oder zum Fußballtraining, ich besuche Infostände oder baue den SPD-Wagen für den Faschingsumzug. Natürlich ist das oft anstrengend, aber es macht mir sehr viel Spaß und deswegen tue ich das alles gerne. Gerade ist es besonders stressig, da ich parallel zum Wahlkampf noch hauptverantwortlich mit dem Jugendstadtrat die Party on Ice organisiere und in der Uni auch noch Prüfungsphase ist, das ist aber alles in ein bis zwei Wochen vorbei und dann kann ich wirklich 100 Prozent geben.

Am liebsten bin ich bei den Nachtinfoständen von uns Jusos. Die bauen wir ab nächstem Freitag am Wochenende in verschiedenen Orten auf, nur eben nicht am Vormittag sondern erst ab ungefähr 19 Uhr. Seit der Bundestagswahl 2017 bieten wir diese Stände an, die gerne mal bis 23 Uhr gehen können. Der Vorteil ist, dass wir noch mal ganz andere Leute erreichen als mit den Ständen am Wochenmarkt, von Spaziergängern mit Hund bis hin zu Feierwütigen auf dem Weg nach München ist alles dabei. Dadurch entstehen so gut wie immer wirklich witzige und sehr interessante Gespräche, bei denen man die Probleme der Leute viel besser mitbekommt. Ich blicke auf jeden Fall zuversichtlich auf die Wahl. Vor einer Woche war Kevin Kühnert bei uns zu Besuch, der hat an einem Donnerstagmittag 70 Leute versammeln können. Ich finde, das zeigt einfach, wie unheimlich wichtig den Leuten die Themen sind, die wir ansprechen.

Philomena Böhme

19 Jahre, Auszubildende Erzieherin aus Freising, Freisinger Mitte, Stadtratsliste Platz 5, Kreistagsliste Platz 20:

"Manchmal denke ich mir schon: ,Oh je, wo ist bloß meine Freizeit geblieben?' Neben meiner Ausbildung stehe ich für unsere Infostände fast jeden Samstag früh auf, dazu kommen noch Abendveranstaltungen, Seminare, und vieles mehr. Natürlich ist das alles freiwillig, aber ich lerne bei jeder unserer Aktionen Neues dazu und erlebe durch mein Engagement so viele schöne Dinge, ich habe so viel Spaß dadurch, dass ich dafür gerne einen guten Teil meiner Freizeit opfere. Am meisten freue ich mich immer auf unseren Infostand am Kriegerdenkmal, da begegnet man so vielen tollen Menschen mit interessanten Geschichten. Aus vielen sprudelt es richtig heraus, wenn sie erst einmal anfangen, über ihre Probleme zu reden. Und viele bedanken sich dann sogar bei mir fürs Zuhören, das finde ich immer sehr schön.

Manchmal sind die Passanten aber auch ganz überrascht, dass ich kandidiere, wahrscheinlich wegen meines Alters. Aber wenn ich das sage, reagieren eigentlich alle positiv und loben mich für mein Engagement. Mein Gesicht hat es auch auf ein Plakat geschafft, da ist unsere gesamte Liste drauf. Zum Glück bin ich da aber nur klein drauf, das ist nämlich ein ziemlich komisches Gefühl. Trotzdem hat mich schon eines meiner Kindergartenkinder entdeckt und mich gefragt, ob ich berühmt bin."

Marco Riedel

Marco Riedel, CSU, bespricht mit Passanten den Landtags- und Kommunalwahlkampf. (Foto: Marco Einfeldt)

18 Jahre, Schüler aus Itzling, CSU, Stadtratsliste Freising Platz 27:

"Obwohl es im Moment draußen noch ziemlich kalt ist, machen mir unsere Infostände am Samstagvormittag immer sehr viel Spaß. Man bekommt die Möglichkeit, sehr viele interessante Leute kennenzulernen, nette Unterhaltungen zu führen, aber auch inhaltliche Überzeugungsarbeit zu leisten. Ich konnte jetzt schon mehrere Passanten für einige meiner Ansichten gewinnen, das ist ein tolles Gefühl. Und weil die Infostände am Wochenende stattfinden, kann ich sie auch gut mit der Abiturvorbereitung unter einen Hut bringen.

In letzter Zeit haben mich mehrere Mitschüler und Lehrer auf meine Kandidatur angesprochen, so etwas macht schnell die Runde. Die fanden es alle toll, dass ich mich für meine Meinung stark mache und einsetze. Irgendwelche Sprüche, ob ich nicht zu jung dafür wäre, musste ich mir noch nicht anhören, weder von Bekannten noch bei Wahlkampfveranstaltungen. Davor habe ich auch keine Bedenken, eher davor, dass uns Freisinger CSU-ler immer noch viele Bürger mit der dritten Startbahn in Verbindung bringen, obwohl wir als Ortsverband klar dagegen sind.

Bernhard Kugelmann

Kandidat Bernhard Kugelmann stellt das Programm seiner AfD am Stand vor. (Foto: Marco Einfeldt)

26 Jahre, Außendiensttechniker, Hohenkammer, AfD, Kreistagsliste Platz 14:

Der Wahlkampf ist auf jeden Fall ziemlich anstrengend, vom Plakatieren über das regelmäßige Kontrollieren und Ersetzen fehlender oder zerstörter Plakate bis hin zu den wöchentlichen Infoständen und dem Besuch der Parteistammtische fällt doch eine Menge Arbeit an. Aber ich weiß ja, dass ich diese Zeit für einen guten Zweck investiere und dabei viel Spaß habe, deswegen nehme ich die Anstrengung gerne auf mich. Generell setzen wir in unserem Wahlkampf mehr auf Themen als auf Köpfe, deswegen bin ich auch auf keinem Plakat mit drauf. Da ich aber sowieso sehr offen mit meiner Kandidatur umgehe, haben mich schon einige Freunde darauf angesprochen. Überwiegend waren die Reaktionen positiv, manche haben aber Bauchweh bekommen, als ich ihnen gesagt habe, dass ich für die AfD ins Rennen gehe. Dass finde ich aber auch legitim, uns muss ja nicht jeder mögen. Solange sie unsere Partei tolerieren ist schon viel gewonnen.

Als die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen vor zwei Wochen stattfand, kamen auch in meinem Freundeskreis mehrere Debatten, unter anderem über die AfD auf. Ich fand es schön zu sehen, dass die Ereignisse einigen meiner Freunde gezeigt haben, dass man uns als ernstzunehmende und wählbare Partei wahrnehmen sollte.

© SZ vom 22.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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