Landtagswahl:Die Kita-Krise

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Ende Juli demonstrierten Hunderte Eltern auf dem Marienplatz gegen die Kita-Krise. Dort wurde auch OB Tobias Eschenbacher das Petitionsschreiben übergeben, in dem unter anderem ein Aktionsplan zur Schaffung neuer Betreuungsplätze gefordert wird. (Foto: Johannes Simon)

Die aktuelle Situation, die bei der Kinderbetreuung in Freising herrscht, bedeutet für viele Eltern eine akute Notlage. Die SZ Freising befragte die Direktkandidaten für die Landtagswahl, wie sie das Problem beheben wollen.

Von Gudrun Regelein, Freising

Fünf Fragen, sechs Direktkandidaten: Die SZ Freising stellte Johannes Becher (Grüne), Alina Graf (SPD), Florian Herrmann (CSU), Melanie Hilz (AfD), Helmut Markwort (FDP) und Benno Zierer (FW) zu fünf Themengebieten, die die Freisinger Bürger aktuell bewegen, eine Frage. Heute: In Freising herrscht die Kita-Krise. Was tun Sie, um diese zu beheben?

Wartelisten für Kitas sind in der Stadt Freising nichts Neues, 2017 standen beispielsweise 105 Namen alleine bei den städtischen Einrichtungen auf der Liste. Mittlerweile aber ist die Situation eskaliert, die Zahl in nie geahnte Höhe nach oben geschnellt: 684 Freisinger Familien werden in diesem Betreuungsjahr keinen Platz bekommen. Der Grund sind nicht fehlende Raumkapazitäten, sondern der große Mangel an Erziehungspersonal.

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Diesen eklatanten Missstand wollen sich viele Eltern nicht mehr gefallen lassen. Im Juli hat sich ein engagierter Kreis von Müttern und Vätern gefunden, der auf der Online-Plattform Change.org eine Petition startete, um auf ihre Notlage in der aktuellen Kita-Krise hinzuweisen. Ende Juli wurde dann eine Demo auf dem Marienplatz organisiert: Hunderte Eltern taten dort ihren Unmut sehr deutlich kund.

Um den Beruf wieder attraktiv zu machen, müssten die Arbeitsbedingungen des Betreuungspersonals verbessert werden, sagt Johannes Becher (Grüne). "Viele Kräfte sind komplett am Limit und erreichen das Rentenalter nicht mehr." Damit müsse Schluss sein. Der bayerische Weg, jedes Jahr Hunderte Millionen Euro in einkommensunabhängige Kita-Zuschüsse für Eltern zu stecken, bedeutet für den Grünen-Politiker eine "absolute Fehlentwicklung": "Wir brauchen das Geld in den Kitas, um es dort in das Personal und in die Qualität investieren zu können - das hat absolute Priorität." Eine kurzfristige Lösung wäre, das für die Zuschüsse verwendete Geld in Assistenzkräfte zu investieren, die das Personal zumindest entlasten könnten. Die Prämien, mit denen Personal derzeit von anderen Kommunen durch attraktive Angebote abgeworben werden, verschiebe dagegen letztendlich nur das Problem auf andere Eltern.

Kitas seien im Freistaat definitiv unterfinanziert, sagt Alina Graf (SPD). "Langfristig brauchen wir mehr Geld." Daneben aber auch eine Entlastung der Erzieherinnen. Der Weg für Quereinsteigerinnen, die den Fachkräften diese bieten könnten, müsse einfacher gemacht werden, fordert Graf. Gerade im hochpreisigen Landkreis Freising spiele aber auch das Thema Wohnen eine große Rolle: "Personalwohnungen müssen in ausreichender Zahl gestellt werden. Erzieherinnen und Erzieher müssten sich bei ihrem nicht gerade üppigen Gehalt ihren Lebensunterhalt noch gut leisten können." Eine kurzfristige Lösung könne sie aber nicht bieten, sagt Graf. Es sei fatal, dass das Problem - das ja bekannt war - nicht früher angegangen wurde. "Das hilft den Eltern in der aktuellen Krise jetzt natürlich auch nicht weiter." Das Einzige, was ihnen bleibe, sei, den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz einzuklagen. Die Erfolgschancen dafür seien gut.

Die Gewinnung von Erzieherinnen und Erziehern sei zwar eigentlich eine kommunale Aufgabe, aber: "Sie steht auch ganz oben auf der Agenda der Staatsregierung", sagt Florian Herrmann (CSU). Bei den Räumlichkeiten stehe der Freistaat gut da, die Kommunen hätten in den vergangenen Jahren ihre Hausaufgabe gemacht, betont der Leiter der Staatskanzlei. Das eigentlich Problem sei der Mangel an Erzieherinnen. "Und hier sind alle gefordert, auch die Tarifparteien, die eine gerechte und vernünftige Bezahlung schaffen müssten." Ziel des Freistaates sei, die Ausbildungsplätze zu erhöhen, "daran arbeiten wir bereits - so wollen wir mehr interessierte junge Menschen in diesen Beruf bringen."

Jungen können sich über Erziehungsberufe informieren. (Foto: Marco Einfeldt)

Melanie Hilz (AfD) möchte sich dafür einsetzen, dass Eltern die Möglichkeit bekommen, sich für eine längere Zeit selbst um ihre Kinder zu kümmern. "Das ist der Wunsch vieler Frauen und auch einiger Männer", sagt Hilz. Es sei vor allem aber im Interesse des Kindes. "Ein Kind braucht für eine gute Entwicklung Nähe, Zuwendung und ein schützendes Umfeld. Es ist auf die Fürsorge von Bezugspersonen angewiesen", sagt Hilz. Meist seien das die Mutter und der Vater. Eine Kindertagesstätte könne dies nur begrenzt ersetzen.

Es müssten größere Anreize geschaffen werden, um wieder mehr Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen in die Kitas zu bringen, sagt Helmut Markwort (FDP). Die derzeitige Ausbildungsdauer von vier bis fünf Jahren sei viel zu lang, das müsse dringend verkürzt werden. "Ich kenne einige junge Menschen, die das abschreckt", sagt Markwort. Daneben sei es in der derzeitigen Krise notwendig, auch Kräften, die keine Ausbildung haben, aber gut mit Kindern umgehen können, die Möglichkeit zu bieten, in Kitas zu arbeiten. Das könnten beispielsweise Au-Pairs sein - oder auch geflüchtete Frauen, die das gerne tun würden.

Benno Zierer (Freie Wähler) wünscht sich eine grundsätzlich größere Kooperation im Bereich der Betreuung: "Es kann doch nicht sein, dass jemand, der im Bereich Heilerziehung eine hervorragende Ausbildung durchlaufen hat, dann nicht in Kitas arbeiten darf." Mittelfristig könnten Quereinsteiger eine Entlastung bringen - zumindest in einer unterstützenden Funktion, sagt Zierer. Auch die externe Prüfung für Kinderpflegerinnen und -pfleger zu vereinheitlichen, könne zu einer Verbesserung führen. "Eine kurzfristige Lösung in der Kita-Krise dagegen kann die Verkürzung der Ausbildungszeit sein", sagt er. "Wir brauchen jede Kraft." Nicht jede und jeder müsse zwangsläufig eine volle pädagogische Ausbildung durchlaufen.

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