Kirchen gegen Rechts:"Unser Kreuz hat keine Haken"

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Kirchen positionieren sich zu Nationalismus: Aufgabe der Kirche sei es, "unterschiedslos für alle Menschen (...) da zu sein", sagt Markus John, Pastoralreferen von Sankt Kastulus in Moosburg (im Bild). (Foto: Sebastian Gabriel)

Die Kirchen positionieren sich gegen Rechts. "Es gibt wenig Dinge, die so deutlich in der Bibel stehen, dass man Menschen auf der Flucht helfen soll", sagt zum Beispiel Andreas Fußeder, Pastoralreferent in Neustift.

Von Thilo Schröder, Freising/Moosburg

Immer wieder beziehen sich Rechte in ihren Ansichten auf das Christentum - was kirchliche Institutionen dazu veranlasst, sich zu positionieren. In Freising und Moosburg grenzen sich katholische und evangelische Gemeinden vom rechten Rand ab, das Bildungszentrum der Erzdiözese fordert dahingehend "Parteilichkeit". Die äußert sich mal konkret, mal schwammig. Die einen zitieren NS-Widerstandskämpfer, die anderen warnen vor Programminhalten der AfD. Mal werden Transparente gegen Rechts gemalt, mal wird sich auf Handreichungen der Bischofskonferenz bezogen. Das Katholische Kreisbildungswerk verweist auf einen Beschluss zum Umgang mit der AfD. Eine Rundschau auf das Thema "Christen gegen Rechts" im Landkreis.

"Ich versuche zu vermitteln, dass christlicher Glaube für das Vertrauen in einen Gott steht, der nicht Angst und Schrecken verbreitet, sondern Zuversicht: die Zuversicht, dass bei der Lösung der Probleme unserer Zeit keine ängstliche Verbissenheit um sich greifen muss", sagt Markus John, Pastoralreferent von Sankt Kastulus in Moosburg. Aufgabe der Kirche sei es, "unterschiedslos für alle Menschen (...) da zu sein." Auftrag sei es aber auch, "die Befürchtungen und Ängste derer in den kirchlichen Gemeinden ernst zu nehmen, die sich durch die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen bedroht sehen".

Direkt Bezug auf gesellschaftliche Entwicklungen nehme er aber nicht, sagt John. "Es ist eher so, dass in den Predigten das christliche Menschenbild immer wieder herausgestellt wird, zum Beispiel anhand des barmherzigen Samariters und der Botschaft: Es gibt keine Menschen erster und zweiter Klasse."

Ähnlich äußert sich Freisings Dekan Peter Lederer. Da populistische Parolen stark vereinfachend seien, fordert er darüber hinaus eine "Darstellung, die verschiedene Aspekte beleuchtet". Was ihn störe, sei vor allem die "Emotionalität" im Populismus.

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"Es gibt wenig Dinge, die so deutlich in der Bibel stehen, dass man Menschen auf der Flucht helfen soll"

Deutlich direkter predigt Andreas Fußeder, Pastoralreferent im Neustift. "Ich mache in meinen Predigten immer wieder deutlich, dass die Inhalte der AfD nichts mit dem Christentum zu tun haben", sagt er. "Es gibt wenig Dinge, die so deutlich in der Bibel stehen, dass man Menschen auf der Flucht helfen soll." Zu konkreten Ereignissen würde zwar auch er nicht predigen. Wenn aber Verbindungen zum Christentum hergestellt würden, etwa im Wahlkampf, dann positioniere er sich schon.

"Wenn ein Fremdling bei dir in eurem Lande wohnen wird, den sollt ihr nicht schinden", zitiert Achim Est, Pastoralreferent in Sankt Lantpert, aus Leviticus, Kapitel 19. "Jesus hat selbst Grenzen der Nationalität gesprengt", sagt er. Das sei eine Hilfe, um sich bewusst zu sein: Wie gehen Rechte mit dem Christentum um?

Eine Antwort darauf hat Dorothee Löser. Vor ein paar Jahren hätten Rechte am Jahrestag des Bombenanschlags der Alliierten in Freising vom 18. April 1945 einen Kranz vor ihrer Kirche niedergelegt, sagt die Pfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde Freising. Seitdem gebe es an diesem Tag um 14.53 Uhr, zur Tatzeit, eine Gedenkandacht. Außerdem: "Wenn hier eine Demo gegen Rechts angesetzt ist, sind wir, wenn es irgendwie geht, dabei." Immer wieder hänge man ein Transparent an den Kirchturm, auf dem steht: "Unser Kreuz hat keine Haken".

"Ich sage auch in Predigten, dass die Kriminalitätsstatistik gegen eine höhere Kriminalisierung von Flüchtlingen spricht", sagt Löser. "Die Angst vor Fremden ist natürlich, da ist es unsere Aufgabe, Mut zu machen." Courage zu zeigen, sei ein wiederkehrendes Konfirmationsthema, am Beispiel des NS-Widerständlers Dietrich Bonhoeffer. Politisieren wolle sie aber nicht. "Ich möchte kein 'Wir gegen euch', keinen 'Schlagabtausch'", sagt Löser. Dennoch: "Man muss sich als Mensch positionieren."

Auch im Privaten habe er "durchaus" schon Begegnungen mit Rechten gehabt, sagt Pastoralreferent Achim Est. Es sei "nicht einfach", zu differenzieren zwischen dem Menschen und seiner Meinung, gerade im familiären Bereich. "Da spielt das Persönliche mit rein." Trotzdem rät er: "nicht sofort zurückschießen".

"Christ sein ist viel umfassender als Deutsch sein"

"Ich mache für mich meinen Standpunkt klar: Ich stehe für Religionsfreiheit und Menschenwürde. Da muss ich auch immer wieder den Mund aufmachen, Grenzen formulieren", sagt Claudia Pfrang, Direktorin der Stiftung Bildungszentrum der Erzdiözese. Um in Gesprächen mit Rechten entsprechend reagieren zu können, rät sie, selbst zu reflektieren und sich eine eigene Meinung zu bilden, zuzuhören, eine Gesprächsbasis zu suchen und nachzuhaken: Was heißt für das Gegenüber ,Christ sein'? "Christ sein ist viel umfassender als Deutsch sein", sagt Pfrang. Was Rechte täten, sei "Dinge zusammenzutun, die nichts miteinander zu tun haben".

Helfen könne der Verweis auf das Grundgesetz und die Menschenwürde, denn die komme auch aus der christlichen Tradition, sagt Pfrang. "Engagiert bleiben, Misstrauen überwinden, die Grenzen aufzeigen", rät Pastoralreferent Markus John. In Diskussionen mit Rechten solle man als Christ "sachlich und bei einem Thema bleiben", sagt sein Kollege Andreas Fußeder.

Wie funktioniert darüber hinaus der interreligiöse Dialog? "Wir pflegen hier eher einen freundlichen Umgang", sagt Ömer Korkmaz, Vorsitzender der Islamischen Gemeine Freising. "Zu kirchlichen Vereinen haben wir schon gute Kontakte. Klar, es ist nie genug, es kann immer noch besser sein." Seit 15 Jahren gebe es einen Austausch. "Wir haben damit schon früher angefangen", sagt Korkmaz mit Bezug auf den Sommer 2015, als viele Menschen aus mehrheitlich islamischen Ländern nach Deutschland flüchteten, was vielerorts erst zum Aufbau solcher Strukturen geführt hat. Wie geht die Gemeinde selbst mit Rechts um? "Man spricht darüber im Freitagsgebet", sagt Korkmaz. Eigene Veranstaltungen zum Thema gebe es aber nicht. "Wir versuchen, unsere Türen sehr weit zu öffnen, man kann jederzeit in der Moschee vorbeikommen."

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