Zölibatspflicht für Priester:Für manchen ist es eine Last

Lesezeit: 3 min

Auch in Freising sehen Vertreter der katholischen Kirche die Zölibatspflicht für Priester kritisch. Wer nicht ohne Partner durchs Leben gehen könne, der solle auch nicht dazu gezwungen werden.

Von Charline Schreiber

Der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx hat sich in einem Interview mit der SZ dafür ausgesprochen, das Pflichtzölibat abzuschaffen. Die priesterliche Lebensform sei "prekär", sie für jeden Priester als Grundvoraussetzung zu nehmen, sei fragwürdig. Auch eine Umfrage unter Freisinger Kirchenvertretern zeigt, dass das Thema Pflichtzölibat diskutiert werden muss.

Freisings Weihbischof Bernhard Haßlberger hat selbst zu Beginn seiner Amtszeit das Zölibat versprochen und es bis heute gelebt. Für ihn persönlich sei das nie ein Problem gewesen, sagt er. "Das liegt auch daran, weil ich meine Zeit und meine Kraft meiner Arbeit habe widmen können." Die Ehe sei kein Versprechen auf ein glückliches Leben, sagt er. Er selbst kenne auch Eheleute, die miteinander vereinsamen würden. Dennoch sei er der Meinung, dass Priestern die Wahl gelassen werden solle. Auch wenn er selbst das ehelose Leben als große Freiheit empfunden habe, für manch einen sei das Versprechen eine Last. Eingeführt wurde das Zölibat im zwölften Jahrhundert.

Dass durch die Abschaffung der Zölibatspflicht wieder mehr junge Anwärter auf das Priesteramt ihren Weg zur Kirche finden, bezweifelt der Freisinger Weihbischof. "Der Blick auf die evangelische Kirche zeigt, dass das kein Selbstläufer ist", erklärt er und meint, dass auch die evangelische Kirche, die kein Zölibat vorschreibt, mir rückläufigen Zahlen und Nachwuchsmangel zu kämpfen habe.

Eine Lebensentscheidung

Es lasse sich nicht einfach für oder gegen das Zölibat argumentieren, dieses sei keine objektive Frage. Es sei eine Lebensentscheidung, die jeder Priester für sich selbst treffen müsse. Gerade deswegen, findet Bernhard Haßlberger, gehöre das Zölibatsgesetz überarbeitet.

Möglich sei die Abschaffung, so Haßlberger. Gesetze könnten schließlich überarbeitet werden, auch die der Kirche. Seit Jahren ist die Frage nach einer Reform immer wieder im Gespräch, sowohl unter Vertretern der Kirche als auch in der Gesellschaft. Dass das Thema Zölibat derzeit diskutiert werde, habe auch damit zu tun, dass die Kirche sich aktuell dem Druck der Gesellschaft und der Aufarbeitung der Missbrauchskandale stellen müsse. Den Vorwurf, das Zölibat sei die Wurzel der Missbrauchskandale, kann Haßlberger nicht teilen. Es sei höchstens Teil des Problems und gehöre hinterfragt.

Machtstrukturen aufbrechen

Auch Ernst Fischer, Vorsitzender des Katholischen Kreisbildungswerks (KBW) in Freising, ist der Meinung, dass das Zölibat nicht die alleinige Ursache für die Missbrauchskandale der Kirche sei. Es sei aber ein der Teil der veralteten Strukturen. Die Wunden könnten nur heilen, wenn das infizierte Gewebe entfernt und die Wunde gesäubert werde, formuliert das der 65-Jährige. Seiner Ansicht nach müssen Machtstrukturen innerhalb kirchlicher Institutionen aufgebrochen werden. Als Laienvertreter der Kirche sei das KBW Freising ein Ort, der Begegnung schaffen und es möglich machen solle, Erfahrungen weiterzugeben. Im Licht der Missbrauchskandale sei diese zentrale Funktion weniger gefragt.

Die Pflicht zum Zölibat sei nicht in der Bibel verankert, auch wenn es in der Bibel seine Erwähnung finde. Fischer bezieht sich hierbei auf das Evangelium nach Matthäus, 19,3-12: "Denn es ist so: Manche sind von Geburt an zur Ehe unfähig, manche sind von den Menschen dazu gemacht und manche haben sich selbst dazu gemacht - um des Himmelreiches willen. Wer das erfassen kann, der erfasse es." Wer sich also bereit erkläre, zölibatär leben zu können, der solle dies tun, findet der Theologe. Den anderen aber solle, so wie es auch Kardinal Marx gesagt hat, die Möglichkeit der Heirat offenstehen. Nachdem das Interview mit Kardinal Marx in der SZ erschienen ist, hatte sich Theresa Reischl, Personalreferentin im Pfarrverband St. Korbinian, mit Frauen getroffen, die sich ehrenamtlich im Frauengottesdienst engagieren.

Das Zölibat ist überholt

Auch hier sei eine Zölibatsreform auf Zustimmung getroffen. "Vielleicht hat das Zölibat zu seiner Zeit einmal seine Berechtigung gehabt. Jetzt ist es aber überholt", findet sie. Reischl erklärt auch, dass in Fragebögen für Kirchenaustritte oft angegeben werde, dass unter anderem das Pflichtzölibat ein Austrittsgrund sei. Die Kirche ändere sich nicht, hänge noch in der Vergangenheit fest, so die Aussagen, derer die ihr den Rücken kehren, sagt Reischl. Dabei seien nicht mehr Männer oder Frauen für oder gegen das Zölibat. Hier herrsche eine Balance. Überdies gibt die Personalreferentin zu bedenken, dass bei Kirchenaustritten "oft alles in einen Topf geworfen und pauschalisiert" werde. Dass der Nimbus der Kirche von der Gesellschaft immerwährend geprüft wird, falle hier besonders auf.

Ernst Fischer betont: "Die Kirche hat für manch einen Antworten, sie könnte die Sinnsuche ermöglichen." Die Hoffnung, dass sich etwas ändere, bleibt. Fischer wünscht sich, dass die Kirche durch Veränderung wieder Pulsgeber werden kann. Die Reform der Kirche sei notwendig, sagt Fischer und fügt hinzu: "Vielleicht sogar eher eine Revolution."

© SZ vom 05.02.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMissbrauch im Münchner Erzbistum
:Lehren aus der "Bilanz des Schreckens"

Entsetzt blicken nicht nur Katholiken auf das, was Gutachter über den Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Kirche herausgefunden haben: Wie gehen Verantwortliche mit den Vorwürfen um? Was fordern Betroffene? Ist die Aufarbeitung jetzt zu Ende? Die wichtigsten Antworten.

Von Bernd Kastner, Nicolas Richter und Annette Zoch

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: