Gleichstellung an Freisinger Hochschulen:"Im Alltag sind die Zahlen ein Witz"

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Dass im Hörsaal eine Frau vor den Studenten steht, ist an den Freisinger Hochschulen nach wie vor seltener. Bei der HSWT machen sie 23 Prozent aus, am WZW gibt es zwölf Professorinnen. (Foto: Fabian Stratenschulte/dpa)

Von Geschlechtergerechtigkeit kann an den Hochschulen in Freising noch keine Rede sein. Das liegt nur teilweise an den angebotenen Fächern, auch bei der Vereinbarkeit von Job und Familie gibt es Nachholbedarf.

Von Thilo Schröder, Freising

Wer als Frau in Freising eine Wissenschaftskarriere anstrebt, hat es heute zwar leichter als noch vor wenigen Jahren. Geschlechtergerecht geht es an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) und am Wissenschaftszentrum Weihenstephan (WZW) der TU München aber noch lange nicht zu. Besonders in höheren Positionen ist der Frauenanteil gering. Professorinnen und Frauenbeauftragte kritisieren die nachhaltige Wirkung traditioneller Geschlechterrollen, trotz Quotenregelungen und weiblicher Rollenvorbilder. Nachholbedarf sehen sie auch in der Vereinbarkeit von Job und Familie. Zuversichtlich sind sie trotzdem.

Wenn Aphrodite Kapurniotu auf ihre zwölf Jahre als Professorin zurückblickt, stellt sie fest: Es hat sich viel getan hinsichtlich Frauenförderung an ihrer Universität. Kapurniotu ist Frauenbeauftragte des WZW. Sie sagt: "Meiner Meinung nach bekommen Frauen hier an der TUM im Prinzip die gleiche Chance." Die Quote der Studentinnen und Doktorandinnen sei ähnlich wie die der Männer. Bei den Assistenzprofessuren liegt sie laut Pressestelle sogar bei 64 Prozent. Kapurniotu sagt aber auch: "Wenn man höher geht, wird es dünner."

Laut Pressestelle haben Frauen am WZW derzeit zwölf von 59 Professuren inne, also etwa jede fünfte. Das ist bayerischer Durchschnitt, der im Ländervergleich allerdings sehr niedrig ist. In Berlin beispielsweise war 2017 fast jede dritte Professur mit einer Frau besetzt. Von den seit 2016 abgeschlossenen Promotionen am WZW stammen 56 Prozent von Frauen, unter den Studierenden liegt ihr Anteil derzeit bei 54 Prozent.

Hürden seien die Familiengründung und der eigene Anspruch

Gründe für die niedrige Quote bei den Professuren am WZW seien zum einen die Fächerschwerpunkte, sagt Kapurniotu. Für Ingenieurstudiengänge interessierten sich nun mal weniger Frauen als Männer. Zum anderen seien viele Frauen geringer qualifiziert, denn häufig überlappe die Familiengründung mit jener Phase, in der die Weichen für die Karriere gestellt würden. "Ich denke, dass es sehr wichtig ist, dass die Wissenschaftlerinnen in der für die Karriere entscheidenden Qualifizierungsphase (...) die gleichen Qualifikationsmöglichkeiten wie ihre männlichen Kollegen erhalten", sagt Kapurniotu. Dafür brauche es mehr Programme, die Wissenschaftlerinnen während dieser Phase unterstützten.

Dass Frauen oft von der Karriereleiter fallen, ist für Monika Gerschau teilweise mit den Ansprüchen an sich selbst erklärbar. Frauen setzten sich stärker unter Leistungsdruck, sagt die Frauenbeauftragte der HSWT, Männer seien dahingehend unerschrockener und forscher. "Das ist zum Teil ein Problem, das Frauen sich auch selber machen", sagt Anne Kress, seit 2013 Professorin an der HSWT. "Ich würde mir wünschen, dass Frauen sich nicht als Konkurrenz betrachten." An ihrer Fakultät Wald- und Forstwirtschaft war Kress die erste Professorin, momentan sind sie zu zweit. An der Hochschule insgesamt liegt der Frauenanteil unter den Professuren derzeit bei 23 Prozent. "In meinem Alltag sind diese Zahlen ein Witz", sagt Kress.

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Die Auswahlgremien für Professuren sind sehr männlich dominiert

Auch traditionelle Rollenbilder können die Karriere erschweren. So wird eine Mutter, die sich für eine wissenschaftliche Karriere entscheidet, immer noch oft als "Rabenmutter" verunglimpft. Gerschau sagt deshalb: "Mit einer organisierten Kinderbetreuung alleine ist es nicht getan. Das soziale Umfeld muss auch akzeptieren, dass sowohl Männer als auch Frauen Beruf und Familie vereinbaren können möchten."

Außerdem seien Auswahlkriterien für Spitzenpositionen wie Professuren oft noch von sehr männlich dominierten Auswahlgremien geprägt. "Nach dem unbewussten ,Prinzip der Gleichheit' wird dem ähnlicheren Bewerber der Vorzug gegeben - ähnliche Stimme, Auftreten et cetera." Kapurniotu sagt: "Es muss noch viel passieren, bis irgendwann auch ,Männerbeauftragte' in den Berufungskommissionen sitzen." Kress ärgern solche Berufsbezeichnungen. In anderen Bundesländern spreche man genderneutral von Gleichstellungsbeauftragten. Letztlich solle bei der Besetzung einer Professur das Geschlecht zwar keine Rolle spielen, sagt Gerschau mit Blick auf Quotenregelungen. "Aber wir erwarten, dass die Person die Kompetenz mitbringt, auf ihrer zukünftigen Position gender- und diversitygerecht zu handeln und somit auch als Vorbild zu dienen."

Manchmal kann auch ein pragmatischer Umgang mit Hindernissen den Karriereweg erleichtern. Ingrid Kögel-Knabner ist seit 1995 Professorin am WZW. Rückblickend sagt sie: "Ich war halt gut und das hat funktioniert. Wenn ich gewusst hätte, dass es da noch keine Lehrstühle mit Frauen gab, hätte mich das schon eingeschüchtert." Sich nicht einschüchtern zu lassen, rät auch Kapurniotu jungen Wissenschaftlerinnen: "Man darf nicht aufgeben."

© SZ vom 29.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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