Ausflug:Zu Fuß durch drei Kontinente

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Im Freisinger Weltwald wachsen Bäume aus Asien, Amerika und Europa. Und für Kinder gilt: Klettern und Wege verlassen ist ausdrücklich erlaubt. Ein Besuch in der botanischen Wundertüte

Von Karin Kampwerth

Lieber Asien oder doch Amerika: Im Freisinger Weltwald fällt die Entscheidung leicht, denn bei einem Tagesausflug schafft man locker auch noch einen dritten Kontinent. (Foto: Marco Einfeldt)

Wer beim Stadt-Land-Fluss-Spielen die Rubrik "Bäume" einbaut, könnte künftig mit "Lawsons Scheinzypresse", dem "rotnervigen Schlangenhaut-Ahorn" oder dem "Baumkraftwurz" beim entsprechenden Buchstaben punkten. Alles nicht gerade geläufige Exemplare, die im wohl exotischsten Wald Oberbayerns zu besichtigen sind, - auch wenn sich ihre natürliche Heimat auf ganz anderen Kontinenten befindet. Der Weltwald aber, der unweit von Freising im Kranzberger Forst seit 1987 bepflanzt, gehegt und gepflegt wird, beherbergt Bäume, die üblicherweise in Nordamerika, entfernten Teilen Europas und in Asien wachsen.

Die nordamerikanische Douglasie wächst natürlich auch im Weltwald. Inzwischen gilt der Nadelbaum als adäquater Ersatz für die klimaanfälligen Fichtenbestände in unseren Breiten. (Foto: Marco Einfeldt)
Er hat noch ordentlich Luft nach oben: Der Riesenmammutbaum (Sequoiadendron giganteum) in jungen Jahren. (Foto: Marco Einfeldt)

Auf Themenpfaden können die Besucher bei einem gemütlichen Spaziergang drei Kontinente samt Mittelmeerregion in ein paar Stunden schaffen. Eine Reise, um die man die Weltwald-Verantwortlichen am wenige Kilometer entfernten pandemiegelähmten Münchner Flughafen sicher heiß beneidet. Amerikanische Mammutbäume, Himalaya-Zeder oder Sibirische Lärche lassen sich hier mit einem halbwegs ordentlichen CO2-Fußabdruck anschauen. Nicht nur, weil man dafür kein Flugzeug besteigen muss, sondern vor allem auch, weil vom Freisinger Bahnhof ein schöner Radlweg zum circa fünf Kilometer entfernten Forst führt. Selbst das "Around-the-World-Ticket" entfällt, Eintritt muss man nicht bezahlen.

Orientierung und Überblick über die Themenpfade bieten Schautafeln. (Foto: Marco Einfeldt)
Eine Besuchergruppe im europäischen Garten. (Foto: Marco Einfeldt)

Das ist allerdings auch die Schattenseite des Angebots. Denn dass durch die coronabedingten Reisebeschränkungen der Freizeitdruck auf die Wälder steigt, stellt auch Herbert Rudolf fest. Der studierte Forstingenieur und Freisinger Revierförster leitet seit 2007 das Landesarboretum, wie die Weltwald-Baumsammlung in der Fachsprache heißt. Wer mit dem Auto komme, müsse damit rechnen, dass es an schönen Wochenenden auf den begrenzten Parkflächen schon einmal eng werden kann, warnt Rudolf.

Unter der Woche aber, das zeigt der Weltwaldwandertest, ist es ruhig im Kranzberger Forst. Wohl auch, weil diese botanische Wundertüte gar nicht so bekannt ist, wie man ob des abwechslungsreichen Naturerlebnisses erwarten könnte. "Wir haben einfach Wald gegoogelt", sagt Eva Steinmaßl aus Unterhaching, die mit Manfred Faber an diesem sonnigen Frühlingstag den Weltwald erkunden will. Für Steinmaßl, Personalleiterin von Beruf, ist es nicht nur eine Auszeit vom stressigen Alltag. Die Unterhachingerin bietet Beratungen und Trainings an, wobei sie die Natur als Resonanzraum nutzt. Der Weltwald könnte in ihr Angebot passen.

Eva Steinmaßl und Manfred Faber aus Unterhaching informieren sich im Tulpenbaum-Pavillon. (Foto: Marco Einfeldt)
Unter der Woche finden eher wenig Besucher in den Weltwald. Voller wird es am Wochenende. (Foto: Marco Einfeldt)

Einfach mal rauskommen will hingegen ein Paar aus Erding. "Die Mama hat uns den Tipp gegeben", sagt die junge Frau, die mit ihrem Freund gerade den Koi im Reisfeld betrachtet. Der hölzerne Karpfen im asiatischen Teil des Weltwaldes entstand bei einem Bildhauersymposium 2012 durch Schüler der Münchner Meisterschule für das Holzbildhauerhandwerk. Geschaffen wurde die Fisch-Skulptur von Thomas Dinzl, Anke Rossmann und Peter Rappl. Kultureller Hintergrund sind arme Reisbauern in Asien, die Karpfen auf ihren unter Wasser stehenden Feldern einsetzten, was prachtvolle Farbmutationen zur Folge hatte. Ebenfalls 2012 entstanden auch die mehrere Meter hohen Ahornsamen von Johann Kral, Kim Schypulla und Lukas Köver, die den kanadischen Themenpfad säumen und als dreiteilige Skulptur den Samenflug als Meisterwerk der Natur unübersehbar machen.

Der Koi im Reisfeld, eine Skulptur, die Münchner Bildhauerschülerinnen und -Schüler für den Weltwald geschaffen haben. (Foto: Marco Einfeldt)

Derweil toben an einem kleinen Tümpel vor dem Informationspavillon zum Tulpenbaum Kinder über eine Steinformation. "Wir sind zum dritten Mal hier", berichtet eine der jungen Mamas. Besonders gefalle den Kindern die vielen Klettermöglichkeiten und auch die Tatsache, dass man nicht geschimpft wird, wenn man mal die Wege verlässt und richtig durch den Wald stromern kann.

Für Kinder ist der Weltwald Abenteuer pur: Zum Beispiel beim Toben auf dem Spielplatz mitten in den Rocky Mountains. (Foto: Marco Einfeldt)

"Das ist Teil des Konzepts", sagt Herbert Rudolf. Im Weltwald gebe es drei Wegekategorien. Die einen sind so breit, dass Lkw das Holz abfahren können, denn trotz aller Zurschaustellung bleibt der Weltwald auch Nutzwald. Die zweite Wegekategorie ist schmal, aber so dicht geschottert, dass Besucher mit Kinderwagen oder einem elektrischen Rollstuhl darüber fahren können. Die dritte Kategorie sind verschlungene Pfade, die dicht an die Bepflanzungen tiefer in den Wald hineinführen.

Dass der Weltwald im Kranzberger Forst lebt, also ein Projekt ohne Abschluss ist, ist Rudolf wichtig. In vier Wochen etwa wird die Verlängerung des asiatischen Themenpfades fertiggestellt. "Dann sind aus bislang 750 Metern zwei Kilometer geworden", sagt Rudolf nicht ohne Stolz. Und man liegt sicher nicht falsch, wenn man den Weltwald als berufliches Lebenswerk Rudolfs bezeichnet. Einst entstanden aus einer naturwissenschaftlich botanisch-geografisch geprägten Baumsammlung hat Rudolf die öffentliche Darstellung forciert. Besonders am Herzen liegt dem Forstingenieur die ästhetische Raumgestaltung, die den Wald wissenschaftlich erklärbar und gleichzeitig für die Laien auch erlebbar macht. "Das gilt es in Übereinstimmung zu bringen", beschreibt Rudolf seine Arbeit, die ein bisschen auch auf dem Anspruch eines Gesamtkunstwerkes fuße. Die Harmonie, das Miteinander und der strukturreiche Eindruck entstehe unter anderem durch sorgsame Planung bei der Holzernte und Neupflanzungen. "Wir vermeiden zum Beispiel größere Kahlschläge", sagt Rudolf. Der bedachte Wechsel zwischen Alt- und Jungbaum gehöre neben der Baumauswahl ebenfalls dazu.

Forstingenieur Herbert Rudolf ist quasi der Chef im Weltwald. Vor der Pandemie führte er auch regelmäßig Gruppen durch sein Revier. (Foto: privat)

Über 400 Baum- und Straucharten sind auf dem 100 Hektar großen Weltwald-Areal seit 1987 schon gewachsen, 18 Naturräume aus drei Kontinenten sind so entstanden, sie reichen von den nordamerikanischen Appalachen und Rocky Mountains über die Hengduan-Shan-Region im Südwesten Chinas bis nach Sibirien. Über den botanischen Steckbrief der Bäume informieren kleine Schilder entlang der Pflanzungen.

Auch eine App zum Weltwald gibt es bereits. (Foto: Marco Einfeldt)

Alle Themenwege sind mit Symbolen gekennzeichnet, mit Hilfe der Weltwald-App können Besucher ihre Tour navigieren und sogar Baumarten gezielt aufsuchen. In pandemiefreien Zeiten soll es auch wieder Führungen geben. Hier lernen die Besucher auch, dass bei aller Internationalität vielleicht sogar etwas vom berühmt schwarzen britischen Humor in den Weltwald eingeflossen ist. Der asiatische Baumkraftwurz, im Volksmund auch "des Teufels Wanderstock" genannt, steht in direkter Sichtachse zur Waldkirche St. Clemens.

Britischer Humor im Weltwald: Der asiatische Baumkraftwurz, im Volksmund auch "des Teufels Wanderstock" in Sichtweite der Waldkirche St. Clemens. (Foto: Marco Einfeldt)
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