Es war ein gut gefüllter Saal bei dem Treffen mit Flughafengegnern der ersten Stunde am Donnerstagabend in Neufahrn. Eingeladen hatte der Neufahrner Heimat- und Geschichtsverein, um an mehr als 50 Jahre Bürgerinitiativen gegen den Flughafen zu erinnern. Anlass war das 50. Jubiläum der Antonius-Kapelle, die im September 1973 als Protest- und Bittkapelle auf einem Sperrgrundstück des Bundes Naturschutz im Erdinger Moos errichtet wurde - dort, wo die südliche Hauptstartbahn des Flughafens entstehen sollte.
Im Saal waren unter anderem Pfarrer Otto Steinberger, der damals die Kapelle geweiht hatte, und Pfarrer Ralf Guggenmos, der viele Jahre an der Spitze der Bürgerinitiativen gegen den Flughafenbau stand. Auch der langjährige Landtagsabgeordnete der Grünen Christian Magerl war dabei. Im Dialog mit dem Vorsitzenden des Heimatsvereins Ernest Lang erzählten sie von den damaligen Ereignissen, von den rechtlichen Kämpfen sowie von dem Druck, unter den man die Flughafengegner gesetzt habe. Vor allem Ralf Guggenmos wurde Zielscheibe von polizeilichen Ermittlungen und wurde vom Staatsschutz beobachtet. "Es war schwierig, aber ich war nicht alleine, ich war kein Einzelkämpfer", sagte er mit Blick auf diese schwere Zeit. Dementsprechend trüb war die Stimmung teilweise im Saal, aber auch humorvoll und nostalgisch.
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Denn die Geschichte des Flughafenwidertandes ist auch die Geschichte einer Gemeinde, die zusammenhält. Neufahrn hatte sich in den Siebziger- und Achtzigerjahren mit Bürgermeisterin Käthe Winkelmann zum Hauptort der Bewegung gegen den unbequemen Nachbar entwickelt. Aber auch in den naheliegenden Gemeinden setzte man sich entschieden gegen die Bauvorhaben ein - und obwohl sich die Flughafengegner aus den Landkreisen Freising und Erding sich nicht immer einig waren, wie manche am Donnerstagabend zu Protokoll gaben ( an Oskar Vincenti erinnerten sich aber viele im Saal mit dankbaren Worten), ist man heute froh, diesen "Kampf" vorangetrieben zu haben.
"Besonders in den ersten Jahren haben alle Parteien zusammengehalten und sich zum Teil gegen die Parteiverbände in München positioniert", sagte Ernest Lang. Was an den Bürgerinitiativen auch bemerkenswert war: es war ein Protest, der von sehr unterschiedlichen Teilen der lokalen Bevölkerung geteilt wurde. In den Ministerien in München war man "fassungslos", dass so viele Familien mit Kindern und so viele Bürgerinnen und Bürger, die nicht unbedingt als links galten und ihre Forderungen sogar mit Gebeten unterstrichen, auf die Straße gingen - denn Demonstrieren, in Zeiten des Vietnamkrieges, war als etwas für Alternativen betrachtet worden, so Lang. Außerdem verliefen die Demos stets friedlich, ohne Verletzte und Sachbeschädigungen, wie die Zeitzeugen mehrmals betonten.
Doch trotz der Anstrengungen und des leidenschaftlichen Engagements vieler Einwohner, wurde der Flughafen doch gebaut - und die Kapelle musste dem Bau der südlichen Startbahn weichen, heute befindet sie sich in Neufahrn auf dem Areal des Pfarrzentrums. Hat sich der "Widerstand", wie er von den Flughafengegnern genannt wird, also doch nicht gelohnt? Für die Anwesenden schon, vor allem wenn man bedenkt, dass ursprünglich sogar vier Startbahnen genehmigt wurden. "Die Bürgerinitiativen waren erfolgreich und konnten bisher verhindern, dass eine dritte Startbahn gebaut wird", sagte Christian Magerl. In vielen Orten in Deutschland seien die Bürgerinitiativen nicht so erfolgreich gewesen.
Schließlich berichtete Gerhard Müller-Starck vom Bürgerverein Freising über die Feinstaub-Messungen in der Region. In Massenhausen zum Beispiel haben die Hälfte der Messstellen an 80 von 178 Messtagen Werte erfasst, die laut den Richtlinien der WHO als "hoch" eingestuft werden. Müller-Starck kritisiert, dass direkt am Airport offizielle Messungen nicht stattfinden dürfen und fordert, dass Grenzwerte für ultrafeine Partikel (UFP) in der Luft eingeführt werden. Das Schlimmste, was gerade passierte, sei für ihn "das Bagatellisieren des Feinstaubes". Abschließende Worte fand Ralf Guggenmos: Was er nach jahrelangen Protesten sowohl auf der Straße als auch im Gericht gelernt habe, ist, dass man sich "um den Rechtsstaat kümmern sollte". Denn zu erwarten, dass in einem Rechtsstaat alles ordnungsgemäß läuft, sei eine "Illusion".