Emissionen in der Region:Leben unter der Feinstaubwolke

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Rollen die Flugzeuge mit laufenden Triebwerken über das Flughafengelände, verbrennen sie laut Bürgerverein unnötig Kerosin. Taxibots, also spezielle Schlepper, könnten da helfen. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Der Bürgerverein Freising kritisiert, dass es noch immer keine Messungen ultrafeiner Partikel direkt am Flughafen gibt. Auch die Forderung nach Grenzwerten zeigt bisher keinen Erfolg.

Von Petra Schnirch, Freising

Der Bürgerverein Freising lässt nicht locker. Auch 2022 hat er mit zahlreichen Aktionen und wissenschaftlich begleiteten Messungen auf das Problem der Ultrafeinstaubbelastung am Flughafen und im Umland aufmerksam gemacht. Sein Ziel ist, dass künftig auch direkt am Airport offizielle Messungen stattfinden und endlich Grenzwerte für ultrafeine Partikel (UFP) in der Luft eingeführt werden. Bisher gibt es dafür lediglich Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die rechtlich nicht verbindlich sind. Die Werte am Münchner Flughafen liegen laut Bürgerverein weit darüber.

Als wichtigstes Ergebnis in diesem Jahr bezeichnete Vorsitzende Katrin Stockheim bei der jüngsten Mitgliederversammlung den Abschluss der Mess-Kampagne unter Verantwortung der Universität Bayreuth und des Helmholtz-Zentrums München. Der Bürgerverein ermittelte mit deren Unterstützung an sechs Messstellen in Massenhausen, Achering, Attaching, Freising, Eitting und Hallbergmoos über acht Monate lang die UFP-Werte. Die genauen Zahlen sollen im kommenden Jahr veröffentlicht werden.

"Der Flughafen ist die dominante UFP-Quelle in der Region."

Sie bestätigten vorangegangene Untersuchungen des Bürgervereins kurz vor und nach dem Corona-Lockdown, so viel gab Stockheim schon zu den Ergebnissen bekannt. "Der Flughafen ist die dominante UFP-Quelle in der Region." Wenn der Wind von dort kommt, "liegt die ganze Region unter dieser Feinstaubwolke", sagte Vorstandsmitglied Oswald Rottmann der SZ. "Das macht die Bewohner zu Passivrauchern." Dennoch weigerten sich Staatsregierung und Flughafenbetreiber nach wie vor, auch direkt am Airport Messungen vorzunehmen. Der Bürgerverein habe dies bereits mehrmals angemahnt. Zwei offizielle Messstellen in Freising und Hallbergmoos gibt es inzwischen. Allerdings nur seitlich der Start- und Landebahnen, kritisierte Rottmann.

Auch andere konkrete Forderungen, die zu einer Verbesserung der Luftqualität beitragen sollen, stellen die Mitglieder. Dazu zählt schwefelfreies Kerosin, das am Flughafen Wien-Schwechat bereits im Einsatz sei, sowie das Anschaffen sogenannter Taxibots, wie es sie seit 2019 in Neu-Delhi gebe. Das Rollen mit eigenen Triebwerken auf dem Flughafengelände könnte durch den Einsatz der Schlepper vermieden werden, erklärte Gerhard Müller-Starck in einem Vortrag. Beim Rollen mit laufenden Triebwerken würden wegen der geringen Verbrennungstemperaturen besonders große Mengen giftiger und krebserregender Stoffe emittiert. Mit den diesel-elektrischen Schleppern könnten die Schadstoffemissionen um mindestens 46 Prozent verringert werden. Bei 30.000 Tonnen Kerosin, die dadurch nach seiner Rechnung am Flughafen München eingespart werden könnten, würden etwa 90.000 Tonnen CO₂ weniger ausgestoßen.

Bisher ist der Einsatz von Taxibots dort nicht vorgesehen, wie die Flughafen München GmbH (FMG) mitteilt. Zum Schleppen von Flugzeugen von und zu den Abstellpositionen beziehungsweise von und zur Start- und Landebahn könne dies an Flughäfen mit sehr langen Rollwegen sinnvoll sein, um Turbinenlaufzeiten am Boden und damit den Kerosinverbrauch zu reduzieren. Diese Bedingungen lägen aber am Münchner Flughafen mit seinen vergleichsweise kurzen Rollwegen beziehungsweise Rollzeiten nicht vor, so die FMG weiter. Weil die Flugzeuge in München aus eigener Kraft zur Startbahn rollen, erreichten die Triebwerke zudem die nötige sichere Betriebstemperatur. "Das müsste andernfalls bei einer zusätzlichen Wartezeit mit laufenden Turbinen an der Startbahn nachgeholt werden und würde somit zu keiner Einsparung von Kerosin führen."

Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verletzt

Mit Interesse verfolgt der Bürgerverein auch die Verfassungsbeschwerde zum Feinstaub, die eine Berliner Anwaltskanzlei vor wenigen Wochen eingereicht hat, sie vertritt mehrere Bürgerinnen und Bürger aus dem ganzen Bundesgebiet. Der Vorwurf: gesetzgeberisches Unterlassen beim Bundesimmissionsschutzgesetz. Das bedeutet: Aus Sicht der Kläger verletzt die Bundesregierung das im Grundgesetz verankerte Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, weil sie es unterlässt, Vorkehrungen zum Schutz vor Luftverschmutzung durch Feinstaub und Stickstoffdioxid zu treffen.

Die Kläger wollen erreichen, dass die in Deutschland gültigen Richtwerte zur Luftverschmutzung überprüft und an die strengeren globalen Luftgüteleitlinien der WHO von 2021 angepasst werden, wie Hermann Hobmair bei der Mitgliederversammlung zusammenfasste. Für den Freisinger Verein könnte dies eine Blaupause sein, wie er beim Thema Ultrafeinstaub, also noch kleineren Partikeln, vorgehen könnte, erklärte Rottmann. Es sei umfangreich bewiesen, dass diese winzigen Teilchen gesundheitsschädlich sind und dass man die Emissionen am Flughafen minimieren könne.

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