LGBTIQ*-Themen:" Menschen Mitte 50 haben da eher Schwierigkeiten"

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Benedict Gruber (rechts) und sein Kollege referieren bei einem Aufklärungswochenende der VHS Moosburg über queere Themen. Damit wollen sie insbesondere ältere Erwachsene erreichen. (Foto: Privat)

Homo, bi, trans*, inter*, nicht-binär: Begriffe, die bei manch einem älteren Semester Fragezeichen auslösen. Bei einem speziellen Aufklärungswochenende in der Volkshochschule Moosburg möchte Benedict Gruber zeigen: So schwer ist das eigentlich gar nicht.

Interview von Charline Schreiber, Moosburg

Homo, bi, trans*, inter*, nicht-binär - was bedeutet das alles eigentlich? Student Benedict Gruber möchte mit dem Rätselraten um diese Begriffe aufräumen. Bei einem Aufklärungswochenende in der VHS Moosburg Ende Juli möchte der 27-Jährige besonders den Generationen über ihm einen Raum für Fragen zu LGBTIQ* Themen geben. Viele erwachsene Menschen seien desinformiert, sagt er und er findet: Nicht allen von ihnen kann man dafür pauschal einen Vorwurf machen. Ein Gespräch darüber, warum es immer noch Aufklärung zu queeren Themen und Paraden wie den Christopher Street Day braucht.

SZ: Herr Gruber, Ende Juli veranstalten Sie gemeinsam mit der Volkshochschule Moosburg ein Aufklärungswochenende für LGBTIQ* Themen. Wen wollen Sie damit erreichen?

Benedict Gruber: Wir haben schon 2020 mit unserer Liste in Moosburg, dem Fresh - jung, bunt, aktiv e. V., beantragt, dass das Rathaus zum Pride Month im Juni eine Regenbogenflagge aufhängt. Das hat sich damals als sehr schwierig gestaltet, auch, wenn es vom Stadtrat Unterstützung gab. Ein Kompromiss war, dass die VHS eine Fahne aufhängt. So sind wir mit denen ins Gespräch gekommen. Wir wollten zu queeren Themen ein Angebot schaffen. Vor allem in der Erwachsenenbildung das Thema anzubringen, war mir wichtig. Es ist nur fair gegenüber dieser Generation, wenn sie das damals schon nicht als Jugendliche in der Schule oder Uni hatten. Und da macht niemand aus der Community Menschen einen Vorwurf, wenn sie nie abgeholt worden sind. Gerade die Generation unserer Eltern und Großeltern wird da oft vergessen.

Bei der "vergessenen Generation" einmal nicht von den Jungen, sondern den Alten zu sprechen, ist ungewöhnlich. Warum ist das aber bei Aufklärung zu queeren Themen der Fall?

Ich glaube, es ist erst mal nicht die Priorität. Es ist ein intuitiver Gedanke zu sagen: Hey, wir nehmen die Schulen, da gibt es eine große Infrastruktur. Da kann man jeden Menschen abgreifen, weil es in Deutschland eine Schulpflicht gibt. Auch die VHS erreicht nur einen gewissen Teil der Gesellschaft. Die restliche Bevölkerung kann man nur stückweise abholen. Und vielleicht ist da auch eine Hemmnis. Menschen Mitte 50 haben da eher Schwierigkeiten eine Nähe zum Thema aufzubauen, als wir Jungen. Und es ist sicherlich auch aufwendiger.

Gehen Sie die Aufklärung Erwachsener methodisch anders an, als die Jugendlicher?

Ich denke Pädagogik und Didaktik ist bei Erwachsenen allgemein anders als bei Kindern und Jugendlichen. Man hat aber auch mehr Chancen. Man kann das Thema auf einer anderen Ebene erklären, gegebenenfalls auch etwas wissenschaftlicher und mit Bezug auf die Historie. Ich meine, ein 15-jähriger Mensch kann sich heute wahrscheinlich nicht erinnern, wie die Situation für Schwule oder Lesben in den 80er oder 90er Jahren war. Oder wie damals darüber berichtet wurde, wie die HIV-Pandemie häufig mit sehr starkem Stigma besetzt war. Aber der Nachteil ist, dass die Bereitschaft eine andere ist, sich mit neuen Sachen auseinanderzusetzen.

Und warum bleibt Aufklärung über die LGBTIQ*- Community weiterhin so relevant?

Zum einen sehen wir, dass immer noch ein Großteil der Bevölkerung entweder fehlende Berührungspunkte hat oder eben von den vielen Begrifflichkeiten überfordert ist - Trans*, Inter*, was ist da eigentlich der Unterschied? Die Menschen sind verwirrt von neuer Terminologie. Es wird nie eine Gesellschaft geben, die keine Aufklärung mehr braucht. Genauso, wie es nie eine Gesellschaft geben wird, die kein Mathe mehr lernen muss. Und wenn Menschen einer älteren Generation zu der Thematik noch nicht so viel Kontakt hatten, dann kann man das heute eben nachholen.

Ein Kompromiss: Die gehisste Regenbogenflagge an der VHS Moosburg im Jahr 2020. (Foto: Privat)

Sind deswegen auch Pride Paraden wie der Christopher Street Day wichtig?

Es gibt bei Paraden immer wichtige politische Forderungen. In Deutschland geht es zum Beispiel um die Novellierung des Transsexuellengesetzes, das längst nicht mehr zeitgemäß ist. Aber es kann auch um Initiativen gehen, darum, wie wir unser außenpolitisches Gewicht geltend machen, um Menschenrechte in anderen Ländern zu fördern oder durchzusetzen. Unabhängig vom Politischen ist es vielleicht auch einfach eine Demonstration von Vielfalt. Es gibt viele Gründe, weshalb Menschen keine Berührungspunkte zu queeren Personen haben oder haben können, etwa weil sie auf dem Land leben. Da entsteht häufig der Trugschluss "okay, ich habe selber keine kennengelernt, dann gibt es auch keine". Warum also mit dem Thema beschäftigen? Pride Paraden durchbrechen diesen Kreis.

Hat die Pandemie dafür gesorgt, dass LGBTIQ* Aufklärung in den Hintergrund, vielleicht sogar in Vergessenheit geraten ist?

Pride Paraden sind natürlich 2020 und 2021 ausgefallen. Also die Aufmerksamkeit fehlte. Und auch Workshops haben häufig nicht stattfinden können, weil die dann doch nicht so einfach ins Digitale übersetzt werden können. Soziale Medien helfen häufig auch nicht unbedingt, weil man dann stellenweise in irgendeine Echokammer rutscht. Wenn ich von allen Seiten gesagt bekomme, dass Transgeschlechtlichkeit nur ein Hype und es deswegen ideologisiert ist und ich mich davon nicht beeinflussen lassen soll, dann glaube ich das irgendwann auch. Das führe ich aber eher auf unsere aktuelle Gesellschaft zurück und weniger auf Corona.

Sollte Aufklärung auf den Lehrplan in der Schule?

Ja, natürlich. Es gibt sicherlich 30 tolle Ideen, was man alles in der Schule lernen könnte. Aber am Ende hat der Tag nur 24 Stunden und die Schüler sind insgesamt nur zwölf Jahre in der Schule. Aber ich finde, es kann sich eigentlich jede Schule leisten, sich in verschiedenen Unterrichtsfächern in queere Themen einzuarbeiten. Beispielsweise in Geschichte oder Biologie. Und es ist sicherlich auch die Zeit für einen Tag, an dem sich zwei, drei Jahrgangsstufen mit dem Thema explizit beschäftigten. Aber es ist ein harter Kampf. Meistens fehlt einfach die Zeit.

"There is nothing wrong with you. There is a lot wrong with the world you live in." Ein Zitat von Glee-Schauspieler und Sänger Chris Colfer. Inwiefern lässt sich das Zitat auf die Diskussionen rund um queere Personen übertragen?

Häufig schließen Menschen von ihrem eigenen Umfeld auf die Gesamtgesellschaft. Zum Umfeld gehört auch, was wir in Medien sehen. Besonders Serien oder Filme geben uns jungen Menschen ein Bild davon, wie die Welt so aussieht. Lange wurden da keine queeren Themen repräsentiert und wenn, dann eben in einer stereotypischen Form mit stereotypischen Problemen. Bei der neuen Serie "Heartstopper" auf Netflix zum Beispiel haben tausende Menschen gesagt, dass sie genau so etwas in ihrer Jugend gebraucht hätten. Die jetzige Generation hat den Vorteil, dass sie mit viel mehr queeren Vorbildern aufwachsen. Und sie sehen: Ich bin kein Freak, nicht einer von einer Million. So viele Menschen sind wie ich.

Am 22. Juli findet in der VHS Moosburg ein Vortrag und am 23. Juli finden interaktive Workshops zu queeren Themen statt. Die Veranstaltungen werden von erfahrenen und jungen Referenten und Referentinnen von diversity München e.V., einer LGBTIQ* Jugendorganisation, durchgeführt. Der Vortrag und die Teilnahme am Workshop sind kostenfrei. Bei der Workshop-Teilnahme wird um eine Anmeldung bis zum 18. Juli gebeten.

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