Kreistag äußert Unverständnis:Bizarre Debatte um Klinikum

Lesezeit: 2 min

Laut Kreisrat und Mediziner Christian Fiedler muss sich das Freisinger Krankenhaus rechtfertigen, weil dort die Sterberate während der Corona-Pandemie deutlich unter dem Landesdurchschnitt liegt.

Von Peter Becker, Freising

Es ist eigentlich irrwitzig, aber das Freisinger Klinikum hat sich für seine geringe Sterberate in der Corona-Pandemie rechtfertigen müssen. Das sagte Kreisrat Christian Fiedler (ÖDP), der zugleich als Arzt am Krankenhaus beschäftigt ist, am Donnerstagnachmittag in der Kreistagssitzung auf Anfrage von Erich Irlstorfer (CSU). Dieser hatte erfahren, dass die Sterberate am Klinikum bei sieben Prozent, landesweit aber bei 16 Prozent liege.

"Uns wurde vorgeworfen, dass wir falsche Daten angeben", sagte Fiedler. Dabei habe das Klinikum nur frühzeitig mit Therapien begonnen, die sich in der Folge auch an anderen Krankenhäusern bewährt hätten. "Wir freuen uns, dass das so ist", betonte Fiedler. Auch wenn es sich dabei möglicherweise nur um Zufall gehandelt habe. Irlstorfer bezeichnete es als "bizarr", dass sich ein Krankenhaus für eine zu niedrige Sterberate rechtfertigen müsse.

Peter Warlimont (SPD) zeigte sich etwas bekümmert über die Distanziertheit, in der in der Bevölkerung oft über das Klinikum gesprochen werde. Dabei müsse man dankbar dafür sein, was dort geleistet werde. Johannes Becher (Grüne) sagte, der Landkreis verfüge über ein leistungsstarkes Klinikum. Umso verwerflicher finde er es, wenn Kreisräte in den sozialen Medien schrieben, dass Italien, was die Ausstattung betreffe, den hiesigen Krankenhäusern um 25 Jahre voraus sei, außerdem dass in Bayern bewusst die Anzahl der Betten verknappt worden sei. Wer so etwas behaupte, werde seiner Verantwortung als Kreisrat nicht gerecht. Mit Verschwörungstheorien und Schwurbeleien lasse sich die Pandemie nicht bewältigen, sagte Becher.

Was die Situation des Klinikums selbst betrifft, kommt es allmählich aus dem Corona-Tal heraus. Die Zahl der stationär behandelten Patienten stieg im Vergleich zu 2020 um 10,2 Prozent auf hochgerechnet 15 481 Personen. Damit einher geht ein Anstieg der Casemix-Punkte um 16,2 Prozent auf 10 918. Aus diesem Index errechnen sich unter anderem die Erträge eines Klinikums. Fiedler verdeutlichte dies an einem Beispiel. Komme jemand mit einer verspannten Schulter in die Notaufnahme, werde er selbstverständlich behandelt. "Das bringt aber kein Geld", erklärte Fiedler. Der medizinische Aufwand sei derselbe wie bei einem Patienten, der mit einer plötzlichen schweren Erkrankung oder einem Unfall ins Krankenhaus komme. Laut Geschäftsbericht des Klinikums haben sowohl die stationären (46,5 Prozent) als auch die ambulanten Fälle (3,1) in der Notaufnahme zugenommen.

Einen Patientenschwund gab es dagegen in der Psychosomatik. Dort nahm zwar die Zahl der stationären Fälle um 1,7 Prozent zu, die der ambulanten aber um 11,8 Prozent ab. Fiedler begründet dies mit der Anweisung der Regierung, die Psychosomatik zu schließen, um mehr Kräfte zur Betreuung der Corona-Patienten zur Verfügung zu haben.

Umso erfreulicher ist die Zahl der Geburten am Klinikum. 950 seien es bislang, sagte Landrat Helmut Petz (FW). Das bedeutet eine Zunahme um 19,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In der Klinik liefen bereits Wetten, ob die 1000-Marke zum Jahresende gerissen werden könne.

Wenig erfreulich sieht es finanziell aus. Das Jahresergebnis wird vermutlich mit einem Defizit von 3,6 Millionen Euro abschließen. Petz rechnet für das Jahr 2022 mit einem etwas niedrigeren Verlust von 2,9 Millionen Euro. Ein Teil der Kosten geht auf das Konto von Investitionen, welche die Taskforce des Klinikums empfohlen hatte, um dieses attraktiver zu gestalten. Einsparpotenzial gibt es bei der Requirierung von eigenem Pflegepersonal. Dann müsste kein teures Fremdpersonal angestellt werden, das sich kaum mit dem Klinikum identifiziert und oft wechselt.

© SZ vom 17.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: