Innenstadt:Freising verliert ein weiteres Traditionsgeschäft

Lesezeit: 2 min

Ende März schließt die Stadtapotheke an der Bahnhofstraße. Inhaberin Silvia Tüllmann hat keinen Nachfolger gefunden.

Von Petra Schnirch, Freising

Der Abschied fällt Silvia Tüllmann nicht leicht, doch Ende März schließt sie die Stadtapotheke in Freising. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Freisinger Innenstadt verliert ein weiteres Traditionsgeschäft. Die Stadtapotheke an der Bahnhofstraße schließt Ende März. Inhaberin Silvia Tüllmann hat keinen Nachfolger, keine Nachfolgerin gefunden. Ein Grund dafür sei die Großbaustelle in der Innenstadt. Einige Interessenten hätten deswegen letztendlich abgewunken. Sie gehe, vor allem wegen ihrer Stammkunden, mit gemischten Gefühlen, sagt die Apothekerin, die Arbeit habe ihr Spaß gemacht. Aber sie freue sich nun "über eine andere Lebensqualität" - mit weniger Druck und mehr Freizeit.

In einem persönlich unterschriebenen Brief, den sie ihren Kundinnen und Kunden mitgab, machte Tüllmann ihre Entscheidung vor kurzem öffentlich. Einige stünden mit feuchten Augen in der Apotheke, sie bekomme kleine Geschenke. "Das geht mir schon nahe", sagt sie. Dass Silvia Tüllmann irgendwann aufhören würde, war klar. Sie ist inzwischen 70 Jahre alt. Eigentlich wollte sie es langsam ausklingen lassen. Dass es nun anders kommt, dafür nennt sie gleich mehrere Gründe.

Die Bürokratie, die Vorschriften, die Dokumentationspflichten seien in den vergangenen Jahren immer umfangreicher geworden. Für die Kundschaft, die Beratung bleibe immer weniger Zeit. Dabei schätzt es Tüllmann gerade, dass eine Apotheke gleichzeitig auch "Tante-Emma-Laden und Friseur" ist - also ein Ort, in dem Raum für den Austausch von Neuigkeiten und Sorgen ist.

Die Baustellen in Freising haben ihre Entscheidung beschleunigt

Auch die Baumaßnahmen in der Stadt hätten ihre Entscheidung beschleunigt, erzählt sie. Gerade eben verschwänden ihre Schaufenster wieder hinter riesigen Kabeltrommeln, Laufkundschaft finde kaum ins Geschäft. Für die Geschäftsleute sei der Umbau eine große Belastung. Hinzu sei die Pandemie mit den verwaisten Innenstädten gekommen, der Internethandel habe in dieser Zeit stark zugelegt. Sie habe etwa 50 Prozent ihres Umsatzes eingebüßt, sagt Tüllmann. Ein Jahr lang habe sie vergeblich nach einem Nachfolger gesucht. Es habe einige Interessenten gegeben, doch dass bei den Bauarbeiten in der Stadt und auf dem Domberg "kein definitives Ende" in Sicht sei, habe diese abgeschreckt. Für Tüllmann bedeutet das einen "enormen Verlust", wie sie erzählt. Länger warten aber wollte sie nicht mehr, zumal auch die einzige Apothekerin im Team ihrer sieben Mitarbeiterinnen Anfang des Jahres weggegangen war.

Übernommen hatte Silvia Tüllmann die Stadtapotheke vor 29 Jahren von ihrer Vorgängerin Ernestine Kipp. Diese hatte die Apotheke Anfang der Siebzigerjahre eröffnet, erinnert sich Tüllmann. Als Studentin habe sie dort mitgeholfen. Ein eigenes Geschäft wollte sie eigentlich nie. Als die Stadtapotheke dann zum Verkauf stand, griff sie aber doch zu. Bereut habe sie diesen Schritt nie, vor allem weil das Team in den vergangenen 15, 20 Jahren eng zusammengewachsen sei. "Das ist wie eine große Familie." Tüllmann ist froh, dass alle bereits neue Arbeitsplätze gefunden haben. Auf ihrer Internetseite wirbt sie mit einer "etwas anderen Apotheke". Großen Raum nehmen ätherische Öle, Tees, Gewürze und kosmetische Produkte ein. Geschätzt im Kundenkreis ist auch ihre "grüne Salbe", die Tüllmann selbst herstellt.

Silvia Tüllmann hätte sich mehr Unterstützung von der Stadt gewünscht

Gewünscht hätte sich die Apothekerin mit den unverwechselbaren schwarzen Partien in den kurzen, weißen Haaren in den vergangenen Monaten und Jahren mehr Unterstützung von Seiten der Stadt. Beispielsweise durch kostenloses oder stark vergünstigtes Parken, um trotz Baustelle mehr Leute in die Stadt zu locken. Oder dass einfach mal jemand aus eigener Initiative vorbeigeschaut hätte. "Das wäre eine Geste gewesen." Tüllmann befürchtet, dass Freising nach der Innenstadtsanierung sein "Kleinstadtflair" verlieren werde. Durch die "Pflasterwüste" sei die Altstadt "sehr unpersönlich" geworden, findet die gebürtige Freisingerin, die seit 42 Jahren in der Gemeinde Kranzberg lebt.

Ende März wird die Stadtapotheke schließen, danach wird sich Tüllmann ans Ausräumen machen. Wer dort anschließend einziehen wird, sei noch offen. Einerseits werde ihr schon etwas fehlen, gesteht sie. Andererseits verlagere sie einfach ihren Lebensmittelpunkt und werde dann mehr Zeit für andere Dinge haben, zum Beispiel für Spaziergänge mit ihrem Mann.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Angebot für Patienten
:Das E-Rezept muss warten

Eigentlich sollte die Verschreibung von Medikamenten schon auf digitalem Weg erfolgen. Doch es kommt zu Verzögerungen. Darüber sind Apotheken­sprecherin Ingrid Kaiser und Hausarzt Odo Weyerer froh.

Von Charline Schreiber

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: