Fehlende Pflegekräfte:Machtwort vom Minister

Lesezeit: 2 min

Nach Forderung der Kreis-SPD soll das Freisinger Krankenhauspersonal eine Sonderzulage bekommen. (Foto: lukasbarth.com)

Vom 1. Januar an gelten für pflegeintensive Krankenhausbereiche wie die Intensivstation oder die Kardiologie Personaluntergrenzen. Können Kliniken die nötigen Mitarbeiter nicht einstellen, müssen sie Betten schließen.

Von Alexandra Vettori, Freising

Nachdem sich Krankenkassen und Krankenhäuser nicht einigen konnten, hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ein Machtwort gesprochen, per Verordnung: Ab 1. Januar 2019 werden danach Personaluntergrenzen für vier besonders pflegeintensive Krankenhausbereiche gelten, auf Intensivstationen, in Geriatrie, Kardiologie und Unfallchirurgie. Bis auf die Geriatrie gibt es all diese Abteilungen auch im Freisinger Krankenhaus, was die ohnehin schwierige Personalsituation noch verschärfen dürfte. Schaffen es die Krankenhäuser nicht, die Untergrenze einzuhalten, drohen Abschläge oder müssen Betten geschlossen werden.

Würde man statistisch die Personaluntergrenzen jetzt anlegen, sagt Andreas Holzner, Geschäftsführer des Freisinger Kreiskrankenhauses, unterschritte jedes vierte deutsche Krankenhaus die Marke. Es wirke wenig durchdacht, einfach Personaluntergrenzen festzulegen, "wenn man weiß, die entsprechenden Pflegekräfte gibt es nicht auf dem Markt." Allerdings erfüllt das Klinikum die Vorgaben im Tagdienst bereits, im Nachtdienst übertreffe man es sogar. "Unsere Intensivstation läuft mit zwölf Patienten und wir haben einen Personalpool von derzeit 26 Kräften."

Personalgewinnung sei ohnehin ein Thema seit Jahren, und ansonsten sei man, was die neuen Personalvorgaben und die Möglichkeiten, sie einzuhalten, anbelange, "mitten in der Analysephase". Eines aber fügt Holzner hinzu: Der Dokumentationsauftrag, stets genau nachzuweisen, wie viel Personal für was da sein, wachse mit der neuen Verordnung erheblich, "und das wird nicht vergütet." Der Versorgungsauftrag, so Holzner, bestehe natürlich trotzdem. Notfälle würden nicht abgewiesen werden, nur weil gerade nicht genügend Personal vorhanden sei.

Patienten könnten auf andere Stationen verlegt werden

Der Betriebsratsvorsitzende des Klinikums, Ludwig Rinke, sieht die Verordnung differenziert: "Auf der einen Seite freue ich mich über verbindliche Mindestbesetzungen, die realistisch sind und zu einer Entlastung des Personals führen. Wenn es aber nur Untergrenzen für bestimmte Abteilungen gibt, wird es dazu kommen, dass die Patienten interdisziplinär verlegt werden, und das wird für noch mehr Arbeit sorgen. Das Personal, das in die vier besagten Abteilungen verlegt wird, fehlt dann woanders." Das heißt im Klartext, müssen zwei Krankenschwestern in die Kardiologie, und sind dort noch Betten frei, werden Patienten mit Blinddarmentzündung eben in die Kardiologie verlegt.

Konkret besagt die ministerielle Verfügung, dass auf der Intensivstation in der Tagschicht an einem Wochentag eine Pflegekraft ab Januar 2019 höchstens 2,5 Patienten betreuen darf, in der Nachtschicht sind es 3,5. Ab 1. Januar 2021 gilt dann eine noch schärfere Untergrenze von zwei Patienten pro Pflegekraft in der Tag- und drei Patienten pro Pflegekraft in der Nachtschicht. In der Unfallchirurgie in der Tagschicht an einem Wochentag darf eine Pflegekraft höchstens zehn Patienten gleichzeitig betreuen, in der Nachtschicht 20 Patienten. Für Geriatrie und Unfallchirurgie gilt tagsüber ein Verhältnis von zehn zu eins, nachts kommen auf eine Fachkraft 20 Patienten. Für die Kardiologie sind tagsüber zwölf Patienten pro Pflegekraft vorgesehen, nachts 24.

Betriebsratsvorsitzender Ludwig Rinke hegt insgesamt den Verdacht, dass es bei den Personaluntergrenzen nicht nur darum geht, Personal zu entlasten und die Versorgung der Patienten zu verbessern: "Es gibt 2200 Krankenhäuser in Deutschland, und da geht man davon aus, dass einige durchaus geschlossen werden könnten." Freilich gibt es auch Ausnahmen: Dazu gehören kurzfristige krankheitsbedingte Personalausfälle, die über das übliche Maß hinausgehen, beispielsweise während einer Grippewelle. Außerdem im Fall von Epidemien oder Großschadensereignissen.

Dass mit einer ministeriellen Verfügung nicht automatisch mehr Personal da ist, weiß auch Jens Spahn. Deshalb hat er schon bei seinem kürzlichen Besuch in Freising von Ausbildungsoffensiven und dem Plan, Personal auch im osteuropäischen Ausland anzuwerben, berichtet. Das aber ist nicht ganz so einfach, wie der Betriebsratsvorsitzende im Freisinger Klinikum weiß: "Bis der Nachwuchs aus der Ausbildungsoffensive da ist, holen wir die Leute aus anderen Ländern. Aber es gibt einen Pflegenotstand in Portugal, in Italien, Frankreich und auch den Balkanländern. Und dann holen wir da die Leute weg."

© SZ vom 19.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Kommentar
:Vorstoß in die richtige Richtung

Verordnung des Gesundheitsministers ist ein wichtiger Schutz für Patienten und Pflegekräfte

Von Birgit Goormann -Prugger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: