Das neue Echinger Rathaus:Offen für alle und technisch perfekt

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In Eching wuchern die Spekulationen und Gerüchte, wobei sich auch hier weder jemand aus dem Rathaus noch irgendeine politische Gruppierung äußern. (Foto: Marco Einfeldt)

Seit 2019 wurde das alte Rathaus umgebaut und erweitert: Faktisch ist ein völlig neues Haus entstanden. Ein Rundgang durch die Räume, die bald bezogen werden.

Von Klaus Bachhuber

Eching - Wer das neue Echinger Rathaus betritt - muss sich künftig erst mal entscheiden. Drei Eingänge nämlich stehen künftig zur Auswahl, an drei Himmelsrichtungen gleich üppig breit, gleich verglast und gleich einladend. Den einzigen Unterschied gibt es für den Postboten: Ein Briefkasten hängt nur am östlichen Zugang. Auch wenn es bautechnisch falsch ist, vom "neuen Rathaus" zu sprechen, weil seit 2019 nur das bestehende Rathaus umgebaut und erweitert wurde: Faktisch ist ein völlig neues Haus entstanden. Und das erste, was es eben vom Vorgänger unterscheidet, ist die veränderte Orientierung im Raum.

Drei Eingänge gibt es am neuen Echinger Ratshaus, einen Briefkasten für den Postboten gibt es nur am östlichen Zugang. (Foto: Marco Einfeldt)

Das 1973 eröffnete Rathaus wurde im Westen mit dem Huberwirt zusammengebaut, im Norden lag direkt nebenan ein Bauernhof mit Hühnern und Misthaufen, so dass die Nordfassade vorrangig dem Schutz diente. Die neue Nordseite nun öffnet sich zum seither entstandenen Bürgerplatz, den sich die Gemeindeverwaltung nun auch als Adresse gegeben hat: Bürgerplatz 1 für das Rathaus. Die vierstöckige Fassade wird von viel raumhohem Glas und der Farbgebung durch sandfarbene Tonfliesen dominiert, ein breiter Aufgang vom Platz her und ausladende Überdachung des Zugangs akzentuieren die Front.

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An der Südfassade, zur Hauptstraße hin, ist als Reminiszenz an die vorherige Gestaltung der auskragende Erker erhalten geblieben, in dem 1973 bis 2019 der Gemeinderat tagte. Jetzt ist dort Büro und Vorzimmer des Bürgermeisters angesiedelt, wie der neue Sitzungssaal an der Südostecke und zur optischen Abrundung ein Besprechungsraum im dritten Stock mit weißer Rahmung eine Abwechslung im Fassadenrhythmus. Die Schauseite wird die Ostseite, sobald hier die Außenanlagen eingewachsen sind. Von diesem Eingang betritt man ein Extra-Foyer für den Sitzungssaal im Süden und das Trauzimmer im Norden.

Das Echinger Rathaus war im Sommer mit einem großen Polizeiaufgebot durchsucht worden. (Foto: Marco Einfeldt)

Der Sitzungssaal, der in den Ort hineinragt, war schon 1973 das symbolische Accessoire der Rathausarchitektur gewesen; dieser Ansatz wurde modifiziert beibehalten. Mit zwei Außenwänden rundum verglast signalisiert die Stätte der Gemeinderatssitzungen maximale Transparenz; die Situierung im Erdgeschoss verheißt niederschwelligsten Zugang. Es ist dies die Botschaft, die das neue Rathaus architektonisch in den meisten Details verheißt: Offenheit, Einladung. Das Foyer, das Treppenhaus, die Flure: weit, offen, großzügig; bei der Entstehungsdebatte waren die Verkehrsflächen als überdimensional kritisiert worden.

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(Foto: Marco Einfeldt)

Für den Echinger Bürgermeister gibt es ein eigenes Klingelschild.

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(Foto: Marco Einfeldt)

Das Foyer, das Treppenhaus, die Flure: Alles ist weit, offen und großzügig

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(Foto: Marco Einfeldt)

Rechts das Foyer, links das Bürgerbüro mit dem Empfang.

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(Foto: Marco Einfeldt)

Der Echinger Bürgermeister Sebastian Thaler in seinem neuen Büro.

Ein starker Akzent: kreisrunde Reifen als Leuchter, je nach Raumgröße in abgestuften Dimensionen. Im Sitzungssaal kann das Licht aus drei Leuchtreifen die Farbe wechseln, was in der politischen Diskussion sicher für manchen Jokus gut sein wird. Im Trauzimmer sind als raumprägender Gag die Leuchtringe zu Ehe-Ringen verschlungen. Und das ist der zweite prägende Eindruck: die Technik. Displays an allen Eingängen mit Anzeigen nach innen und außen, Displays an den Wänden, Multimediavorkehrungen in jedem größeren Raum, Technikinfrastruktur in den Tischen, elektronisch höhenverstellbare Schreibtische bis hin zur Arbeit im Stehen, neue Server... "Technisch sind wir perfekt ausgestattet", bilanzierte Bürgermeister Sebastian Thaler stolz bei der Präsentation des Neubaus.

Im Trauzimmer sind als raumprägender Gag die Leuchtringe zu Ehe-Ringen verschlungen. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Technik im neuen Rathaus ist so allumfassend, dass sie bizarrerweise das Rathaus selbst in Frage stellt. Jeder Arbeitsplatz kann ins Homeoffice verlagert werden, der Sitzungssaal ist so ausgestattet, dass Live-Übertragungen ins Netz möglich sind. Ein Rathaus mit dieser Technik braucht kein Rathaus mehr... Die Außenanlagen sind erst im Wachsen, die Innenausstattung muss erst noch werden. In den Wänden der Flure sind noch unverputzte Nischen, im Sichtbeton des Treppenhauses Lücken. Hier sollen Vitrinen entstehen, die Exponate aus der reichen Prähistorie der Gemeinde zeigen, dazu sollen Fotografien aus Eching gehängt werden, die in einem Wettbewerb erst noch ermittelt werden.

Die Technik in den Büros ist auf dem neuesten Stand, jeder Arbeitsplatz kann ins Homeoffice verlagert werden. (Foto: Marco Einfeldt)

Der farbliche Grundton, ergänzend zu Holzparkett, weißen Putzwänden und grauem Sichtbeton, ist blau. Drei verschiedene Blautöne ziehen sich durch Bestuhlung, Vorhänge, Türschilder und andere farblichen Elemente. Einen spontanen Akzent setzen wird noch eine Sparmaßnahme der Rathausmitarbeiter. Sie verwenden ihre Bürostühle weiter, mit denen sie teils schon 2019 vom alten Rathaus in das Ausweich-Mietquartier umgezogen sind. Neu bestuhlt wurde freilich das Trauzimmer, in Royal blau,oder der Sitzungssaal mit bequemen Schwingstühlen - jetzt können die Sitzungen noch länger dauern...

Die Freien Wähler im Echinger Gemeinderat haben die Zusammenarbeit mit Bürgermeister Sebastian Thaler aufgekündigt. (Foto: Marco Einfeldt)

Am Wochenende ist Umzug, am Mittwoch, 28. April, wird die Gemeindeverwaltung im neuen Rathaus die Arbeit aufnehmen. Ob das Haus dann auch geöffnet wird, muss nach Pandemie-Lage tagesaktuell entschieden werden. Eine Einweihung wird es auf absehbare Zeit nicht geben. Bei einer Vorstellung am Mittwoch zeigte sich der Bürgermeister über den von Architektin Susanne Wehkamp federführend geleiteten Bauablauf begeistert. "Mit dem Projekt- und Kostenmanagement bin ich restlos zufrieden", schwärmte er. Eine einzige größere Unpässlichkeit mit einem Handwerksbetrieb habe es nur gegeben, was aber ohne Schaden kompensiert werden habe können. Man liege im Zeit- und Kostenrahmen.

Die Architektin Susanne Wehkampf beim Empfang des Bürgerbüros. (Foto: Marco Einfeldt)

Vor der Schlussrechnung werden rund 15 Millionen Euro als Ausgabe beziffert, inclusive Mobiliar und Gestaltung des Vorplatzes im Osten. Außer nachträglichen Ergänzungswünschen durch den Gemeinderat habe es keine groben Abweichungen vom Kostenplan gegeben. Schon 2010 war die ortsansässige Architektengemeinschaft Wehkamp-Köhler mit der Generalsanierung und Erweiterung des Rathauses beauftragt worden, in der politischen Debatte wurde das Projekt dann aber immer wieder zurückgestellt. 2013 bescheinigte ein Gutachten, dass die Stahlbetonkonstruktion des Gebäudes für einen Umbau tauglich sei. Seit Ende 2014 wurde das Projekt konkret vorbereitet. So fasste der Gemeinderat nach intensiver Debatte mit knapper Mehrheit den seinerzeit höchst umstrittenen Beschluss einer Sanierung statt eines Neubaus.

Trotz mancher damit verbundener Abstriche in den Gestaltungsmöglichkeiten sei dies eine zukunftsweisende Entscheidung gewesen, attestierte Architekt Tobias Mattes. Es müsse "ein Zukunftsmodell werden, dass erhaltenswerte Bausubstanz rettet". Nicht zuletzt habe die Gemeinde damit der Umwelt "viele Tonnen Bauschutt erspart". Dieser Ansatz zu rückwirkender Nachhaltigkeit "verkörpert auch etwas Zeitgenössisches", findet der Architekt. Im November 2017 wurde der Bauantrag eingereicht, die Baugenehmigung erfolgte im März 2018 und Baubeginn war im Oktober 2018. Zuerst wurde das alte Rathaus bis auf den Rohbau, das Stahlbetongerüst, entkernt, dann nach Osten, in Richtung Pfarrkirche St. Andreas der Erweiterungsbau geschaffen.

Das alte Rathaus endete da, wo jetzt die östlichen Pfeiler der Zugänge sind. Die Fassade wurde als Holz-Pfosten-Riegelfassade mit Tonplatten aus niederbayerischer Produktion ausgebildet. Auf vier Geschossen sind inclusive Keller rund 4000 Quadratmeter Nutzfläche entstanden. Auf drei Geschossen sind wie bisher die zur Nord- und Südseite orientierten und über einen zentralen Flur erschlossenen Büros angesiedelt. Mit je 24 Quadratmeter Größe sind sie langfristig auf Erweiterung ausgelegt, da jedes Büro für zwei Mitarbeiterplätze nachgerüstet werden kann. Das Rathaus wird mit Fernwärme aus dem Biomasseheizkraftwerk in gemeinsamer Trägerschaft mit Neufahrn geheizt, eine Photovoltaikanlage auf dem Dach dient der Stromversorgung des Gebäudes. Das Kühlsystem für die Lüftung wird durch zwei bereits bestehende Grundwasserbrunnen am Bürgerplatz gespeist.

Das Kühlsystem für die Lüftung wird durch zwei bereits bestehende Grundwasserbrunnen am Bürgerplatz gespeist. (Foto: Marco Einfeldt)
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