Brass Wiesn in Eching:Mehr Schutz für Klima, Mensch und Natur

Lesezeit: 3 min

Viele tanzende Leute, noch dazu bei Regenwetter wie in diesem Jahr - das nimmt den Boden am Echinger Freizeitgelände ganz schön her. (Foto: Johannes Simon)

Sabine Rieker möchte nichts am Bestand und Charakter des Echinger Blasmusik-Festivals ändern - aber sie wünscht sich mehr Nachhaltigkeit. Wenn nötig, wird sie dafür ein Bürgerbegehren starten.

Von Klaus Bachhuber, Eching

Viele Reibungspunkte hatten sich zur und bei der "Brass Wiesn" 2022 aufgestaut; heuer ist das Blasmusik-Festival im Echinger Freizeitgelände wieder völlig störungsfrei und friedlich mit annähernd 20 000 Besuchern abgelaufen. Gleichwohl werden nun gravierende Einschnitte am Publikumsmagneten mit bayernweiter Strahlkraft gefordert. Ein Bürgerbegehren für eine nachhaltigere Brass Wiesn steht in den Startlöchern.

"Brass Wiesn - ja, aber besser", müsse das Motto sein, sagt Initiatorin Sabine Rieker. Vieles könne hier optimiert werden, ohne Bestand und Charakter des Festivals zu verändern: Verkehr, Müll und Lärm, es gehe um "Klima-, Pflanzen-, Menschen-, Tierschutz".

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Rieker ist schon an der Formulierung einer rechtlich stabilen Fragestellung fürs Bürgerbegehren, hat jetzt aber eine Pause eingelegt, weil vom Rathaus dieser Tage die Konditionen für die Zukunft des Festivals verhandelt werden sollen. Würden dabei die geforderten Belange der Nachhaltigkeit erfüllt, könne sich das Bürgerbegehren auch erledigen.

Zentrale Forderung ist die Orientierung der Brass Wiesn an den 2005 vom Freistaat Bayern wie auch vom Bundesumweltministerium aufgelegten Kriterien für nachhaltige Open-Air-Veranstaltungen. Internationale Festivals feierten nach diesen Kriterien nachhaltig und florierten dennoch, betont Rieker: "Hat Eching das nicht nötig? Können wir in den 80er-Jahren verharren, müssen nicht mit der Zeit gehen?"

Bürgermeister Sebastian Thaler wollte sich auf Nachfrage nicht festlegen lassen, ob derartige Themen überhaupt bei der anstehenden Verlängerung des Pachtvertrages der Brass Wiesn für das Freizeitgelände auf der Tagesordnung seien, das sei "noch offen". Zuletzt war Optimierungsbedarf stets nur an der Lärmsituation und nach der Wiesn 2022 an den Sicherheitsmaßnahmen artikuliert worden.

In einer längeren Einlassung im Ortsnachrichtenblatt Echinger Forum unmittelbar nach dem Festival 2023 vermittelte Thaler freilich nicht den Eindruck, als ob er ökologische Bedenken an der Veranstaltung thematisieren könne oder überhaupt sehe. Der Müll werde vom Veranstalter zuverlässig eingesammelt und entsorgt; dass das Freizeitgelände ein paar Wochen nicht nutzbar sei, könne man hinnehmen.

Die Gemeinde freut sich jährlich über ein teilweise neu angelegtes Freizeitgelände

Und dass Wiesen und Wege völlig zerstört würden, könne man verkraften, da es der Veranstalter auf eigene Kasse saniere: "So hat es den Vorteil, dass die Gemeinde jedes Jahr ein in Teilen neu angelegtes Freizeitgelände erhält und sich dadurch Instandhaltungskosten spart."

Eine Argumentationsweise, die Rieker "unter aller Kanone" findet: "Hier zerstört die Brass Wiesn Ökosysteme mit Pflanzen und Kleinstlebewesen, die wichtig für unsere Welt sind." Mit einer Erholung nach dem Kahlschlag eines Festivals mit schwerem Gerät bei Auf- und Abbau, Befestigungen und 20 000 Menschen in Bewegung komme die Natur "in einem knappen Jahr auf keinen Fall hinterher".

Auch beim Müll lohne es sich, genauer hinzuschauen. Zwar würden die am Campingplatz zurückgelassenen Sperrmüllgüter bis hin zu Kühlschränken und Couch-Garnituren zügig entsorgt. Auf den Feldern verblieben aber immer noch Zigarettenkippen, Ohrstöpsel, Plastikreste und derartiges Kleinzeug.

"Wird das einfach untergepflügt und dann neu bepflanzt?", wundert sich Rieker, "wenn ja, dann guten Appetit". Auch im Freizeitgelände strotze das Gebüsch noch von Menschenkot, Klopapier, Taschentüchern, Plastikstücken, Essensresten, Kondomen und ähnlichem.

Auch bei der Verkehrsbelastung für den Ort und die Umwelt durch die Anfahrt der Besucher werde viel zu wenig getan, findet Sabine Rieker. Bahn- und Bus-Fahrten könnten in den Festivaltickets enthalten sein, eigene Zubringerbusse könnten organisiert werden. Hier ist Eching wohl abgehärtet, gehören doch seit Jahrzehnten die Auto-Kolonnen zu Aktionstagen bei Ikea zur örtlichen Folklore.

Im Gemeinderat geht es nur um Lärm- und Sicherheitsfragen - und ermäßigte Tickets

Im Gemeinderat waren solche Beschwerden jedenfalls noch nie auf dem Tapet. Angemahnt wurden dort heuer lediglich die Sicherheits- und Lärmfragen, zu deren Kontrolle ein eigenes Anwaltsbüro eingeschaltet worden war. Und gestört hat sich das Gremium auch daran, dass die ermäßigten Tickets für Ortsansässige deutlich teurer geworden waren; hierzu hat der Bürgermeister Nachverhandlungen angekündigt.

Nach Angaben aus dem Rathaus würden rund 1500 Echinger diese Tickets abrufen. "Dass jeder zehnte Echinger selbst Festivalgast ist, zeigt den großen Zuspruch der örtlichen Bevölkerung und verdeutlicht, dass Eching sich die Brass Wiesn hier bei uns wünscht", schrieb Thaler in seinem Beitrag.

Rieker liest die Zahl anders: Zehn Prozent der Echinger Bevölkerung auf der Brass Wiesn heiße, dass "neun von zehn Echingern nicht hingehen". Dennoch sei keineswegs das Ziel, das Festival zu verbieten, auch wenn manche Beschwerden von anderen gegen den Lärm das nahelegen. "Schön fände ich nur eine andere Sicht auf die Dinge", regt sie an.

Konkret wird nun dieser Tage ein Gespräch zwischen Rathaus und Veranstalter stattfinden. Je nach Ergebnissen startet Rieker dann ihr Bürgerbegehren. Die Formulierung stimmt sie mit Rechtsexperten ab. Mitstreiter wolle sie dann gewinnen, erwartet dabei aber keine Schwierigkeiten.

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