Alte bayerische Tradition:Reihenfeuer, Salut und Doppelschlag

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Die Böllerschützen Dietersheim in Aktion. (Foto: Birgit Gleixner)

In der Zeit um Weihnachten und Neujahr haben die Böllerschützen in den Kreisen Erding und Freising stets ihre großen Auftritte. Das findet längst nicht jeder gut. Doch die Schützen geben sich viel Mühe, um mit Anwohnern und Tierhaltern gut auszukommen.

Von Davida Schauer, Freising

Langsames Reihenfeuer, Salut, gegenläufiges Reihenfeuer, Salut, Doppelschlag, Salut, schnelles Reihenfeuer, Salut. Das war die Schussfolge für die Böllergruppe der Almenrausch-Schützen zum diesjährigen Neujahrsschießen in Berglern. Sie schossen zu acht, mit sechs Hand-Böllern, einem Scharf-Böller und einer Böllerkanone. Früher haben die Leute daran geglaubt, mit dem Böllerschießen an Neujahr Geister zu vertreiben. Das sei bei der Gruppe zwar nicht mehr der Fall, doch sie wolle die Tradition trotzdem jedes Jahr aufleben lassen, sagt Nikolaus Fellermeier, der Schützenmeister des Vereins.

Maximilian Kriebel, der sich das Ereignis traditionell mit seinem siebenjährigen Sohn anschaut, sagt, die Böllerschützen seien immer wieder eine Faszination für ihn. Sein Sohn sieht das genauso und meint, es sei zwar ein wenig laut, doch er wolle auf jeden Fall auch mal ein Schütze werden. Doch die Tradition ist nicht unumstritten, es gibt auch kritische Stimmen, die das Böllerschießen für aus der Zeit gefallen halten.

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Die Mitglieder der 13-köpfigen Böllergruppe, darunter eine Frau, sind 24 bis 71 Jahre alt. Sie sind seit 2019 offiziell Teil der seit 122 Jahren bestehenden Almenrausch-Schützen Berglern. 2020 schossen sie erstmals das neue Jahr ein. Fellermeier erzählt, die Gruppe treffe sich immer schon ein paar Tage vor dem Auftritt zum Training. Sie lege großen Wert darauf, keinen Ärger mit den Dorfbewohnern zu bekommen. So werden diese im Vorhinein informiert. Benötigt werde immer eine Genehmigung der Gemeinde und der Polizei.

Vor allem aber wolle die Böllerschützengruppe Rücksicht auf die Landwirte und deren Tiere nehmen. So suche sie sich jedes Mal explizit Plätze zum Schießen aus, die am Ortsrand sind. Außerdem werde ausschließlich zu besonderen Anlässen geschossen.

Uwe Lerch, Böllerkommandant der Almenrausch-Schützen Berglern (links) mit einem Scharf-Böller. Rechts neben ihm steht der Böllerreferent des Schützengaus Erding, Johann Hacker, mit einem Hand-Böller. (Foto: Davida Schauer/oh)
Die Böllergruppe der Almenrausch-Schützen präsentiert sich beim Neujahrsschießen am 1. Januar 2024. (Foto: Davida Schauer/oh)

Klaus Schmitzer ist seit 2010 Böllerschütze und Teil des SV Kleeblatt Neufahrn. Der Schützenmeister ist mit seiner Gruppe vor allem auf Hochzeiten und Jubiläen im Einsatz. Um überhaupt schießen zu dürfen, brauche man einen Böllerschein, erzählt er. Es müsse ein zweitägiger Lehrgang besucht, eine Prüfung abgelegt und das erweiterte Führungszeugnis sowie eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vorgelegt werden.

Die Böller werden alle fünf Jahre vom TÜV geprüft. Der SV Kleeblatt schießt jedes Jahr die Echinger Brasswiesn, ein Blasmusik-Festival, an. Bei jedem Auftritt trägt die Gruppe traditionelle Kleidung. Schmitzer sagt, ein stilvolles, einheitliches und schönes Erscheinungsbild sei von großer Bedeutung. Es habe was mit Ehre zu tun, in Tracht zu erscheinen. Wichtig sei auch die blaue, bayerische Armbinde.

Die Böllerschützengruppe des SV Kleeblatt Neufahrn nach einem Schuss. (Foto: privat)

Der Schützenmeister schießt nicht, er gibt Kommandos. Der Ablauf ist folgendermaßen: Die Böller werden mit Böllerpulver geladen, dann wird verdämmt. Als Nächstes werden die Zündhütchen gesetzt, die Böller gehen hoch, die Fahne runter, Schuss. Die Verantwortung, dass alle Beteiligten gemeinsam die Kommandos beachten, trägt der Schützenmeister. Wenn einer ein Problem habe, werde gewartet, sagt Schmitzer. Es liege ihm am meisten am Herzen, dass nichts passiert. Dafür gehe er kein Risiko ein. Gefahrenhinweise sind aber auch von Zuschauern zu befolgen.

Achtung. Vor dem Schuss. Die Dietersheimer Böllerschützen (Foto: Birgit Gleixner)

Um auch mal selber zu schießen, ist Klaus Schmitzer zusätzlich Böllerschütze bei der Dietersheimer Böllerschützengruppe D'Gmiatlichn. Diese ist seit 2019 am regionalen Böllergeschehen beteiligt. Seitdem schießt sie jedes Jahr nachmittags am 24. Dezember "zur Ehre des Heiland", sagt Andreas Huber, der Böllerreferent der Gruppe. Diese Tradition wird auch "Christkind anschießen" genannt. Huber fügt jedoch hinzu, dass das Christkind symbolisch eher "her-, statt angeschossen" wird. D'Gmiatlichn bestehen aus 23 Böllerschützen und fünf Böllerschützinnen im Alter von 22 bis 60 Jahren. Sie gehören zum Echinger Schützenverein Gemütlichkeit.

Zu Neujahr veranstalteten sie heuer zum vierten Mal das "Jahr anschießen" in der Langen Gasse von Dietersheim. Am Tag der Heiligen Drei Könige waren Andreas Huber und seine Mannschaft von 16 Uhr an auf dem Monte Echo in Eching anzutreffen. Dort haben sie Spenden für die Echinger Sternsinger gesammelt.

Die Böllerschützengruppe des Schützenvereins Allershausen in traditioneller Tracht. (Foto: privat)

Aber findet die Böllerschützen jeder gut? Huber sagt, dass die Meinungen sich spalten: "So 50/50." Viele sagen, die Tradition sei nicht mehr zeitgemäß. Auch der Böllerreferent des Schützenvereins Diana Allershausen, Andreas Glück, stellt fest, dass es nicht bei jedem gut ankomme. Das liege zum Großteil natürlich am Lärm, der durch die Schüsse verursacht wird. Der Böllerreferent wünscht sich für die Schützen aber "einen Funken Verständnis von den Menschen, da sie nicht oft im Jahr schießen".

Damit dann alles reibungslos läuft, sei "der Zusammenhalt der Gruppe das A und O", so Glück. Das Böllerschießen ist ein organisatorischer, aber auch ein finanzieller Aufwand. Ein Handböller kostet um die 800 Euro, ein Scharf-Böller an die 2000 Euro. Das Schwarzpulver werde immer teurer, erzählt Glück, der Preis sei ungefähr um das Doppelte gestiegen. Für einen Schuss werden circa 40 Gramm Schwarzpulver benötigt. Ein Auftritt besteht aus drei bis zehn Schüssen.

Die Anwohner werden auch hier anhand von Wurfzetteln vorher stets informiert. Deshalb findet das zwar trotzdem nicht jeder gut, aber die Leute wissen zumindest, "dass es bald scheppert", sagt Andreas Glück.

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