Besorgniserregend:Die Hemmschwelle sinkt

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Auch wenn die Polizei "nichts Auffälliges" in Richtung Rechtsextremismus verzeichnet, beklagen Pfarrer und Bürgermeister ausländerfeindliche Tendenzen in Neufahrn. Gleichzeitig gibt es einen sehr engagierten Helferkreis.

Von Birgit Grundner, Neufahrn

Die Hemmschwelle ist so niedrig wie schon lange nicht mehr. Vor einiger Zeit sei er beispielsweise von einem "AfD-nahen" Mann lautstark und öffentlichkeitswirksam beschimpft worden, erzählte der evangelische Pfarrer Reinhold Henninger in einer gemeinsamen Sitzung von evangelischem Kirchenvorstand und katholischem Pfarrgemeinderat. Der Geistliche nimmt immer wieder klar Stellung in Flüchtlingsfragen und leitet den örtlichen Helferkreis. Im Ort gebe es teilweise eine Ausländerfeindlichkeit, "dass es einem den Schuh auszieht", stellte auch Bürgermeister Franz Heilmeier fest, der in seiner Funktion als Pfarrgemeinderat an dem Treffen teilnahm.

Er bezog sich damit auf "grundsätzliche Beobachtungen", wie er auf Nachfrage der Freisinger SZ sagte, und er berichtete von "Äußerungen, wie man sie auf Facebook, an Stammtischen und ähnlichem auch von Leuten am Ort mitbekommt, denen man das eigentlich nicht zutrauen würde". Trotz der engagierten Arbeit gebe es "natürlich auch nicht wenige Menschen, die absolut auf der Linie einer AfD und deren Hassparolen liegen", weiß der Rathauschef und Pfarrgemeinderat.

In der Sitzung sprach Heilmeier gar von einem "Pulverfass" und will mittlerweile nicht mehr ausschließen, dass das auch in seiner Gemeinde "mal in Gewalt umschlägt". Wirklich ausschließen könne man das heutzutage nirgends mehr, sagt auch der stellvertretende Neufahrner Polizei-Chef Volker Rasp: "Aber auf eine Szene, in der sich jemand konkret dazu verabreden würde, deutet derzeit zum Glück nichts hin."

Freilich hat auch die Polizeiinspektion Neufahrn immer wieder mit den "üblichen Hakenkreuz-Schmierereien" zu tun. Zuletzt gab es sie zum Beispiel am Friedhof. Die Verursacher wurden nicht ermittelt. Rasp kann deshalb auch nicht sagen, ob es sich wirklich um rechtsextremistisch motivierte Taten oder einfach nur um das Werk irgendwelcher Vandalen handelte. Auch Beleidigungen von Ausländern werden immer wieder mal gemeldet. Davon abgesehen tut sich in Neufahrn aber laut Polizei "nichts Auffälliges" in Richtung Rechtsextremismus.

Der evangelische Pfarrer Henninger appellierte einmal mehr an alle, bereits bei Begegnungen mit Andersdenkenden Position zu beziehen "und die Fahne der Mitmenschlichkeit hoch zu hängen". Es gehe auch darum, einen Standard menschlichen Umgangs" zu halten, mahnte er mit Blick auf den neuen US-Präsidenten Donald Trump und den anstehenden Bundestagswahlkampf in Deutschland.

Deutlich wurde in der Sitzung freilich auch, dass in Neufahrn viele bereits genau so denken, wie es sich der Pfarrer wünscht. Es gebe wenige Orte, in denen die kirchlichen Gemeinden bei der Betreuung von Flüchtlingen so aktiv sind, so Heilmeier. Katholiken wie Protestanten engagieren sich im Helferkreis, der aktuell aus etwa 30 Leuten besteht. Mehr als 100 weitere wären bereit gestanden, wenn Flüchtlinge in die Traglufthalle eingezogen wären. Die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren, als klar wurde, dass die Regierung von Oberbayern solche Unterkünfte nicht mehr will und die Halle leer bleiben wird. Möglicherweise sei es auch "von bestimmter politischer Seite" gar nicht gewollt gewesen, dass das "in Neufahrn klappt", spekuliert Henninger rückblickend.

© SZ vom 23.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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