Aubinger Moosschwaige:Schwere Zeiten für das Niedermoor

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Rundfahrt zu sensiblen Flecken: Teilnehmer des Radausflugs in die Moosschwaige. (Foto: Robert Haas)

Die Moosschwaige ist ein einzigartiger Naturraum. Für die Stadt ist sie besonders wichtig, weil sie dort gezielt in ein Öko-Konto einzahlt - als Kompensation für den Flächenfraß durch das Neubaugebiet in Freiham. Von dort droht aber Ungemach.

Von Daniel Thoma

Zwischen den Schotterfluren der Münchner Ebene und den südlichen Ausläufern des Dachauer Mooses liegt das Gebiet der Moosschwaige. Wer Glück hat, erhascht hier schon mal einen Blick auf seltene Schmetterlingsarten wie den dunklen Wiesenknopf, den Ameisenbläuling oder den braunfleckigen Perlmuttfalter. Den Weg dahin muss man sich oft durch moorigen Boden und dichtes Gebüsch erkämpfen. Dadurch bleiben allerdings auch große Teile des Gebiets von ständigem Menschenverkehr unberührt.

Für den Naturschutz ein wichtiger Faktor, meint Markus Bräu vom städtischen Referat für Klima- und Umweltschutz. "Stärkere Frequentierung durch Menschen, die dort Erholung suchen, könnte die Natur beschädigen." Genau dies sei aber spätestens dann zu erwarten, wenn die Neubaugebiete im nahe gelegenen Freiham bezogen würden. "Es ist sicher davon auszugehen, dass von dort dann mehr Menschen in die Moosschwaige kommen", sagt Bräu bei einer Radexkursion mit Aubinger Lokalpolitikern in das sensible Gebiet.

Der erholungssuchende Mensch kann die Natur beschädigen

Dabei sind der neue Stadtteil und der Naturschutz eng verbunden. Denn erst durch die ökologische Aufwertung der Moosschwaige im Rahmen eines sogenannten Öko-Kontos durfte die Stadt München die Bauarbeiten in Freiham starten. Ein Öko-Konto ermögliche es einer Kommune, frühzeitig Flächen zu sichern und ökologisch aufzuwerten, um andernorts durch Baumaßnahmen entstandene oder noch entstehende Umweltschäden auszugleichen, erklärt Landschaftsplaner Mathias Lampert vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung. "Es geht darum, als Kommune Flächen naturschutztechnisch aufzuwerten."

Dabei werde die zu bebauende Fläche auf ihren ökologischen Wert und die Schwere der Beeinträchtigung durch den Eingriff bewertet. Auf der Gegenseite berechnet man, wie groß das Aufwertungspotenzial der Fläche des Öko-Kontos ist. Die Moosschwaige bezeichnet Lampert dabei in vielerlei Hinsicht als großes Glück für die Stadt. "Die vorherigen Besitzer benutzten die Fläche zur Jagd. Sie hatten Fichtenforste und sehr fette Wiesen und Äcker, wo das Wild grasen konnte. Das sind alles Flächennutzungen, die ein sehr hohes Potenzial bieten, um es naturschutzrechtlich aufzuwerten."

Die Moosschwaige ist ein Refugium für Tier und Pflanze. Menschliche Eingriffe dienen dazu, die typische Charakteristik zu erhalten. (Foto: Robert Haas)

Seinen Namen erhält das Gebiet von dem alten Gutshof Moosschwaige. 2004 hat die Stadt 116 Hektar rund um den alten Hof erworben. Sofort begann man damals mit der Untersuchung und Bewertung der Fläche. Ein landschaftsökologisches Gutachten ergab, dass sich auf dem Gebiet noch alte Niedermoorreste befanden. 2013 legte ein Stadtratsbeschluss fest, dass nach dem ersten Öko-Konto Münchens im Eschenrieder Moos das zweite Projekt dieser Art in der Moosschwaige eingerichtet werden soll. Infolgedessen begann die Aufwertung.

Früher landwirtschaftlich genutzte Flächen wurden durch sogenannte Aushagerung renaturiert und vorhandene Wildäcker in Extensivgrünland wie Wiesen und Weiden umgewandelt. Außerdem wurde ein Teil des vorhandenen Fichtenforsts gefällt. Ein genereller Umbau der Waldbestände in standortgemäße Laubwälder sei im Gange, wird aber naturgemäß noch sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. "Das Öko-Konto wird immer wertvoller, man ist noch nicht am Endzustand angekommen", sagt Lampert. Tatsächlich, so der Landschaftsplaner, wird das Projekt wohl auch nie komplett abgeschlossen sein. "In der Natur steckt viel Dynamik, und damit muss man auch umgehen. Die Situation vor Ort verändert sich ständig."

In den geschützten Gebieten kann man noch die Mehlprimel antreffen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Über den ökologischen Wert der Moosschwaige könnte man laut Naturexperte Bräu ganze Bücher schreiben. "Die Moorschwaige ist einer der besterhaltenen Niedermoorreste in München. Die Hydrologie hier ist die beste im ganzen Stadtgebiet." Das sei Voraussetzung für den großen Artenreichtum des Gebiets. Unter anderem kommen seltene Pflanzenarten wie die Mehlprimel oder der Teufels-Abbiss innerhalb des Münchner Stadtgebiets nur noch in der Moosschwaige vor.

Für Bräu ist der öffentliche Umgang mit dieser Naturfläche deshalb ein Drahtseilakt. Zum einen sei es wichtig, den Menschen die Besonderheit des Gebiets näherzubringen, wie etwa bei dem Radausflug, zum anderen dürfe im Sinne des Naturschutzes aber eigentlich kein stärkerer menschlicher Einfluss auf das Gebiet, etwa durch größere Besucherzahlen, erlaubt werden. "Das Naturverständnis ist sehr wichtig, aber man muss das begleiten", sagt Bräu. Es soll daher in neue Aufklärungsmaßnahmen investiert werden. Dafür ist unter anderem eine neue Stelle ausgeschrieben. Gesucht wird jemand, der Naturkenntnis mit pädagogischer Kompetenz verbindet.

Außerdem sollen auch ein Besucherlenkungskonzept sowie neue Wegesysteme und Infotafeln entstehen. So sollen die Menschen für den vorsichtigen Umgang mit der Natur sensibilisiert werden. "Es wird zwar immer welche geben, denen das alles wurscht ist", sagt Markus Bräu und nennt als Beispiel einen Vorfall, als jemand mit einem Quadbike durch das Gelände fuhr. "Aber es ist nicht sinnvoll, mit erhobenem Zeigefinger den Zugang zu verbieten, sondern wir sollten lieber zeigen, was es hier Tolles gibt." Das Verständnis für den Wert und die Schutzbedürftigkeit der Umwelt könne so ganz natürlich entstehen.

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