Motivation:"Du musst kein Ausnahmetalent sein, um Ausnahmekönner zu werden"

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Erfolgreicher Kampf um Bronze: Frank Stäbler (rot) besiegt Ramaz Zoidze aus Georgien bei Olympia 2021 in Tokio. (Foto: Swen Pförtner/dpa)

Frank Stäbler war mehrfach Weltmeister im Ringen - kennt aber auch schmerzliche Momente. Was der 34-Jährige rät, um zufrieden und erfolgreich zu sein.

Von Thomas Becker

"Wie der sich bewegt. Da ist keine einzige falsche Bewegung dabei." Die bewundernden Worte zweier Zuschauer sind im Flüsterton gehalten, um bloß kein Wort vom Meister zu verpassen. Denn während Frank Stäbler Tipps gibt, klopft er am Sonntag gleichzeitig im Kampfkäfig seine Sparringspartner mit Schwung auf die Matte, dass es nur so rumst. Und das sind keine schmalbrüstigen Anfänger, sondern gestandene volltätowierte Kerle mit dicken Armen und entschlossenen Mienen. "Mit der Hüfte immer am Mann bleiben!" ruft Stäbler, bevor er in der Sekunde darauf den nächsten dieser Klötze durch die Luft wirbelt, als wäre es eine federleichte Gummipuppe.

Mixed Martial Arts wird hier in der Kampfschule Munich MMA am Nordbad normalerweise trainiert, doch wenn der mehrfache Weltmeister im Ringen zu Gast ist, kommt mal die Spielart BJJ dran: Brazilian Jiu-Jitsu, Schwerpunkt Bodenkampf. Damit kennt sich Stäbler natürlich aus: "So kannst du mir gar nix machen", ruft er und klammert mit seinen Pranken die des Gegenübers fest, "so bin ich in einer extrem überlegenen Situation." Wenig später rumst es wieder, Stäbler federt nach oben und fragt in die nach Atem schnappende Runde der drei Mitkämpfer: "Noch'n paar Würfe?" Und die Anderen so: Hm.

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Ein Phänomen, dieser Stäbler. Unkaputtbar, immer auf Sendung, auch zwei Jahre nach dem Karriereende noch so fit wie der berühmte Turnschuh. Für alle, die in einer der ältesten Sportarten nicht so firm sind: Der 34-Jährige wurde im griechisch-römischen Stil 2015, 2017 und 2018 Weltmeister, 2012 und 2020 Europameister, gewann 2021 Bronze bei Olympia und ist der einzige, der Weltmeister in drei Gewichtsklassen werden konnte. Und er ist: ein Unikum. Dass er seinem ersten Buch den Titel "Unaufhaltsam" gegeben hat, ist nur logisch und fasst seine Karriere in einem Wort zusammen. Kleine Leseprobe? "Du musst kein Ausnahmetalent sein, um Ausnahmekönner zu werden. Nicht jeder Weltmeister ist schon in seiner Jugend überragend. Ich war in der C- und B-Jugend vier Mal bei Deutschen Meisterschaften. Na ja, was soll ich sagen: Ich bin vier Mal Vierter geworden. Vier Mal Blech. Also nichts, für mich zumindest."

Allzu viele Niederlagen kamen in den nächsten 20 Jahren nicht mehr dazu: Der eigenwillig bis sture Schwabe eilte von Triumph zu Triumph, vor allem aufgrund seiner Willenskraft. 2016 stand bei den Olympischen Spielen in Rio die Krönung an: Stäbler war im Jahr zuvor Weltmeister geworden, hatte die gesamte Saison dominiert, war die Nummer eins der Weltrangliste, absoluter Gold-Favorit. Doch in der letzten Trainingssekunde rutscht sein Trainingspartner auf einem Schweißtropfen aus, fällt auf Stäblers Knöchel, so dass sämtliche Bänder reißen - eine Woche vor Olympia. Der Arzt meint: 'Nicht so schlimm. Da machen wir Gips drum, und in drei Monaten können sie wieder Sport machen.' Stäbler lacht und ruft: 'Nix da, ich werde nächste Woche Olympiasieger.' Und tatsächlich zieht der Unaufhaltsame mit Bandage und Schmerzmitteln in den aussichtslosen Kampf und wird Siebter. Seine Botschaft: Klau mir nicht meinen Traum.

"Spaßbremsen werden keine Champions"

Das mit Simon Biallowons, Geschäftsführer und Chef-Lektor des Herder Verlags, entstandene Buch ist natürlich ein Ratgeber geworden, der Untertitel lautet: "Deine Formel für Erfolg, Zufriedenheit und Balance". Die Themen: Wie bereite ich mich auf einen Kampf vor? Wie gestalte ich dessen Ablauf? Wie gehe ich mit Misserfolg und Erfolg, mit Stress, Ängsten und Leistungsdruck um? Und: Was kommt nach dem Kampf? Ihm bei der Beantwortung all dieser einfach ins richtige Leben zu transferierenden Fragen zuzuhören, macht Laune, weil er so spricht, wie ihm der schwäbische Schnabel gewachsen ist: geradeheraus, unverstellt, zugewandt. Ein paar Kernsätze der Stäblerschen Motivationslehre: "Wenn das Warum stark genug ist, kommt das Wie ganz alleine." Oder: "Spaßbremsen werden keine Champions." Auch schön: "Du kannst der Angst nicht davonlaufen."

Stäbler unterlegt all das mit Schoten aus dem prallen Leben, erzählt, dass er seit 2015 kein Fernsehen und keine Nachrichten mehr schaut, sieht im sogenannten Abkochen vor dem Kampf, wenn der ohnehin schon Durchtrainierte nochmal neun Kilo wegschwitzen muss, "den besten Weg, Disziplin zu lernen" und freut sich über das Privileg, nach der Karriere einfach an den Kühlschrank gehen zu können, um zu essen und zu trinken, was er will: "Ich werde immer ausgelacht, weil ich so langsam und genüsslich esse." Und der Sport? Fehlt ihm der gar nicht? "Och, ein, zwei Mal die Woche gehe ich rüber in mein Trainingscamp, wo ja 70, 80 Mann trainieren. Dann schnappe ich mir einen von den Jungen, erteile ihm kurz eine Lektion - und kann mich danach drei Tage nicht mehr bewegen."

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