Frank Ocean in München:Beschwörung des Nichtvollzuges

BMW_Welt_Frank_Ocean_25.6.2013; Frank Ocean in der BMW-Welt

Frank Ocean sammelt BMWs. Über die Videowand hinter ihm rollt ein gelbes Exemplar in Endlosschleife.

(Foto: Gudrun Muschalla/BMW AG)

R'n'B ist gerade das aufregendste Genre der Popmusik - und Frank Ocean einer seiner wichtigsten Protagonisten. Bei seinem einzigen Deutschland-Konzert in München verweigert sich der junge Künstler der Ekstase. Und lässt doch keinen unbefriedigt zurück.

Von Sebastian Gierke

Ein alter BMW, wohl aus den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts. Gelb, tiefer gelegt, breite Reifen, getönte Heckscheibe. Das Auto fährt in Zeitlupe über eine gewaltige Ebene, eine Wüste vielleicht oder ein Salzsee, im Hintergrund die dunkle Silhouette einer Bergkette. Auf einer großen Videoleinwand ist dieses hypnotische Bild fast eineinhalb Stunden lang zu sehen. Ein kaum wahrnehmbarer Loop von wenigen Sekunden lässt das Auto immer geradeaus fahren. Und fahren. Und fahren. Ohne dass es jemals irgendwo ankommt.

Frank Ocean, der aus New Orleans stammt und in Los Angeles mit dem Hip-Hop-Kollektiv Odd Future bekannt wurde, ist Fan der Bayerischen Motorenwerke. Er besitzt mehrere klassische Modelle des Autobauers und lässt sie immer wieder auf Plattencovern oder in Videos auftauchen. Auch deshalb begeht der gefeierte Neo-R'n'B-Künstler den Auftakt seiner Europatour in der Münchner BMW-Welt. Es ist sein einziges Konzert in Deutschland.

Das Auto, es gleitet - Frank Ocean auch

Die Reifen des BMWs auf der Leinwand wirbeln nur ganz wenig Staub auf. Die Piste, auf der das Auto unterwegs ist: völlig glatt, eben. Das Auto, es gleitet.

Das Gefühl des Gleitens bestimmt auch das Konzert von Frank Ocean. Er ist keiner, der auf der Bühne aus sich herausgeht, er ist das Gegenteil eines exaltierten Bühnenstars. "Ich liebe Dich", sagt er irgendwann. Ein Mädchen aus der ersten Reihe hat ihm die Worte zugerufen. Ocean wollte wissen, was "I love you" auf Deutsch heißt. Jetzt schaut er seinen Worten hinterher, als würde er ihnen selbst nicht ganz trauen. Der 24-Jährige ist ein Geschichtenerzähler. Und am liebsten wäre es ihm, wenn er auch auf der Bühne hinter seinen Geschichten der Verzweiflung, der Liebe und der Sehnsucht verschwinden könnte.

Der Sound in der BMW-Welt ist überwältigend, seine sechsköpfige Liveband fantastisch. Am Bühnenrand schleicht Ocean hin und her, er trägt ein weites, mit psychedelischen Muster bedrucktes T-Shirt, sein Oberkörper meist nach vorne gebeugt, in der einen Hand das Mikrophon, die andere oft schüchtern hinter dem Rücken. Ocean erlaubt sich keine überspannten, überschwänglichen Gesten, trotzdem beeindruckt seine Präsenz. Mit oft geschlossen Augen konzentriert er sich auf sein Falsett. Die Stimme ist perfekt, glänzt samtig.

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