Fotowettbewerb:"Kooperative Großstadt": Neues Wohnen für München

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"Wie könnten diese 30 000 Quadratmeter für Wohnungen genutzt werden?" fragen die Fotografen. (Foto: Carola Dietrich, Frederik Künzel)

Statt Pessimismus und Gejammere über den Immobilienwahnsinn will die junge Genossenschaft zum Beispiel den Freiraum unter Autobahnbrücken nutzen.

Von Inga Rahmsdorf

Ein Betonplatz vor einem Hochhaus, eine Brachfläche an einer viel befahrenen Straße oder der Raum unter Autobahnbrücken: Das sind Orte, die auf den ersten Blick wohl nicht als ansprechendes Bauland für Wohnungen auffallen würden. Doch es lohnt sich ein zweiter Blick.

Vielleicht bergen gerade diese etwas vernachlässigten Flächen ein Potenzial, das es wert ist, neu zu denken, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, um den Stadtraum weiterzuentwickeln. Und um neue Formen des Wohnens und des Zusammenlebens zu realisieren. Schließlich gehören auch diese Orte zu München und prägen die Stadt.

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Auch in München gibt es noch Raum und Möglichkeiten

Die junge Münchner Baugenossenschaft "Kooperative Großstadt" hatte zu einem ungewöhnlichen Fotowettbewerb aufgerufen. Aufgabe war es, Orte mit einer besonderen Atmosphäre zu finden, die genossenschaftlich und selbstbestimmt genutzt werden können. Ein Thema, mit dem sich München im Vergleich zu Städten wie Berlin bisher wenig befasst hat. Dass es aber auch in München mit seinem enormen Immobiliendruck noch Raum und Möglichkeiten gibt, andere Formen des Bauens, Wohnens und Zusammenlebens zu entwickeln, das zeigten nicht nur die eingereichten Fotos.

Das wurde auch bei einem Symposium deutlich, zu dem die "Kooperative Großstadt" am Samstag eingeladen hatte. Dort diskutierten Architekten, Stadtplaner, Künstler, Regisseure, Politiker und Wissenschaftler darüber, wie ein besserer Wohnungs- und Städtebau gelingen kann.

Die "Kooperative Großstadt", die sich erst vor drei Monaten gegründet hat und bisher aus 16 Gründungsgenossen besteht, will weitergehen als viele andere Baugenossenschaften. Es gehe nicht nur darum, sein eigenes Süppchen zu kochen und Wohnraum für die Mitglieder zu bauen, sagt der Architekt Florian Fischer von der Kooperative. "Wir wollen uns in die Diskussion in München einmischen."

Perspektiven statt Pessimismus und Gejammere

Statt Pessimismus und Gejammere über den Immobilienwahnsinn sei es ihr Ziel, neue Perspektiven zu diskutieren und entwickeln, und diese dann schließlich auch zu realisieren. Auch wenn es bis zum ersten Bau der Kooperative wohl noch etwas dauern wird, ist ihr mit dem Symposium schon ein lebendiges Forum gelungen. Und das Interesse in München ist offenbar groß, etwa 400 Zuhörer kamen in die Lothringer13 Halle.

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"Es gibt keinen schlechten Standort, sondern nur schlechte Projekte", sagt Andreas Hofer, der vor mehr als 20 Jahren in Zürich die Genossenschaft "Kraftwerk" mitgegründet hat. Ob ein Wohnprojekt funktioniert, liegt nicht in erster Linie daran, ob es am Stadtrand oder auf einem zentralen Filetstück gebaut wird, sondern wie es geplant und entwickelt wird. Das machten die Teilnehmer deutlich und sie warfen dabei auch die Frage auf, wie viel man von der Stadt und wie viel von den Genossenschaften fordern darf und muss.

Nicht das Gebäude selbst, sondern das Zusammenleben steht im Fokus

Anders als bei klassischen Investorenprojekten geht es den Genossenschaften auch darum, die Bewohner mit einzubinden. Dabei steht oft nicht nur das Gebäude selbst im Mittelpunkt, sondern auch das Zusammenleben. So soll auch vermieden werden, dass öffentliche Plätze wie im Arnulfpark vorab geplant und realisiert werden, die dann aber von den Anwohnern nicht angenommen werden. Die Genossenschaften sind dabei jedoch auch auf die Unterstützung der Politik angewiesen.

Die Stadt dürfe sich nicht auf den frei finanzierten Markt verlassen, forderte der Wiener Wohnbauforscher Daniel Glaser. "München ist die wohlhabendste Großstadt der Welt", sagte Benjamin David von den Münchner Urbanauten, daher müsse es auch gelingen, ausreichend Wohnraum für alle zu schaffen. Dabei sieht er die Verantwortung nicht nur bei der Stadt, sondern auch bei jedem selbst. Dazu gehöre auch, dass jeder Bezirk den Bau von neuen Wohnungen in großem Stil akzeptieren müsse.

Dass es gelingen kann, einerseits die gewachsene Struktur eines Gebiets zu bewahren und trotzdem 900 neue Wohneinheiten zu bauen, zeigte Verena Schmidt vom Berliner Büro "Teleinternetcafe Architektur und Urbanismus", das den Wettbewerb für das Kreativquartier in München gewonnen hat. Das Besondere an ihrem Vorschlag ist, dass er der ganzen Fläche nicht einen großen Masterplan überstülpt, sondern der Bau in einem Prozess stattfinden soll. Dabei sollen auch die lokalen Akteure Ideen einbringen und sich an der Planung beteiligen.

© SZ vom 11.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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