Flüchtlinge:Münchner Verteilungskonflikte

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6200 Flüchtlinge sind am Mittwoch in München angekommen, für den Donnerstag wurden ähnlich viel erwartet. (Foto: Sven Hoppe/dpa)
  • Die Lage am Münchner Hauptbahnhof wird zunehmend unübersichtlich. Das hat verschiedene Gründe:
  • Ob und wie viele Sonderzüge mit Flüchtlingen aus Österreich in den kommenden Stunden nach München fahren werden, ist unbekannt.
  • Die Bitten Bayerns, an einem zweiten Ort in Deutschland ein Drehkreuz einzurichten, an dem die Asylbewerber verteilt werden, blieben bis dato ungehört.
  • Und es gibt bereits Bundesländer, die ihre Kapazitäten als erschöpft betrachten, weitere Asylbewerber aufzunehmen.

Von Susi Wimmer

Das "atmende System", wie Christoph Hillenbrand es nennt, hat am Donnerstag erhebliche Probleme mit der Luftzufuhr bekommen. Bis zum frühen Abend konnte die Regierung von Oberbayern, die Hillenbrand leitet, nicht sagen, ob und wie viele Sonderzüge mit Flüchtlingen aus Österreich in den kommenden Stunden nach München fahren werden. Die Bitten Bayerns, an einem zweiten Ort in Deutschland ein Drehkreuz einzurichten, blieben bis dato ungehört. Und es gibt bereits Bundesländer, die ihre Kapazitäten als erschöpft betrachten. "Die Signale, dass es komplizierter wird, häufen sich", sagte Hillenbrand am Donnerstag. Auch Markus Schön vom Stadtjugendamt schlug Alarm: Mehr als 1500 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge befänden sich momentan zur Erstversorgung in München. Mehr könne man nicht mehr aufnehmen.

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Auch wenn die Behörden mit Zahlen jonglieren, so betonen sie doch immer wieder, dass es um menschliche Schicksale gehe. Schön hat eines erlebt in der Unterkunft in der Messe. Dort seien ein 17-jähriger Afghane und ein zweieinhalb Jahre altes Mädchen angekommen. Das Mädchen sei mutterseelenallein auf der Flucht aus Afghanistan gewesen. In Ungarn, so erfuhr Schön, habe der junge Mann das Mädchen kennengelernt und sei seitdem mit ihm gereist. Es kam in eine Kinderschutzstelle, der 17-Jährige in die Bayernkaserne. Letztere sowie 13 Dependancen für die Erstversorgung alleinreisender Minderjähriger stehen in München zur Verfügung. "Das sind 1500 Plätze, unser Kontingent ist erschöpft", sagte Schön. Zusätzlich betreue die Stadt noch mehr als 2500 Minderjährige längerfristig. Man könne sie zwar bayernweit verteilen, bundesweit aber erst von Januar an.

Am Mittwoch kamen laut Hillenbrand 6200 Flüchtlinge in München an; nur 500 bezogen über Nacht das Notquartier in der Messe, alle anderen wurden mit Bussen und Zügen in Bayern oder andere Bundesländer verteilt. Am Donnerstag waren es nach Polizeiangaben 7034 Flüchtlinge. Etwa 1800 von ihnen könnten mit Bussen weiterreisen. Zwei Sonderzüge nach Düsseldorf mit 500 Flüchtlingen seien avisiert, gegen Mitternacht solle von München oder Salzburg aus ein Zug nach Niedersachsen rollen.

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Am Donnerstagabend kommt dann eine Nachricht, auf die Hillenbrand sehnsüchtig gewartet hat: Nordrhein-Westfalen habe sich bereit erklärt, von diesem Freitag an täglich zwei Sonderzüge von München oder Salzburg aus nach Düsseldorf und Dortmund fahren zu lassen - mit jeweils 500 Flüchtlingen an Bord. Damit sei "endlich der große Wunsch nach einer Regelmäßigkeit erfüllt", sagte Regierungssprecherin Simone Hilgers. "Davon erhoffen wir uns eine deutliche Entlastung für das Drehkreuz München."

Die Kommunikation mit Österreich hingegen scheint nicht zu funktionieren. Man wisse nicht mehr, ob und wie viele Sonderzüge aus dem Nachbarland ankommen werden. Viele Flüchtlinge kämen nun mit regulären Zügen. Das heißt: Die Situation ist für die Regierung nicht planbar. Vorsorglich hat sie die Zahl der Notbetten in Dornach und der Messe von 3800 auf 4500 aufgestockt.

"Wir brauchen Stabilisierung im Ablauf", forderte Hillenbrand. Die Ferien näherten sich dem Ende, viele Ehrenamtliche müssten wieder zur Arbeit. Die Wiesn mit Millionen Besuchern stehe bevor. Stelle sich keine Konstanz ein, könnte das "atmenden System" kollabieren. Am Donnerstag erreichten erstmals auch Züge aus dem österreichischen Wels Bayern. Etwa 350 Migranten kamen so in Passau an - und wurden von dort mit Bussen nach Deggendorf gebracht.

© SZ vom 11.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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