Flüchtlinge in München:Unterkünfte werden deutlich größer

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  • Sozialreferentin Brigitte Meier (SPD) schlägt vor, künftig statt 200 Menschen bis zu 300 in einer Gemeinschaftsunterkunft unterzubringen.
  • Sie greift damit einen Vorschlag der Rathaus-CSU auf, die sich sogar 500 Flüchtlinge in einer Unterkunft vorstellen kann.
  • Um Flächen zu sparen, fordert die CSU außerdem, die Suche nach Unterkunftsstandorten stärker auf Gewerbeimmobilien zu konzentrieren, die ohnehin leer stehen.

Von Andreas Glas, München

Die Stadt will die Kapazitätsgrenze für Flüchtlingsunterkünfte weiter lockern. Sozialreferentin Brigitte Meier (SPD) schlägt vor, künftig statt 200 Menschen bis zu 300 in einer Gemeinschaftsunterkunft unterzubringen. Sie greift damit einen Vorschlag der Rathaus-CSU auf, die sich sogar 500 Flüchtlinge in einer Unterkunft vorstellen kann. Bislang wurde die 200er-Grenze nur bei Notunterkünften überschritten, also bei Container-Dörfern, die aufgebaut werden, um eine Phase zu überbrücken, in der die Zuwanderung besonders stark ist. Weil diese Phase seit geraumer Zeit anhält, will man nun offenbar umdenken. "Wir machen die einen Unterkünfte größer, dafür können wir auf andere verzichten", sagt der stellvertretende CSU-Fraktionschef Michael Kuffer.

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Dass ausgerechnet die CSU-Fraktion bei diesem Thema voranprescht, ist überraschend, bis vor Kurzem galt die Fraktion ja noch als Gegner höherer Kapazitätsgrenzen. Nun aber befürchtet die CSU, dass Flüchtlingsunterkünfte verstärkt auf Grundstücken gebaut werden, auf denen auch Schulen oder Kindertagesstätten entstehen könnten. Wenn eine Fläche sowohl für Flüchtlinge als auch für andere soziale Bauprojekte infrage komme, "dann wollen wir diesen Zielkonflikt möglichst zugunsten der sozialen Nutzung auflösen", sagt CSU-Fraktionsvize Kuffer. Die 200er-Kapazitätsgrenze soll deshalb nicht nur bei der Suche nach neuen Standorten fallen. Man müsse auch bei den bestehenden Gemeinschaftsunterkünften prüfen, ob die derzeitigen Kapazitäten aufgestockt werden können.

"Wir müssen auch private Flächen einbeziehen"

Um Flächen zu sparen, fordert die CSU außerdem, die Suche nach Unterkunftsstandorten stärker auf Gewerbeimmobilien zu konzentrieren, die ohnehin leer stehen. "Wir finden es auf Dauer schwierig, nur über städtische und staatliche Flächen zu reden", sagte Kuffer, "wir müssen auch private Flächen einbeziehen, weil wir unheimlich viel Gewerbeleerstand haben, wo eine Zwischennutzung möglich ist." Als Vorbild nennt Kuffer den jüngsten Stadtratsbeschluss, 240 Flüchtlinge in einem leer stehenden, früheren Siemens-Bürogebäude an der Hofmannstraße in Obersendling unterzubringen. CSU-Stadtrat Kuffer glaubt, dass inzwischen "fast alle Standorte aufgebraucht sind", die dem Staat oder der Stadt gehören.

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"Die städtischen Flächen werden allmählich sehr eng", bestätigt Sozialreferentin Meier. Sie sagt aber auch, dass sich die Stadt deshalb bereits verstärkt nach leer stehenden Gewerbegebäuden umschaut. So einfach, wie die CSU es sich vorstelle, sei das allerdings nicht. Gerade Bürogebäude seien häufig "nicht so gebaut, dass man ganz einfach Klos und Duschen einbauen kann", sagt Meier, auch der Brandschutz müsse entsprechend angepasst werden. Das sei nicht nur teuer, sondern koste auch Zeit, die man angesichts der hohen Flüchtlingszahlen nicht immer habe. "Bevor Gewerbeimmobilien leer stehen, bin ich immer dafür, dass man eine gute Zwischennutzung hinkriegt", sagt Meier, "aber es muss wirtschaftlich und auch zeitlich möglich sein."

Unterm Strich "nicht weniger Standorte"

Die Furcht der CSU, Schulen oder Kitas könnten nicht gebaut werden, weil dafür notwendige Flächen für Flüchtlinge gebraucht werden, teilt Meier nicht: "Wenn auf einem Standort eine Kita, eine Schule oder Wohnungen geplant sind, wird der Bau nicht durch Unterkünfte verhindert, das haben wir von vornherein gesagt." Auch dass sich die CSU von höheren Kapazitätsgrenzen weniger Flüchtlingsunterkünfte verspricht, sei "ein Trugschluss", sagt Meier. Weil die Flüchtlingszahlen aller Voraussicht nach stärker ansteigen werden als erwartet, werde es unterm Strich "nicht weniger Standorte geben" als derzeit geplant.

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Wie ihr Koalitionspartner, so kann sich auch die SPD vorstellen, die Kapazitätsgrenzen aufzuweichen. "Wenn die Not größer wird, werden auch die Unterkünfte größer", sagt Fraktionschef Alexander Reissl, man müsse sich aber jeden Standort einzeln anschauen. Schließlich sei es nicht sinnvoll, mitten in einer Wohnsiedlung 500 Flüchtlinge unterzubringen. "Man muss immer sehen, was drumherum ist und dass die Betreuung der Flüchtlinge gewährleistet bleibt", sagt auch Meier, trotzdem dürfe eine Kapazitätserhöhung "kein No-Go" sein. "Ich bin nicht begeistert davon, aber diese Debatte müssen wir jetzt führen. Die Menge an Flüchtlingen wird uns zu neuen Lösungen zwingen", sagt die Referentin.

CSU-Stadtrat Kuffer versichert derweil, dass es nicht darum gehe, die Hilfe für Flüchtlinge insgesamt infrage zu stellen: "Wir wollen nicht die Kapazitäten als solche reduzieren, sondern Kapazitäten größer machen und dafür auf die ein oder andere neue Unterkunft verzichten." Dass mit der Zahl der Betten auch die Konfliktgefahr in den Unterkünften steigt, darüber sei man sich bewusst. "Wir werden Konflikte bei diesem Thema nicht vermeiden können", sagt Kuffer.

© SZ vom 02.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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