Flüchtlinge in München:Kinderklinik will geflüchtete Pfleger einstellen

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Geflüchtete Kinder spielen kurz nach ihrer Ankunft in der Nähe des Hauptbahnhofs in München. Viele der Menschen aus Kriegsgebieten sind schwer traumatisiert. (Foto: dpa)
  • Der Direktor der Kinderklinik Schwabing fordert, dass die Asylverfahren beschleunigt werden, damit ausgebildete Kräfte unter den Flüchtlingen schneller arbeiten dürfen.
  • Ein Grund ist der Zustand vieler Flüchtlingskinder: Besonders viele leiden unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung.

Von Stephan Handel

Unter den Flüchtlingen, die seit Wochen in München ankommen, findet sich jede Menge ausgebildetes medizinisches Personal - Pflegekräfte, die die Münchner Kliniken dringend brauchen könnten. Deshalb fordert Stefan Burdach, Direktor der Kinderklinik im Schwabinger Krankenhaus, eine Beschleunigung der Verfahren, die ausländischen Krankenschwestern erlauben würden zu arbeiten.

Das ist nicht nur, aber auch wegen der Flüchtlingskinder ein großer Wunsch der Kliniken - allein im August hat die Schwabinger Klinik 172 solcher Kinder behandelt, 102 wurden stationär aufgenommen. Wie nicht anders zu erwarten, steht es um die Gesundheit der Ankommenden nicht zum Besten. Burdach berichtet von Malaria-Fällen, Tuberkulose und afrika-spezifischen Krebserkrankungen.

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Unter welchen Krankheiten viele Kinder leiden

Systematisch untersucht haben den körperlichen und psychischen Status der Kinder Volker Mall, Leiter des kbo-Kinderzentrums in Großhadern, und Peter Henningsen, Direktor der Klinik für Psychosomatik am Rechts der Isar. 103 Kinder zwischen drei Monaten und 14 Jahren aus Syrien wurden untersucht und befragt, die Ergebnisse stellten die Ärzte nun bei einer Pressekonferenz vor.

Neben erwartbaren körperlichen Erkrankungen - Atemwegs- oder Harnweginfektionen - fanden die Wissenschaftler eine erschreckende Anzahl von Kindern, die an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) oder einer Vorstufe dazu leiden. Bei 22 Prozent der Kinder wurde PTBS diagnostiziert, bei 16 Prozent fand sich eine Anpassungsstörung, die sich unbehandelt zur PTBS auswachsen kann.

Als Risikofaktoren für die Erkrankungen nennen die Ärzte die Erlebnisse im Heimatland - Krieg, Todesangst, Hunger, Folter -, auf der Flucht, aber auch nach der Ankunft in Deutschland: "Sie glauben, sie seien jetzt in Sicherheit", sagt Mall. "Aber wenn dann ein pöbelnder Mob vor der Tür steht, dann wirkt das auf diese Menschen retraumatisierend."

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Warum die Betreuung so schwierig ist

Gerade im Kindesalter ist die PTBS auch für Fachleute nicht leicht erkennbar. Mathias Wendeborn, Initiator der Hilfsorganisation Refudocs, will seinen Ärzten Fragebögen an die Hand geben, mit deren Hilfe sie bei den Erstuntersuchungen potenziell gefährdete Patienten erkennen können. Das ist dringend notwendig, sagt Franz Joseph Freisleder, Direktor der Heckscher-Klinik für Jugendpsychiatrie: Dort verdoppelt sich jedes Jahr die Zahl der "unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge", die stationär aufgenommen werden.

Im Jahr 2013 waren es 44, vergangenes Jahr 81 - heuer wurde diese Zahl schon im August erreicht. Die Diagnosen reichen von Depressionen und Panikattacken bis zu handfesten psychotischen Symptomen wie Wahnvorstellungen oder Halluzinationen. Die Ärzte haben im Umgang mit diesen Patienten selbst noch zu lernen: Bei Selbstmordgefährdeten, sagt Freisleder, sei es vernünftig, sie zu ihrem eigenen Schutz in einer geschlossenen Abteilung unterzubringen. "Was aber, wenn dieses Gefühl des Eingesperrtseins ihn an eine Situation in seiner Heimat erinnert?"

Die psychologische Betreuung gefährdeter Flüchtlinge, gerade in jungen Jahren, sei jedenfalls unabdingbar, sagt Peter Henningsen. Sonst seien die Folgen nicht absehbar: "Ohne Stabilität gibt es keine Integration."

© SZ vom 19.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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