Ebersberg:Kirche will lieber Geld als Flüchtlinge

Ebersberg: In der leerstehenden Alten Post in Parsdorf gibt es zwei große Wohnungen und einen Saal.

In der leerstehenden Alten Post in Parsdorf gibt es zwei große Wohnungen und einen Saal.

(Foto: Christian Endt)
  • Im Münchner Umland wird dringend nach Unterkünften für Flüchtlinge gesucht - im Landkreis Ebersberg stünde ein geeignetes Gebäude leer.
  • Das Gasthaus gehört der Kirche - und die will das Objekt lieber verkaufen.

Von Christian Endt, Ebersberg

Das Landratsamt sucht weiter dringend nach Möglichkeiten, die steigende Zahl von Flüchtlingen unterzubringen. Auch auf einer Informationsveranstaltung für ehrenamtliche Helfer rief Stefanie Geisler, Leiterin der Abteilung Soziales, wieder dazu auf, alle geeigneten Gebäude und Räume zu melden. Prompt fragte ein anwesender Helfer aus Parsdorf, warum denn das dortige Gasthaus "Alte Post" nicht genutzt werde. Das stehe seit einiger Zeit leer und sei noch dazu in Kirchenbesitz.

Stefanie Geisler steht auf der Bühne und wirkt zerknirscht. Man habe bei der Diözese angefragt. Die Antwort sei gewesen, das Gebäude stehe nicht zur Verfügung. Mehr sagt Geisler nicht zum Thema. Ihr Blick jedoch verrät Unverständnis.

Mindestgebot: 368 000 Euro

Stattdessen versucht die Kirche seit Monaten, das Gebäude mit 1258 Quadratmetern Nutzfläche zu verkaufen. Schon im August vergangenen Jahres hatte der letzte Wirt die Pacht überraschend gekündigt. Im Dezember wurde dann bekannt, dass ein Verkauf geplant sei.

Im Frühjahr beauftragte das Ordinariat die Kreissparkasse mit der Suche nach einem Käufer. Seitdem ist der Hof auf gängigen Immobilienportalen im Internet zu finden. Verkauft wird an den Höchstbietenden, wobei das Mindestgebot bei 368 000 Euro liegt. Dazu kommt ein Erbbauzins von 32 583 Euro pro Jahr, da das Grundstück in Kirchenbesitz verbleiben soll. Zunächst gab es für Interessenten eine Frist bis Ende Juli, um Angebote abzugeben. Das Interesse war gering, die Frist wurde verlängert.

Unterdessen hat der Papst persönlich seine Kirche aufgerufen, den Flüchtlingen zu helfen. Jede Gemeinde solle mindestens eine Familie aufnehmen, forderte Franziskus am 6. September. Eine Umfrage der SZ ergab vergangene Woche, dass die meisten Pfarreien im Landkreis allerdings keine Möglichkeit sehen, dem nachzukommen: Dafür gebe es keinen Platz, alle Räume werden genutzt, heißt es vielerorts zur Begründung.

Eine Ausnahme bildet Poing, wo 13 männliche Asylbewerber im alten Pfarrhofwohnen. Bei den Verhandlungen zu dieser Immobilie sei auch über den Gasthof in Parsdorf gesprochen worden, sagt Landratsamtssprecherin Evelyn Schwaiger. Es hat also eine Anfrage gegeben, wenn auch nur mündlich. Diesem Anliegen sei jedoch eine Absage erteilt worden. Aus welchen Gründen die Alte Post nicht zur Verfügung steht, habe die Diözesanverwaltung nicht weiter erläutert, so Schwaiger.

Beim Erzbistum München und Freising kann sich an das Gespräch niemand erinnern: "Von einer solchen Anfrage ist uns nichts bekannt", teilt die Pressestelle des Ordinariats mit.

Der Pfarrer hält den Gasthof für ungeeignet

Innerhalb des Kirchenapparats ist die Kirchenstiftung der Kuratie Neufarn der Eigentümer der Alten Post. Zuständig ist somit der Vaterstettener Pfarrer Thomas Kratochvil. Man habe bereits eine Flüchtlingsfamilie im Baldhamer Pfarrhaus aufgenommen. Die Alte Post dagegen hält Kratochvil als Unterkunft für ungeeignet, da nur rudimentäre Sanitäreinrichtungen vorhanden seien. Wobei sich die Frage stellt, ob die Ausstattung wirklich schlechter sein kann als in den drei Turnhallen, die im Landkreis inzwischen als Flüchtlingsunterkunft herhalten müssen.

Zumal der Gasthof nicht nur aus der Gaststätte selbst, einem großen Saal samt Toiletten und Küche sowie Lagerräumen besteht, sondern auch noch zwei Wohnungen beinhaltet. "Eine Familie hätte man da vielleicht schon unterbringen können", räumt Pfarrer Kratochvil ein, "aber das sind ganz einfache Dienstwohnungen." Laut dem Exposé, das die Kreissparkasse an Kaufinteressenten verschickt, sind die beiden Wohnungen 123 und 110 Quadratmeter groß. Auf den Fotos sind großzügige Räume mit Holzböden und vollausgestattete Badezimmer zu sehen.

Als der Verkauf beschlossen wurde, sei die Not bei den Flüchtlingsunterkünften noch nicht so groß gewesen, argumentiert Kratochvil. Inzwischen gebe es einen Kaufinteressenten: "Die Gespräche sind sehr weit, wir stehen kurz vor Vertragsabschluss."

Der Landkreis hätte Miete gezahlt

Einen Vertrag hätte die Kirche auch mit dem Landratsamt haben können. Kirchenräume werden in der Regel nicht rein karitativ für Flüchtlinge bereitgestellt, vielmehr zahlt der Landkreis dafür eine Miete. Dem Klerus erschien die Verkaufsvariante offenbar lukrativer. "Wir sind froh, wenn das Objekt bald geklärt ist", sagt Pfarrer Kratochvil.

Im Exposé heißt es: "Die Nutzung des Anwesens soll in vorgenannter Weise fortgeführt werden." Der Gasthof soll also ein Gasthof bleiben. Vielleicht serviert ein neuer Wirt bald wieder Weißbier und Schweinebraten in der Alten Post. Im Landratsamt bereitet man sich derweil darauf vor, die Turnhallen vier und fünf für Flüchtlinge herzurichten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: