Flüchtlinge:Die Tränen von Brigitte Meier

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Münchens Sozialreferentin Brigitte Meier gilt als kühle Pragmatikerin. In der SPD-Bundestagsfraktion sprach sie über in München ankommende Flüchtlinge - und verlor die Fassung.

Kommentar von Thomas Schmidt

Es ist eine hohe Kunst, sich aalglatt um Wesentliches zu schlängeln. Besonders Politiker stehen in dem Ruf, echte Meisterschaft in dieser Disziplin erreicht zu haben. Wird es mal wieder teurer für den Steuerzahler, dann schwadroniert mancher Politiker gerne darüber, dass der Bürger einfach mehr Eigenverantwortung übernehmen müsse. Und wenn Flüchtlinge abgeschoben werden, heißt es, sie würden in ihr Heimatland zurückgeführt. Klingt ja gleich viel menschenfreundlicher.

Je klarer die Kante, desto bedrohlicher die politische Fallhöhe. Deshalb verstecken sich einige hinter Euphemismen, andere hinter Paragrafen. Zu letzterer Gattung gehört meist Münchens Sozialreferentin Brigitte Meier. Die SPD-Frau gilt als gnadenlos pragmatisch. So sehr, dass gerade Sozialdemokraten ihre Rechtstreue mitunter als herzlos empfinden. Ein inoffizieller Mitschnitt der Kommunalkonferenz der SPD-Bundestagsfraktion am vergangenen Dienstag in Berlin aber zeichnet ein anderes, ein bewegendes Bild von ihr. Das Video landete im Internet. Es zeigt: Verzweiflung.

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Es geht um das Thema Flüchtlinge, Thomas Oppermann, Chef der SPD-Bundestagsfraktion, leitet die Sitzung. Und Meier kämpft mit den Tränen. "Wenn jetzt die Grenzen aufgemacht werden, und wir die Züge nicht weiterleiten können, dann können wir für die Sicherheit in München nicht mehr garantieren", bricht es aus ihr heraus. "Wo ist das Drehkreuz? Wo ist das Drehkreuz? Seit 14 Tagen sagen wir, wir brauchen das nächste Drehkreuz. Es ist immer noch nicht da! Und ich weiß nicht, wie ihr euch das vorstellt!" Meier schwadroniert nicht, ihre Stimme überschlägt sich, ihre Halsschlagader schwillt. "Wir stemmen es nicht mehr!", ruft sie, und ihre Lippen zittern.

Verzweiflung will kein Politiker zeigen, erst recht nicht vor den Medien. Meier war verzweifelt. Sie hatte guten Grund dafür. Dass sie öffentlich das Bild transportierte, die Stadt habe die Lage weitgehend unter Kontrolle, war klug - alles andere hätte Panik geschürt. Dass sie parteiintern die Situation ungeschönt hinausrief, war ebenfalls klug. Und mutig. Inzwischen hat sich die Lage entspannt, die meisten Züge mit Flüchtlingen halten nicht mehr in München. Brigitte Meiers klare Worte werden dabei nicht geschadet haben.

© SZ vom 21.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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