Kritik:Ehezoff mit Belcanto

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Jennifer O'Loughlin bezirzt als Rosalinde mit Diven-Selbstironie. Ihr Ex-Lover Alfred (Lucian Krasznec) betört mit Tenorglanz. (Foto: Christian POGO Zach)

Komische Überrumpelung: Josef E. Köpplinger inszeniert am Gärtnerplatztheater "Die Fledermaus".

Von Klaus Kalchschmid, München

Einer reichlich durchgeknallten Ehe-Farce mit geistsprühend ironischer Musik beizuwohnen, fühlt sich derzeit eigenartig an. Aber weil Josef E. Köpplinger "Die Fledermaus" von Johann Strauss in den 1920er-Jahren spielen lässt (Bühne: Rainer Sinell, Kostüme: Alfred Mayerhofer) und alles auf Übertreibung setzt, funktioniert das Ganze als komische Überrumpelung.

Die Welt ist buchstäblich aus den Fugen und jede Wand und jede Tür irgendwie schräg und gekippt. Im ersten Akt sehen wir ein Jagdzimmer mit allerlei Geweih an der Wand, das "Büro" des Gefängnisdirektors Frank im dritten Akt ist endgültig aus dem Lot geraten und vollgemüllt mit Papier. Einzig das schneebedeckte Wiener Denkmal von Johann Strauss als Stehgeiger im französischen Heckengarten des zweiten Akts steht aufreizend gerade und dient auch immer wieder als phallisches Objekt der Begierde.

Es ist das Fest von Prinz Orlofsky, eines weißgekleideten reichen Schnösels, der das Lachen verlernt hat und dem hier einzig Russisch Roulette noch Spaß zu machen scheint. Ausgiebig fuchtelt er mit der Pistole herum und gibt auch schon mal Warnschüsse ab. Emma Sventelius füllt diese (Hosen-)Rolle mit fast schneidendem Mezzo perfekt aus. Da hat auch der ihm verfallene "ständige Begleiter Iwan" keine Chance, trotz des verführerischen Spiels eines schmucken Kerls wie Alexander Jürgens.

Höhepunkt ist eine Buster-Keaton-Slapstick-Nummer

Dennoch hängt dieser Akt, der draußen im Schnee spielt, ein wenig durch. Das Ballett der Fledermäuse sprüht nicht gerade vor Erotik, aber natürlich machen die berühmten Musiknummern Furore, etwa das Couplet "Mein Herr Marquis", in dem Adele beweisen will, dass sie kein Stubenmädl sei. Ilia Staple singt das brillant, spielt mit herzerfrischend frecher Derbheit und mischt in ihre Dialoge immer wieder einen schmutzigen Unterton oder ein dreckiges Lachen. Rosalinde dagegen zementiert mit einem Csárdás ihre vorgegaukelte ungarische Abstammung: Jennifer O'Loughlin gelingt das mit viel Diven-Selbstironie famos, denn wer am Gärtnerplatztheater die Belcanto-Queen ist, für den ist das hier die Spitzen-Ton-Kür.

Lucian Krasznec, hier wie dort ihr (Ex-)Lover, verführt sie als Alfred nicht nur physisch, indem er sich ("Mir ist warm!") die Kleider vom Leib reißt und sie in Unterwäsche plus Fliege um den Hals bedrängt, sondern er lässt sie dahinschmelzen durch betörenden Tenorglanz. Ihn serviert er in herrlich geschmetterten Arien-Zitaten bis hin zum "Vincèro" von "Nessun dorma", bei dem das ganze Orchester unter Anthony Bramall einstimmt!

Da hat es Rosalindes Gatte Gabriel von Eisenstein in Gestalt von Daniel Prohaska schwer, zumal er auf dem Fest nichts anbrennen lässt, die Gattin schäumt und die Scheidung einreichen will. Das löst sich bekanntlich ("Champagner hat's verschuldet!") am Ende in Luft auf. Und wie Prohaska sich im ersten Akt mit Dr. Falke (Daniel Gutmann) statt auf Arrest auf das Fest einstimmt, ist Komödie at its best. Die Gags von Gefängnisaufseher Frosch (Michael Dangl) sind die altbekannten, aber die funktionieren wie "Dinner for one" immer wieder. Höhepunkt ist freilich die exzellente Buster-Keaton-Slapstick-Nummer des sturzbesoffen in sein Büro torkelnden Gefängnisdirektors Frank (Reinhard Mayr).

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