Festival "Nürnberg Pop":Zusammen ist man weniger klein

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Das Indie-Festival "Nürnberg Pop" ist längst zu einem Pflichttermin für Talentscouts geworden. Die zehnte Ausgabe fällt aufgrund der Corona-Ausnahmesituation anders aus als geplant - und setzt auf die starke, regionale Szene

Von Michael Zirnstein

Normalerweise könnte David Lodhi nun Erstaunliches erzählen aus zehn Jahren "Nürnberg Pop": Wie er damals nach einem Auftritt seiner Band Wrongkong auf dem "Reeperbahn Festival" die Idee hatte, so etwas auch in Nürnberg aufzuziehen, ausgerechnet oder eben gerade in der "langweiligsten Großstadt Deutschlands", wie jemand damals sagte. Und wie der Plan tatsächlich aufging und "Nürnberg Pop" zu genau so einem anspruchsvollen Indie-Festival wurde, nicht so riesig wie der Marktführer in Hamburg, aber prima vernetzt in ganz Europa, ein Pflichttermin für Talentscouts, ein Impulsgeber durch seine eigene Branchen-Konferenz, ein Nachwuchs-Exzellenzzentrum mit dem vom Bund geförderten "Startschuss"-Projekt, ein Ort für Entdeckungen. Und die sind für Lodhi, der sonst das Programm im Club Stereo organisiert, und sein Team das Wichtigste, wie eine seiner Lieblingsgeschichten verdeutlicht: 2016 fiel kurzfristig eine Band aus und er musste Ersatz suchen. Er schickte die ersten drei Songs auf dem Portal "Soundcloud" einer ihm vielverheißenden Gruppe in die Runde und sicherte seinem Festival so das erste Deutschlandkonzert der just aus Australien nach Berlin umgezogenen Parcels. Für die 200 Anwesenden ein "unvergesslicher Abend" mit dieser längst weithin gefeierten Band.

Historisch wird auch die Jubiläumsausgabe von "Nürnberg Pop" am Freitag und Samstag, 9. und 10. Oktober - allerdings aufgrund der allgemein problematischen Corona-Ausnahmesituation. Viele Wünsche hätten Lodhi und seine Mitstreiter sich und den Stammbesuchern zum runden Geburtstag erfüllen wollen, hatten schon "deutschsprachige und internationale Highlights" gebucht, die er aber nicht verraten möchte, weil sie wohl alle 2021 zum Nachfeiern kommen werden. Dann kam Corona samt Reise- und Publikumsbeschränkungen, und das Festival-Team musste abspecken und Improvisations-Konzepte mit den Behörden der Stadt erarbeiten: Die 13 Konzerte an vier Orten wie dem Korns's, der Katharinenruine, dem Hinz X Kunz und dem Apollo Kino sind nun kleiner, bestuhlt und nicht alle nach Belieben zu besuchen, sondern immer zu Paketen gebündelt. "Es stand für uns aber nicht zur Diskussion, es nicht zu machen", sagt Lodhi. "Es ist die Welt, die wir alle mitaufgebaut haben, in der unsere Kultur, unsere Popkultur, eine elementare Rolle spielt", steht auf der Festival-Internetseite, "sie darf nicht in Vergessenheit geraten." Warum, das erklärt Lodhi damit, dass Pop der "Atem und das Seelenleben einer Gesellschaft" sei. Gerade jetzt in dieser Live-Kultur-armen Zeit sei es also wichtig, "einen Lichtblick auszusenden".

Dieser Lichtstrahl bündelt sich diesmal und trifft ausnahmslos die regionale Szene. Was kein Nachteil ist, sondern immer schon wichtigster Fokus von "Nürnberg Pop". Alle 13 Künstler des Festivals kommen aus dem Freistaat. Das sei ein "Spiegel des aktuell möglichen", sagt Lodhi. Das ist zugleich aber auch eine Demonstration der Kraft dieser Szene: "Diebayerischen Newcomer sind gerade bockstark, da ist Qualität da, und alle haben richtig Bock zu spielen, auch weil sie durch unser Festival Reichweite bekommen." Die haben das superkreative Elektro-Pop-Duo Umme Block aus München, die Regensburger Indiepop-Aufsteiger Telquist (Nummer 1 der Uni-Radio-Charts) sowie die weit gereiste Balladen-Queen Lilly Among Clouds (hier im Akustik-Duo mit Cello) aus Würzburg bereits. Das Posthardcore-Quartett Apaath aus dem mittelfränkischen Rügland dürfte die Aufmerksamkeit durch den weltweiten Festival-Stream aber ebenso nutzen können wie die Würzburger Paar-Popper Hannah & Falco und die niederbayerische Liedermacherin Karin Rabhansl, die sich für das neue Duo Fischer & Rabe mit der Nürnberger Kollegin Jules Fischer vereint hat.

Überhaupt war die Nürnberger Pop-Szene wohl noch nie so geballt versammelt wie hier: etwa das Elektro-Duo Apanorama, Songwriter-Hoffnungen wie Elena Steri, Laura Heller und John Steam jr., die Radioheads aus Nürnberg Leak und die Alternative-Country-Band The Green Apple Sea, die im Programm noch als "scheu" angepriesen wird.

Diese Zurückhaltung ist durchaus ein Thema, auch bei der angeschlossenen "Nürnberg Pop Konferenz", wo alle Runden live gestreamt werden. "Nürnberg und die Nachtkultur - (k)eine Liebesgeschichte?", heißt so eine Sitzung, die sich eben auch mit der Pop-Identität der Stadt befasst, die derzeit angespannt auf die Ernennung zur Kulturhauptstadt Europas wartet. "An soziokulturellen Orten, wo sich Musiker frei entfalten können", jedenfalls fehle es weit, sagt David Lodhi, der hier seit mehr als 20 Jahren als Kulturschaffender aktiv ist. Andere Runden diskutierten freilich das akute Problemfeld "Kultur & Corona", auch diese breit und prominent besetzt. "Dass Kunstminister Bernd Sibler zugesagt hat, hat uns saumäßig gefreut", sagt Lodhi und fordert, "die Politik muss auch auf unsere Branche achten." Nicht zuletzt davon hängt - wie von erhofften Spenden - die Zukunft des "Nürnberg Pop" ab.

Nürnberg Pop, Festival und Konferenz , Freitag und Samstag, 9. und 10. Oktober, Stream-Links unter www.nuernberg-pop.com

© SZ vom 08.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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