Kritik:Weniger ist mehr

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"Fazer" und "Liun & The Science Fiction Band" in der Muffathalle.

Von Oliver Hochkeppel, München

Während des Lockdowns habe zur Vorbereitung des neuen Albums (das im kommenden Januar erscheint) jeder die Aufgabe mitbekommen, einen Vorschlag zu machen, was man neu machen könne, berichtet Gitarrist Paul Brändle von der Band Fazer. Es sei dann aber erstaunlicherweise das Meiste beim Alten geblieben. Davon konnte man sich jetzt beim Heimspiel in der Muffathalle überzeugen, das etwa zur Hälfte aus Bewährtem und zur anderen aus neuem Material bestand: Nach wie vor ist das von Simon Popp ausgetüftelte Doppelschlagzeug und -perkussion mit Sebastian Wolfgruber der Motor des Quintetts, Trompeter Matthias Lindermayr und Brändle sind für die betont weichen und lyrischen, mal auch hymnischen Melodielinien zuständig, und Bandleader Martin Brugger bastelt die Basslinien und das grobe Arrangement. Never change a winning system, möchte man da sagen, Fazer hat so den unverwechselbaren Sound zwischen Ambient, Latin, Pop und Jazz entwickelt und bewahrt. Zur Freunde des offenkundig mit der Band vertrauten Publikums.

Von denen hätten ruhig ein paar mehr schon beim ersten Teil des Abends die spärlich besetzte Halle füllen dürfen. Ist doch das Berliner Quintett Liun & The Science Fiction Band um die Schweizer Sängerin Lucia Cadotsch und den Saxofonisten und Keyboarder Wanja Slavin mindestens so interessant und unverwechselbar. Schlichte Melodien und Themen werden von ihnen mit Spannung, Druck und Sounds aufgeladen; auch bei ihnen hat die Science Fiction einen Retro-Aspekt: Manches erinnert an das, was man Ende der Siebziger-, Anfang der Achtzigerjahre kurz "Decadence Rock" genannt hat, bevor der vom Wave überdeckt wurde. Insgesamt wirkt dieses Projekt, als hätten sich hochvirtuose Jazz-Artisten gedacht, warum kompliziert, wenn es auch einfach geht. Wobei dank ihres Könnens und ihres Geschmacks nie die Pop-Gefahr besteht, ins Triviale abzugleiten. Ein rundum genussvolles Doppelkonzert also, bei dem weniger definitiv mehr ergab.

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