Kurzkritik:Großer Bühnensport

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Die herrlich lakonische Eva Karl-Faltermeier mit ihrem zweiten Soloprogramm "Taxi. Uhr läuft" im Lustspielhaus.

Von Thomas Becker

Gerade als er schon fast eine Stunde lang weg gewesen ist und man bereits eine Vermisstenmeldung aufgeben will, taucht er doch wieder auf, der rote Faden. Und das mit Macht! Innerhalb weniger Sätze erfährt der Abend nun eine Zuspitzung, die man ihm nicht zugetraut hatte. Die es auch gar nicht zwingend gebraucht hätte, um nicht auch so beseelt das Lustspielhaus zu verlassen. Aber so billig lässt einen Eva Karl-Faltermeier (Regie: Caro Redka) nicht wegkommen. Hinten raus dreht sie nochmal kräftig am Realitäts-Schalter, plötzlich sind John Lennon und ein Todeskäfer im Spiel, und einmal mehr beweist die Oberpfälzerin da, was für ein Segen sie doch für ihre Zunft ist. Man freut sich jetzt schon auf die nächsten Premieren, weil klar ist: Sie wird uns mit jeder einzelnen wieder überraschen.

Pünktlich zum ersten Lockdown hatte die Enddreißigerin ihren Job gekündigt, um sich als Kabarettistin zu versuchen, und tough wie die alleinerziehende Mutter zweier Kinder nun mal ist, schnupfte sie auch die Unbillen der Pandemie weg und gab eben nicht auf. Kreierte einen Podcast, schrieb ein Buch, textete für "Ringlstetter", heimste Preise ein wie den Prix Pantheon, bekommt mit "Karlsplatz" von Mitte Januar an eine eigene BR-Show und hat nun mit "Taxi. Uhr läuft" ihr zweites Soloprogramm hingelegt. Das ist nicht nur klug, sondern auch mutig, nimmt sie sich doch auch Themen an, über die Viele lieber nichts hören wollen, Hashtags Proktologe, Urineimer, Damenbinden. Am alten, weißen Mann kommt sie nicht vorbei, lässt den Ex-Mann sehr lange sehr schlecht aussehen und macht auch vor den Kindern nicht halt: der Sohn ein Jung-Liberaler, die Tochter "a Preiss" - da hilft nur noch Teufelsaustreibung!

Man hört dieser herrlich lakonischen Frau gebannt zu, glaubt ihr beinahe alles, wundert sich nur, wie eine Oberpfälzerin auch mal so krass aus sich herausgehen kann. Und wie sie am Ende nochmal die Kurve kriegt, wie jeder Satz sitzt und wirkt. Großer Bühnensport.

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