Energieversorgung:Es bleibt hochspannend

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Besuch aus München: In Ottenhofen informiert Johann Auerweck von der BI (rechts) über den geplanten Trassenverlauf. Unter den Zuhörern sind die beiden Mitglieder des Wirtschaftsausschusses, MdL Steffen Vogel (3.von rechts) und MdL Volkmar Halbleib (4. von rechts). (Foto: Stephan Görlich)

Der Bau einer 380-Kilovolt-Leitung über Ottenhofener Grund sorgt für Ärger. Zwei Landtagsabgeordnete sehen nach einem Ortstermin durchaus Vorteile in der Alternativstrecke der lokalen Bürgerinitiative. Die Einschätzung der beiden Besucher ist wichtig, denn sie werden dem Wirtschaftsausschuss Bericht erstatten - und der berät über die Petition der BI.

Von Regina Bluhme; und Merlin Wassermann, Ottenhofen

Es passiert nicht oft, dass zwei Mitglieder vom Wirtschaftsausschuss des Bayerischen Landtags zu einem Ortstermin fahren. Vor kurzem haben sich Volkmar Halbleib (SPD) und Steffen Vogel (CSU) in Ottenhofen im Landkreis Erding umgesehen, genauer gesagt am Reiterhof Steiler. Dort wohnt Johann Auerweck, einer der beiden Sprecher der Bürgerinitiative "Starkstromleitung ja, aber mit Abstand zu Ottenhofen und Neuching/Lausbach". Die BI kämpft gegen die von Netzbetreiber Tennet favorisierte Trasse für einen Ersatzneubau der über 50 Jahre alten Leitung. Insgesamt verläuft die neue 380-Kilovolt-Leitung auf 50 Kilometern durch die Landkreise Erding, Freising, Dachau und München. Die Petition der BI wird Ende Januar 2023 im Wirtschaftsausschuss verhandelt, wo dann Halbleib und Vogel von ihren Eindrücken Bericht erstatten. Und von der Tennet-Route bei Ottenhofen waren sie am Mittwoch nicht überzeugt.

Die Petition fällt aus dem Rahmen

Er könne sich nicht erinnern, in den vergangenen zehn Jahren einmal für den Wirtschaftsausschuss auf einen Ortstermin gefahren zu sein, sagte Steffen Vogel in Ottenhofen. Diese Petition falle aus dem Rahmen, ergänzte Volkmar Halbleib, denn im Raumordnungsverfahren hat die Regierung von Oberbayern sowohl für die von Tennet favorisierten Trasse nahe am Bestand als auch der Alternativtrasse "Finsinger Holz" grünes Licht erteilt. Über Wochen hatte Tennet daraufhin die beiden Trassen erneut untersucht - und vor wenigen Tagen bekannt gegeben, dass das Unternehmen mit der von ihm favorisierten Trasse ins Planfeststellungsverfahren gehen will.

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Eines der Hauptargumente von Tennet: Bei der Variante "Finsinger Holz" wäre für mehrere Monate eine provisorische Leitung mit fünf Stromkreisen nötig (bei der anderen Strecke seien es nur zwei). Diese meterhohen "Tore" hätten nebeneinander eine Breite von gut 200 Metern und würden auf einer Länge von fünf Kilometern zwischen der Bestandsleitung und dem westlichem Ortsrand von Ottenhofen gebaut. Beim Ortstermin nun präsentierte Johann Auerweck eine andere Berechnung. Sehr vereinfacht gesagt, lautet diese: Ein Provisorium sei gar nicht nötig, wenn während der Bauzeit parallel an den Leitungen gearbeitet und nicht die von Tennet vorgesehene Kreuzungstechnik angewendet werde.

Dass der Vorschlag der BI technisch möglich ist, bestritten die Vertreterinnen von Tennet nicht

Dass der Vorschlag der BI technisch grundsätzlich möglich ist, bestritten die beiden Vertreterinnen von Tennet nicht. Gesamtprojektleiterin Stephanie Kießkalt, die nach eigenen Worten hier zum ersten Mal von diesem Vorstoß erfahren hatte, erklärte, Tennet werde diese Option prüfen. Gleichwohl verwies sie darauf, dass der Ersatzbau einer Starkstromleitung ein sehr kompliziertes Verfahren sei. Auf der insgesamt 50 Kilometer langen Strecke gebe es noch drei weitere Bauabschnitte, davon ließe sich nicht einfach ein lokaler Bereich abtrennen.

Ein weiterer strittiger Punkt ist der Bannwald, der auf der Trasse der BI liegt. Die BI-Trasse übers Finsinger Holz könne zwar überspannt werden. Dazu wären laut Tennet allerdings insgesamt sechs Masten von 90 Metern Höhe nötig. Zudem müssten voraussichtlich zwei Masten im bislang unbelasteten Bannwald platziert werden. Wie hoch sind jetzt die Masten im Bestand?, erkundigten sich die Landtagsabgeordneten. In Höhe Brandl Gemüsehof und Steiler sind es laut Auerweck aktuell 75 und 70 Meter. Beim Neubau werden wohl noch zehn Meter dazu kommen.

Bis zu 21.000 Bäume würden für die Alternativstrecke gepflanzt, betont die BI

Johann Auerweck betonte, die künftige bestandsnahe Trasse verlaufe sehr nah an zwölf Wohnbebauungen und Betrieben vorbei, teilweise 30 und 44 Metern von Wohngebäuden entfernt. Bei der Alternativtrasse befinde sich keine Wohnbebauung unter den erforderlichen 200 Metern Mindestabstand. "Betroffenheit: Null". Eine Rodung des Bannwaldes "Finsinger Holz" sei auch nicht nötig, sagte der zweite BI-Sprecher Robert Riexinger aus Lausbach, Gemeinde Oberneuching. Es würde sich sogar die Chance bieten, den Bannwald zu erweitern, bis zu 21.000 Bäume sollen angepflanzt werden.

Was laut BI noch für die Alternativtrasse spricht: Sie ist, gesehen auf die Gesamtstrecke, um 1,6 Prozent kürzer, "die Allgemeinheit wäre durch weniger Netzentgelt entlastet", so Auerweck. Halbleib und Vogel zeigten sich gegenüber Tennet sehr kritisch. Das Unternehmen sollte bei der Trassenwahl auch bedenken, "dass Sie hier einsatzbereite Kläger haben, die sehe ich nicht für die Trasse über den Bannwald", so Halbleib. Beide Landtagsabgeordneten bezweifelten, ob es überhaupt sinnvoll sei, auf "einer politisch nicht gewollten Trasse, die in einer Petition angegriffen wird", zu beharren. Vielmehr sollte das Unternehmen zusammen mit den Petenten nach einer Lösung für "eine Befriedung der Situation" suchen, "die den Menschen vor Ort eine echte Option bietet".

Das Unternehmen müsse schon "sehr, sehr gute" Argumente liefern, so die Abgeordneten

Beide Landtagsabgeordneten forderten von Tennet, nochmals alle Fakten "wasserdicht" für den Ausschuss zusammenstellen. Das Unternehmen müsse dabei "sehr, sehr gute Argumente liefern", warum an der favorisierten Trasse festgehalten werde. Die Tendenz bei der Berichterstattung an den Ausschuss "ist eindeutig", so Halbleib.

Das Interesse an der Stromtrasse bei Ottenhofen ist offensichtlich groß. Auch die Landtagsabgeordneten Johannes Becher (Grüne), Benno Zierer (FW) und Nikolaus Kraus (FW) waren vor Ort und äußersten sich sehr kritisch über die Tennet-Trasse. Unter den Zuhörern war auch Alexandra von Loeffelholz, stellvertretende Leitung des Sachgebiets Regionalplanung der Regierung von Oberbayern, Stephan Albert, stellvertretender Referatsleiter Raumordnung des Bayerischen Wirtschaftsministeriums sowie Gerhard Stock, Kreis-Geschäftsleiter des Bayerischen Bauernverbands.

Nicht ganz reibungslos verlief am vergangenen Mittwoch auch ein weiterer Termin für Tennet. Eine 200 Tonnen schwere Kompensationsspule war am Umspannwerk Ottenhofen angeliefert worden. Eigentlich hätte der 70 Meter lange Schwerlasttransport bereits am Dienstagmittag ankommen sollen - das in den 1970er Jahren errichtete Werk wird derzeit saniert und für die Energiewende fit gemacht. Doch der Untergrund machte den Fahrern zu schaffen. Also musste der Transport gestoppt, Kies aufgeschüttet und Hochlastplatten aus Aluminium und Stahl ausgelegt werden, um die Fahrbahn zu verbreitern. Am Mittwochnachmittag war es dann schließlich soweit, der Transporter erreichte unbeschadet das Umspannungswerk. Die Inbetriebnahme der 380-Kilovolt-Schaltanlage für induktiven Blindstrom ist für das zweite Quartal 2023 geplant.

Der Schwertransport mit einer 200 Tonnen Spule für das Umspannwerk Ottenhofen wird über den Wirtschaftsweg an der Staudhammerstrasse angeliefert. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Weitere Infos unter johannauerweck.wixsite.com/my-site-3 oder Oberbachern-Ottenhofen - TenneT

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