Tierschutz:Magen voller Gummibänder - Jungstorch muss mit Not-OP gerettet werden

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Noch ein bisschen wackelig auf den Beinen: Nach der Operation erholte sich der Jungstorch zunächst in Isen (hier im Bild). Inzwischen lebt er in der Auffangstation des LBV in Regenstauf. (Foto: LBV Kreisgruppe Erding)

Im Landkreis Erding füttern Vogeleltern ihren Nachwuchs mit Plastikringen, weil sie die für Regenwürmer halten. Warum das immer wieder vorkommt und was der Mensch damit zu tun hat.

Von Regina Bluhme, Erding

In einem erbärmlichen Zustand ist vor kurzem in Langengeisling einer der dort aufgewachsenen vier Jungstörche auf einem Parkplatz gefunden worden. Das entkräftete Tier wurde in der Vogelklinik in Oberschleißheim operiert und dort zeigte sich schnell der Grund für den schlechten Zustand des Storchs: Im Magen fand sich jede Menge Plastikmüll. Leider kein Einzelfall.

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Eineinhalb Nierenschalen voller Gummibänder haben die Ärzte in der Vogelklinik der Ludwig-Maximilians-Universität aus dem Magen des Langengeislinger Jungstorchs geholt. Es sind Gummiringe, wie sie beispielsweise fürs Verschnüren von einem Bund Radieschen benutzt werden, erklärt Uschi Schmidt-Hoensdorf, Vorsitzende des LBV-Kreisverbands Erding. Diese Gummischnüre und -ringe landeten leider oft mit dem Obst- oder Gemüseabfall im Kompost. Im vergangenen Jahr erst sei im Landkreis ein Jungstorch aufgefunden worden, "den Schnabel voller Dreck und Plastik", so Schmidt-Hoensdorf, "wir konnten nichts mehr für ihn tun".

Beim Kompostierwerk in Eitting steht ein Riesenbüffet

Gab es in den 80er Jahren noch lediglich 60 Brutpaare, so werden laut LBV aktuell tausend in Bayern verzeichnet. Ein ausgewachsenes Tier frisst bis zu 1,2 Kilo am Tag, darunter Mäuse und Regenwürmer, aber leider auch geschützte Arten, wie Frösche oder Großlibellen. Es gibt also ganz schön viele Störche, die ganz schön viel fressen. Vor kurzem hat Schmidt-Hoensdorf auf einer Wiese Richtung Münchner Flughafen "grob gerechnet 60 Störche" auf der Suche nach Nahrung herumstaksen sehen. Wenn die Wiesen und Äcker zu wenig hergeben, dann bietet sich eben der Biomüll an - und in Eitting beim Kompostierwerk steht ein Riesenbüffet.

Große Vögel wie Störche hätten bei der Nahrungssuche "keine Hemmungen", weiß Uschi Schmidt-Hoensdorf. Die Störche sind nicht wählerisch, "sie halten die Plastikbänder für Regenwürmer", sagt Oda Wieding, LBV-Referentin für den Weißstorch. Beim Gasthof Pfanzelt in Langengeisling, wo der Jungstorch mit seinen drei Geschwistern lebte, ist zu erfahren, dass die Dachrinne "voller Gummiringe" ist. Wenn die Storcheneltern ihren Nachwuchs damit füttern, bringen sie ihn in große Gefahr.

Gerettet: Der Jungvogel aus Langengeisling während der Operation in der Vogelklinik. (Foto: Vogelklinik Ludwig-Maximilians-Universität München/oh)
Gruselig: Diese Menge an Gummiringen und noch mal ein halbe Schale voll davon wurde bei der Operation in der Vogelklinik in Oberschleißheim aus dem Magen des Jungstorchs geholt. (Foto: Vogelklinik Ludwig-Maximilians-Universität München/oh)

"Die Verbraucher sollten bitte immer gut trennen, auch keine Knochen- oder Fleischreste in den Grünmüll geben", betont Tierschützerin Uschi Schmidt-Hoensdorf. Aktuell berate der LBV zusammen mit Regierungsvertretern und Experten, wie die Tiere vor Plastikmüll besser geschützt werden könnten. Ein Gutachten soll unter anderem klären, ob ein Netz über Kompostbergen eine Lösung sein könnte - oder nicht weitere Probleme schaffe.

Uschi Schmidt-Hoensdorf könnte sich auch Müllkontrollen von Biotonnen als sehr effektiv vorstellen. Ähnlich wie beim Gelben Sack, der liegen gelassen wird, wenn er falsch bestückt ist. Eine nicht geleerte Mülltonne mit entsprechendem Infozettel, das würde schon einiges bewirken, so Schmidt-Hoensdorf.

Dem jungen Patienten geht es mittlerweile wieder viel besser

Dem Patienten aus Langengeisling geht es unterdessen zum Glück wieder besser. Weil er sich am Flügel verletzt hatte, waren ihm in der Vogelklinik gleich auch noch vier Federn, sogenannte Schwungfedern, entfernt worden. Nach der OP in Oberschleißheim verbrachte der Storch zunächst ein paar Tage in der Auffangstation in Isen. Uschi Schmidt-Hoensdorf nahm sich seiner an. Die Erholung schritt dabei so gut voran, dass es der Vogel - trotz getapten Flügels - über den Zaun des Geländes schaffte und recht zügig in Richtung Waldrand spazierte. "Wir haben ihn aber schnell wieder eingefangen", so die LBV-Kreisvorsitzende.

Nach drei Tagen in Isen ging es in die Auffangstation des LBV nach Regenstauf im Landkreis Regensburg. Dort fühlt er sich wohl, es geht ihm gut, wie Schmidt-Hoensdorf erfahren hat. Er wird zusammen mit weiteren Jungstörchen aufgepäppelt. Dabei zeigte sich, dass der Jungvogel aus Langengeisling durchaus nicht alles frisst, was ihm vorgesetzt wird. Als erstes erhielt er ein schnabelgerecht zerteiltes Hühnerbrustfilet, nachdem er das angebotene Katzen- und Hundefutter verschmäht hatte.

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