Dorfen:Eine Frau mit Mut und viel Durchhaltevermögen

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Marianne Ehrler, Gründerin und langjährige Leiterin des Dorfener Zentrums für Integration und Familie, geht in den Ruhestand. (Foto: Thomas Daller)

Marianne Ehrler, Gründerin des Dorfener Integrationszentrums, geht in den Ruhestand.

Von Thomas Daller, Dorfen

Marianne Ehrler, Gründerin und langjährige Leiterin des Dorfener Zentrums für Integration und Familie (DZIF) geht in den Ruhestand. Mitarbeiter und Ehemalige haben sie bei einer Überraschungsfeier geehrt und ihre großen Verdienste gewürdigt. Das DZIF ist im östlichen Landkreis eine wichtige Anlaufstelle für Migranten und Flüchtlinge. Es bietet nicht nur Integrations-, sondern auch Deutschkurse an und hat als Alleinstellungsmerkmal eine Kinderbetreuung, sodass junge Mütter entlastet werden, wenn sie die Kurse besuchen.

Das DZIF hilft nicht nur Flüchtlingen bei der Integration über die Sprache, sondern auch vielen Teilnehmern aus EU-Staaten, die ein gewisses Sprachniveau erreichen müssen, um eine Arbeitserlaubnis zu erhalten. Wie wertvoll die Arbeit des DZIF ist, hat sich insbesondere bei der Flüchtlingshilfe 2015 gezeigt und nun erneut bei den Flüchtenden aus der Ukraine.

Angefangen hat alles mit einem "Frauenfrühstück"

Begonnen hatte Marianne Ehrler 1996 mit einem "Frauenfrühstück" im evangelischen Gemeindezentrum. Alteingesessene, Zugezogene und ausländische Bürgerinnen kamen dort zusammen. "Manche ausländischen Frauen saßen nur mit dabei und haben gelächelt - weil sie kein Wort verstanden haben", erzählte Ehrler. "Daraus entstand dann der Wunsch nach einem Sprachkurs." Der Bedarf an Deutschkursen weitete sich schnell aus und das Angebot wurde um eine Hausaufgabenbetreuung für Kinder ausländischer Mitbürger erweitert.

Schließlich wurde ein Verein gegründet, damit Frauen, später auch Männer Deutsch lernen konnten. Heute bietet der Verein "Dorfener Zentrum für Integration und Familie" neben Hausaufgabenbetreuung und Nachhilfe Integrationskurse mit Abschlussprüfung und Kinderbetreuung für Mädchen und Buben bis zu drei Jahren an. Es gibt für Familien gemeinsame Frühstücke, Eltern-Kind-Gruppen, Konversationsgruppen und mehr. Die Kurse werden von qualifizierten Pädagogen geleitet.

Welle der Hilfsbereitschaft

Und doch traten immer wieder Probleme auf, an denen das ambitionierte Projekt beinahe gescheitert wäre. Denn nachdem die Stadt Dorfen 2013 dem Verein Räume in einem Gebäude am Kugelfang zur Verfügung gestellt hatte, stellte sich heraus, dass das Gebäude aus Brandschutzgründen weder für eine Kinderbetreuung noch für größere Gruppen genutzt werden darf. Als die Vereinsführung nahe daran war, aufzugeben, ging Ehrler an die Öffentlichkeit und wurde von einer Welle der Hilfsbereitschaft getragen. Schließlich fand man neue Räume an der Siemensstraße, die Stadt übernahm einen Teil der Mietkosten und viele Sponsoren halfen dem Verein, seine Arbeit in vollem Umfang wieder aufzunehmen.

Auch während der Pandemie musste das DZIF den Betrieb einstellen. Da sich der Unterricht hauptsächlich über die Kursgebühren finanziert, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bezahlt, blieb der Großteil der Einnahmen aus. Aber auch in dieser Situation kämpfte Ehrler um das DZIF und konnte ihr Lebenswerk über die Zeit retten. Für ihr Engagement wurde sie wiederholt ausgezeichnet: 2011 wurde sie für ihr Ehrenamt von der Landtagsfraktion der Bayern-SPD geehrt. 2013 wurde sie für ihr herausragendes gesellschaftliches und soziales Engagement von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) zum "VBW Champ" gekürt. In der Laudatio hieß es, sie sei eine "Heldin des Alltags", die in ganz besonderer, erfolgreicher und vorbildlicher Weise "Menschen dabei unterstützt, am gesellschaftlichen Leben in der Region teilzuhaben".

Eine große Tafel wartete auf sie

Die Überraschungsfeier zum Abschied war geglückt, Ehrler hatte man ohne Angabe von Gründen gebeten, zu einem bestimmten Termin ins DZIF zu kommen. Die Gründerin hatte bis zuletzt angenommen, es stünde wieder mal Arbeit für sie an oder ihr Fachwissen würde gebraucht. Dort aber wartete eine große Tafel auf sie, zu der fast alle aktuellen und ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erschienen waren, um sich von ihr zu verabschieden.

Der stellvertretende Bürgermeister Ludwig Rudolf lobte ihren Beitrag zu einem gesellschaftlichen Miteinander, für viele Kursbesucher und Flüchtlinge wäre die volle Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ansonsten nicht möglich. Es sei in "hohem Maße anerkennenswert, was Ehrler geleistet hat". Ihre ehemalige enge Mitarbeiterin Andi Widl attestierte ihr Mut, Tatkraft und Durchhaltevermögen: "Ruhestand ist nicht das Wort, das auf Dich zutrifft."

Vorstandsmitglied Dorette Sprengel sprach von einem außergewöhnlichen jahrzehntelangen Engagement: "Es ist ein kleines Wunder, dass wir noch hier sind." Von der Dorfener Flüchtlingshilfe überbrachte Josef Kronseder Grüße: Gerade in der aktuellen Situation mit den vielen Geflüchteten aus der Ukraine stehe man erneut vor großen Herausforderungen. Aber Marianne Ehrler habe ein gut bestelltes Feld hinterlassen: "Mir ist nicht bange. Wir kriegen das auf die Reihe."

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