Landratskandidat Hans Schreiner:"Poltern ist nicht meine Sache"

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Mit 62 Jahren stellt sich Hans Schreiner einer neuen Herausforderung. Ganz optimistisch betrachtet, rechnet er sich eine Chance von 50:50 ein, wie er sagt. (Foto: Renate Schmidt)

Der Bockhorner Bürgermeister tritt als Landratskandidat an. Jetzt spricht er über seine Motivation, seinen Stil - und seine Aussichten.

Von Thomas Daller und Florian Tempel

Die erste Überraschung ist schon mal geglückt. Nur ganz wenige hatten ihn als gemeinsamen Kandidaten von drei Parteien auf dem Zettel. Nun geht es für Hans Schreiner darum, dass ihn in den kommenden Monaten noch möglichst viele Menschen kennen lernen. Und am 15. März 2020 lautet dann die Frage: Wird er eine kleine Sensation schaffen und zum neuen Landrat gewählt?

SZ: Herr Schreiner, nach 18 Jahren als Bürgermeister wollten Sie "so selbstbestimmt wie möglich" mit der Kommunalpolitik aufhören. Und jetzt wollen Sie Landrat werden ?

Hans Schreiner: An Weihnachten habe ich mich entschlossen, nicht noch einmal als Bürgermeister anzutreten. Im Februar habe ich das im Gemeinderat bekannt gemacht und damit war es offiziell. Das hatte nichts damit zu tun, dass ich mir vorher schon Hoffnungen gemacht hätte, als Landrat zu kandidieren.

Die Idee eines gemeinsamen Kandidaten gab es aber schon länger.

Ein gemeinsamer Kandidat ist eine Option, die vor jeder Wahlperiode mal angesprochen wird, wenn man sich in den Fraktionen halbwegs versteht. Bloß wird es in den seltensten Fällen konkret. Erst als ich gesagt habe, dass ich als Bürgermeister aufhöre, bin ich ins Gespräch gekommen. Ich war eine Variante, es waren noch andere denkbar.

Waren an den Gesprächen von Anfang an Vertreter aller drei Parteien beteiligt?

Ja, das ist alles noch gar nicht so lange her. Das hat im März begonnen und die letzten Gespräche waren vergangene Woche.

War man sich schnell einig?

Es ist nicht unbedingt üblich, dass ein Landratskandidat nicht mit auf die Kreistagsliste seiner Partei geht. Die Freien Wähler haben das nicht gern gehört. Da hat man schon gesagt: Warum kandidierst du nicht einfach bei uns und die anderen können dann ja mitmachen. Ein Landratskandidat, der auch auf der Liste steht, bringt Stimmen. Dieses Privileg gibt jede Gruppierung nur ungern auf.

War dieser Verzicht eine Bedingung von Grünen und SPD?

Das war so, es war eine Bedingung von den Grünen und der SPD. Und ich muss zugeben, für mich hat es auch gepasst. Falls ich nach der Wahl ein durchgefallener Kandidat bin und dann im Kreistag sitze - direkt Spaß wäre das nicht.

Gibt man dem gemeinsamen Kandidaten so auch mehr Glaubwürdigkeit?

Es hilft auch, dass jede Gruppierung ihren eigenen Wahlkampf führen kann. Natürlich wird man sich nicht gegenseitig weh tun, aber unsere Positionen sind nicht identisch. Helga Stieglmeier hat es doch ganz treffend formuliert: In einem Landkreis wie dem unseren ist ein gemeinsamer Kandidat von den Freien Wähler leichter vermittelbar als einer von den Grünen oder der SPD. Das gilt vor allem für unsere Klientel.

Wer ist "unsere Klientel"?

Ich meine das konservative Lager. Man kann ja doch sagen, die Freien Wähler sind die entschärfte Version der CSU, die bürgerliche Mitte.

Haben Sie Bedingungen gestellt?

Mir war es wichtig, dass wir im Wahlkampf wirklich zusammenarbeiten. Wir müssen und wir werden klar machen, welche Positionen wir gemeinsam vertreten.

Was gehört für Sie dazu?

Ich sehe zum Beispiel den öffentlichen Nahverkehr als sehr wichtiges Thema. Das wollen die Leute auf dem Land nicht so gern wahrhaben, aber immer mehr Auto, das wird nicht gehen. Wir müssen in den ÖPNV investieren. Man muss den Menschen ein relativ gutes ÖPNV-Angebot bieten, damit sie es überhaupt als Alternative in Erwägung ziehen.

Mit Grünen und SPD verstehen Sie sich offenbar. Wie ist Ihr Verhältnis zur CSU?

Auch in Bockhorn gibt es eine starke CSU. Ich habe es aber geschafft, sie so einzubinden, dass wir hier sehr gut zusammenarbeiten. Es ist so, dass es letztlich an den Menschen liegt. Jeder Einzelne kann ein sehr netter Mensch sein. Aber die CSU ist sehr gut organisiert und wenn sie ihre Reihen schließt, dann wird es schwierig. Das ist die Stärke der CSU.

Wie ist Ihr Verhältnis zum Landrat und Kreisvorsitzenden der CSU, Martin Bayerstorfer?

Wir sind beide Profis, die miteinander umgehen können. Aber mich hat die Klage gegen den Grünen-Kreisrat Stephan Glaubitz stark beschäftigt. Es kann passieren, dass einer in einer Sitzung mal etwas unglücklich formuliert, dass muss passieren dürfen. Doch dass man daraus einen Strick gedreht bekommt und so vorgeführt wird, hat mir sehr weh getan.

Sie waren doch nur Außenstehender?

Der Kreistag muss ein Raum sein, wo man sich frei äußern kann und darf. So ein Gremium soll die Gesellschaft widerspiegeln und jedes Mitglied muss die Möglichkeit haben, seine eigenen Ansichten zu äußern, auch wenn es mal nicht meiner Meinung entspricht. Dann nimmt man das eben mal zur Kenntnis und macht weiter! Das hat hier nicht funktioniert und das kann ich nicht verstehen.

Hat der Fall Glaubitz Ihnen einen zusätzlichen Schub gegeben, mit Ihrer Kandidatur zu versuchen, dass es im Landkreis Erding zu einem Politikwechsel kommt?

Auf alle Fälle. Man muss schon sagen, in den 18 Jahren Bayerstorfer ging es dem Landkreis nicht schlecht. Alles in allem läuft es, aber der Ton ist viel rauer geworden. Es geht um menschliche Aspekte.

Sie werden allseits gelobt, ein Mensch mit einer kooperativen Grundeinstellung zu sein. Können Sie auch Konfrontation aushalten?

Das wird sich jetzt herausstellen, bisher konnte ich das. Aber klar, wenn man es so nimmt, ist es vielleicht eine Schwäche von mir: Das laute Poltern und richtige Ausstreiten ist nicht meine Sache.

Direkt harmoniebedürftig und konfliktscheu sind Sie aber auch nicht?

Nein, sonst hätte ich die 18 Jahre als Bürgermeister nicht überstanden. Es ist ja nicht so, dass der Bockhorner Gemeinderat eine Kuschelzone ist. Aber ich kann mir schon vorstellen, wenn es in den harten Konflikt geht, ist der Herr Bayerstorfer sicher gestählter als ich.

Was werden Sie als Landrat anders machen als Ihr Vorgänger?

Es geht damit los, dass ich wahrscheinlich statt einer fast absoluten Mehrheit eine sehr große Opposition haben werde. Ich werde mir in den verschiedenen Gremien die Zustimmung ganz anders holen müssen. Ich werde gezwungen sein, mit den Leuten zu sprechen und ihnen entgegenzukommen. Ich werde dabei den großen Vorteil haben, dass ich nicht noch einmal gewählt werden muss. Ich muss mich nicht anbiedern, weil ich über die sechs Jahre hinaus keine Unterstützung brauche.

Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein?

Man muss ehrlich sein: Wenn ich es ganz optimistisch betrachte, steht es vielleicht 50:50. Ich mache mir derzeit keine Gedanken darüber, wie ich meinen ersten Tag im Landratsamt verbringe. Meine Kandidatur ist erst mal ein Kampfansage.

© SZ vom 25.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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