Landgericht Landshut:Koksender Ex-Handelsrichter frei gesprochen

Lesezeit: 2 min

Das Landgericht hebt die Verurteilung des Amtsgerichts auf: Da ein Belastungszeuge nichts mehr sagen will, sind die angeklagten Drogenkäufe nicht nachweisbar. Die Teilnahme an Kokainrunden in einem Club sind eh straffrei

Von Florian Tempel, Landshut

Am Ende gab es einen Freispruch in allen Punkten, aber die Freude darüber hielt sich beim Angeklagten dennoch in Grenzen. Die Verurteilung zu 10 000 Euro Geldstrafe aus der ersten Instanz am Amtsgericht Erding hat das Landgericht Landshut in der Berufung zwar einkassiert. Doch neben der so oder so unangenehmen öffentlichen Verhandlung privater Angelegenheiten, hatte das Ganze auch unangenehme offizielle Nebeneffekte für den 33-jährigen Erdinger Immobilienunternehmer. Seinen Posten als ehrenamtlichen Handelsrichter am Landgericht Landshut, den er erst vor einem Jahr stolz angetreten hatte, hat er schon vor einigen Monaten zurückgegeben. Auch seine Waffen- und Jagdlizenz hat er offenbar bereits vorsorglich aufgegeben, bevor sie ihm von Amtswegen genommen werden konnte.

Die Anklage umfasste zwei vermeintliche Tatkomplexe. Zum einen wurde dem Immobilienunternehmer zur Last gelegt, irgendwann im Zeitraum Januar 2018 bis August 2019 an zwei oder drei Koksrunden in einer Erdinger Disco teilgenommen zu haben. Zum anderen soll er laut einer Aussage eines mutmaßlichen Dealer-Gehilfen, der mit diesen Angaben die Ermittlungen in Gang gebracht hatte, einige Male kleinen Mengen Kokain gekauft haben.

Die Kripo Erding zog nach der initialen belastenden Aussage "das volle Programm" durch, wie Ralph Reiter, der Vorsitzende Richter der Berufungskammer, in seiner Urteilsbegründung sagte. Die Polizei rückte bei dem Immobilienunternehmer zur Durchsuchung seiner Wohn- und Geschäftsräume an und schnitt ihm eine Locke für ein Haargutachten ab. Diese Untersuchung brachte "die erste sichere Erkenntnis, dass er zumindest über einen gewissen Zeitraum Kokain konsumiert hat", sagte Richter Reiter. Die Anklage der Staatsanwaltschaft sei somit "nur konsequent" gewesen.

Die ursprünglichen Belastungen durch den mutmaßlichen Dealer-Gehilfen schmolzen im Laufe der Zeit allerdings zusammen. Schon im Prozess am Amtsgericht Erding machte der angebliche Zeuge Erinnerungslücken geltend und war sich nicht mehr so ganz sicher. In der Berufungsverhandlung am Landgericht Landshut zog er sich dann ganz auf sein Aussageverweigerungsrecht zurück, um sich nicht selbst zu belasten. Womöglich hatte er ja tatsächlich von Anfang an gelogen, um Vorteile für sich in seinem eigenen Strafverfahren herauszuholen, sagte Reiter. "In diesem Milieu will jeder seine Haut retten." Der Anklagekomplex mit den Kokainkäufen sei so aber nicht beweisbar, "was jedoch nicht ausschließt, dass es doch so war", betonte der Vorsitzende Richter.

Von der Richtigkeit der anderen Anklagepunkte gehe er zwar aus, sagte Reiter: "Ich bin überzeugt davon, dass in dem Club in einem Hinterzimmer in lustiger Runde gekokst wurde." Das hatte ein bereits zu mehreren Jahren Haft verurteilter Drogendealer so angegeben. Er hatte demnach mehr als einmal mehrere Lines Kokain auf einem Tisch ausgelegt, "es mehr oder minder wie bei einem kalten Buffet angerichtet, wobei nur geladene Gäste berechtigt waren, sich zu bedienen". Zu diesen gehörte wohl der angeklagte Immobilienunternehmer, weil er mit dem Betreiber des Clubs befreundet war. Letzterer war am Amtsgericht Erding wegen gleich gelagerter Fälle zusammen mit ihm angeklagt, hat aber ein eigenes Berufungsverfahren, das noch nicht begonnnen hat. Doch selbst wenn es sicher wäre, dass er an den Koksrunden teilgenommen habe, könnte man ihn "aus rechtlichen Gründen", nicht dafür bestrafen, erklärte Reiter.

Drogenkonsum an sich sei zwar nicht strafbar, "verträgt sich aber überhaupt nicht mit einem Waffenschein, einem Jagdschein oder öffentlichen Aufgaben". Ob der Angeklagte letztlich "Glück oder Pech" gehabt habe, sei schwer zu entscheiden, sagte der Vorsitzende Richter zum Abschluss - "nehmen Sie es so hin, wie es ist".

© SZ vom 07.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: