Kabarett: Jochen Busse und Henning Venske:Inventur der Republik

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Mit ihren Worten kämpfen sie gegen das Polit-Establishment: Die Kabarett-Veteranen Jochen Busse und Henning Venske erklären in Unterföhring das Prinzip "Ministerpräsident zum Mieten".

Oliver Hochkeppel

Unterföhrings Alt- und Noch-Kulturreferent Peter Settele geriet wieder einmal ins Schwärmen über sein Publikum. Selbst beim lange ersehnten Biergartenwetter - das Gewitter kam ja erst hinterher - platzte die Schulaula am Sonntag beim Auftritt von Jochen Busse und Henning Venske aus allen Nähten. Und Settele kündigte auch noch hochamtliches Lob an, durch Künstlerstimmen in der Festschrift zur Eröffnung des neuen Bürgerhauses nämlich: "Die Iberl-Bühne zum Beispiel sagt, sie tritt in Unterföhring am allerliebsten auf." Von Busse und Venske ist bislang noch kein Kommentar überliefert, doch gemessen an den Reaktionen muss es ihnen großen Spaß gemacht haben. Sahen doch etliche Besucher ihr Eintrittsgeld offenkundig schon alleine durch die musikalische Begleitung hereingeholt: Jubelstürme holte sich der Akkordeonist Frank Grischek nicht nur für seine wuchtigen Interpretationen von Piazzola-Tangos, Bach, Chopin oder Musette-Walzern ab, sondern auch für seine von einer unerreicht leidend-mürrischen Miene begleiteten stoische Duldung der Attacken seiner "Chefs".

Unterföhring Schulaula Kabarett Henning Venske und Jochen Busse (Foto: Ulla Baumgart)

Denn auch in ihrem zweiten Duoprogramm - nach "Legende trifft Urgestein" jetzt "Inventur" - nutzten Busse und Venske ihren Grischek nicht nur für musikalische Atempausen, sondern auch als Blitzableiter: als ehemaligen Anlageberater der Bayerischen Landesbank stellten sie ihn vor, der jetzt - gefeuert und damit "Bankerprekariat" - mit diesem musikalischen Nebenerwerb Buße tun muss. Schon an dieser Dreierkonstellation sieht man: hier darf man eine Art Wiederauferstehung des so gut wie ausgestorbenen Ensemblekabaretts erleben - logisch bei zwei Veteranen dieses Typus', die zusammen alleine 16 Jahre Lach- und Schießgesellschaft auf dem Buckel haben.

Die Rollen sind schlüssig verteilt: Venske ist der aufrechte Altlinke mit Haltung. Einer, der bei der Analyse des Zustandes unserer Demokratie noch bis zu Perikles und Rousseau ausholt. Und einer, dem man anmerkt, dass er auch so denkt, wenn er sagt, dass er sich eine gut funktionierende Demokratie nur noch ohne Parteien vorschlägt. Und einer, der so abgebrüht ist, dass er zum Beispiel jeden Ansatz zu einem Westerwelle-Zitat oder -Witz mit einem "ist unerheblich" abblockt. Busse wiederum ist immer noch der mit allen Wassern von Boulevardtheater bis zu RTL gewaschene Kabarettdarsteller, der keine eigenen Texte schreibt, aber mit mimischer Grandezza und seinem Mut zur Rampensau oder zum arroganten Schnösel selbst schwächeren Vorgaben von Venske und Co-Autor Dietmar Jacobs unwiderstehliche Wucht verleiht.

Zwei sehr unterschiedliche Charaktere und Rollen also, die ihr Bühnen-Zwiegespräch folglich mit viel Spannung und Witz aufladen können. Ob es nun um Miet-Ministerpräsidenten ("Sex mit Tillich - ist nicht toll, aber billig"), um den medialen Wahnsinn (grandios Busses Karikatur diverser Experten) oder um Hartz IV (demnächst mit Zwangs-Organspende) geht. Von diesen Alten lässt sich lernen.

© SZ vom 08.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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