Dorfen:"Unterm Strich gibt es überwiegend Verlierer"

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Grasfrösche konnte man früher zu Hunderten und Tausenden bei der Laichwanderung im Isental beobachten. Doch dies ist ein Archivbild, denn im Raum Dorfen sind sie nahezu verschwunden. (Foto: Andreas Hartl/oh)

Naturfotograf Andreas Hartl setzt sich in einem neuen Podcast mit dem Verschwinden der Artenvielfalt im Isental auseinander.

Von Thomas Daller, Dorfen

Zusammen mit dem Naturfilmer Jan Haft hat der Dorfener Naturfotograf Andreas Hartl dem Isental 2008 ein filmisches Denkmal gesetzt. In "Mein Isental" zeigte er die verschiedenen Wunder der bedrohten Natur. Hartl ist in Dorfen aufgewachsen und war schon als Kind mit dem Fotoapparat in der Natur unterwegs. Aber die Zerstörung schreitet fort, beschreibt er in einem neuen Podcast, den die Dorfener Grünen online gestellt haben. Die Natur verändert sich: Trollblumen und Erdkröten verschwinden, dennoch siedeln sich Störche und Biber an. Doch "unterm Strich gibt es überwiegend Verlierer", bilanziert er.

"Es ist erschreckend, was in einer Generation verloren gegangen ist", sagt Hartl und zieht dabei immer wieder Vergleiche mit seiner Kindheit. Es gebe kaum noch Brachvögel, Kiebitze oder Lerchen im Isental, deren Gesang ihm damals den Beginn des Frühjahr angekündigt hätten. Auch die Trollblumen- und Orchideenwiesen seien nahezu verschwunden. Eine einzige Orchideenwiese gebe es noch bei Hinterberg, weil dort der Landwirt darauf verzichte, sie mit Gülle zu düngen oder umzuackern.

Hartl sieht ein strukturelles Problem in der Lebensmittelproduktion

Aber er mache den einzelnen Landwirten daraus keinen Vorwurf, das sei ein strukturelles Problem. Die Landwirte hätten für ihre Lebensmittel immer weniger Geld bekommen und seien gezwungen gewesen, für mehr Ertrag in immer mehr Maschinen, Kunstdünger und Spritzmittel zu investieren. "Die großen Konzerne bestimmen die Preise, aber für die Artenvielfalt ist das eine Katastrophe."

"Die Schäden sind zum großen Teil irreparabel", sagt Hartl und nimmt als Beispiel die Feuchtwiesen und Niedermoore. Sie seien kontinuierlich drainiert worden, der Torf sei längst mineralisiert und die Feuchtlebensräume verschwunden. Hoffnung habe er noch bei den Gewässern, denn man habe immer wieder gesehen, wie sie sich oftmals in nur wenigen Jahren wieder erholten, wenn dort nach einem Gülle- oder Spritzmitteleintrag alles Leben verschwunden sei. "Die Natur hat eine hohe Regenerationsfähigkeit, wenn man sie lässt."

In der Kläranlage wird kein Mikroplastik herausgefiltert

Aber auch die Gewässer bräuchten mehr flankierende Unterstützung, beispielsweise bei den Kläranlagen. So werde jetzt beispielsweise die Dorfener Kläranlage ertüchtigt, von 15000 auf 25000 Einwohnergleichwerte. Aber das gereinigte Wasser enthalte dann immer noch Mikroplastik oder Medikamentenrückstände wie Östrogen aus den Antibabypillen. Dennoch werde nicht in die Entkeimung investiert oder dass man Mikroplastik herausfiltere. Die Technik gebe es, die Schweiz sei dabei Vorreiter. Aber in Deutschland sei das nicht Vorschrift, daher werde es auch nicht gemacht: "Es darf nichts kosten."

Hartl ist zudem skeptisch, dass die Rückkehr der Störche und Biber ins Isental als Zeichen interpretiert werden könne, dass sich die Natur erhole. Der Biber beispielsweise sei nicht von alleine wieder im Isental aufgetaucht, sondern im Rahmen eines Wiederansiedlungsprojekts. Und er finde dort nicht mehr die Lebensbedingungen vor, die geeignet wären. Früher habe es Auwälder gegeben, in denen kein Schaden entstanden sei, wenn die Biber ein paar Pappeln oder Birken "umnagten". Das sei heutzutage anders und es komme dabei immer wieder zu Konflikten, die in der Forderung mündeten, die Biber abzuschießen. "Es bringt nicht viel, dass man Arten in einen Lebensraum bringt, der so nicht mehr funktioniert."

Auch bei den Störchen seien zwar der Landesbund für Vogelschutz (LBV) und der Bund Naturschutz (BN) begeistert, dass sie nun in größerer Zahl zurückkämen. Allerdings müsse man auch bedenken, dass der Storch ein großes Raubtier sei. Er fresse Eidechsen, Blindschleichen, Mauswiesel oder Großinsekten - viele Arten, die selbst auf der Roten Liste stünden. Und auch wenn man den Storch als Einzelerfolg feiere, so bleibe in der Summe doch ein dramatischer Artenverlust. "Ich bin überhaupt nicht mehr optimistisch."

Kammmolche, Bergmolche und Teichmolche sind verschwunden

Insbesondere bei den Amphibien sei der Artenschwund dramatisch. Früher habe es in jedem Torfstich im Dorfener Moos Kammmolche, Bergmolche und Teichmolche gegeben, so Hartl. Sie seien längst verschwunden. Mittlerweile verschwänden sogar die bisherigen Allerweltsarten wie Erdkröte und Wasserfrösche. Der Bund Naturschutz habe es seit dem vergangenen Jahr im Raum Dorfen aufgegeben, Schutzzäune während der Krötenwanderung aufzustellen, weil gar keine Wanderungen mehr stattfänden.

Einen gar nicht so kleinen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt könne man jedoch leisten, wenn man naturnahe Gärten anlege. Deren Fläche sei insgesamt so groß wie alle Nationalparks in Deutschland zusammengenommen, sagt Hartl. Darin sollte man auf Herbizide und Insektizide verzichten sowie auf einen Mähroboter, "der nachts Eidechsen und Frösche hackschnitzelt".

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