Erding:Von Notwehr keine Spur

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Acht Monate Gefängnis: Mit einem Kopfstoß hat ein 34-Jähriger dem neuen Freund seiner früheren Lebensgefährtin zwei Zähne wackelig geschlagen. Nun wurde er verurteilt - zu acht Monaten Haft ohne Bewährung.

Florian Tempel

Es sei doch nur Notwehr gewesen, dass er dem neuen Freund seiner früheren Lebensgefährtin mit einem herben Kopfstoß zwei Schneidezähne wackelig schlug, sagte der 34-jährige Angeklagte. Weil der andere Mann ihn so geschubst habe, dass er fast die Treppe hinunter gestürzt wäre und beinahe seine siebenjährige Tochter mitgerissen hätte.

Acht Monate Gefängnis blühen dem Verurteilten, weil er dem neuen Freund seiner Lebensgefährtin zwei Zähne wackelig geschlagen hat - und bereits auf Bewährung war. (Foto: dapd)

Eine akute Gefahr, die ihm noch mehr Angst eingejagt habe, als die Gefahr für ihn selbst. Der Erdinger Amtsrichter Aksel Kramer sah es jedoch ganz anders: Für ihn war es ein eindeutiger Fall von vorsätzlicher Körperverletzung, von Notwehr keine Spur. Richter Kramer schickte den einschlägig vorbestraften Angeklagten für acht Monate ins Gefängnis. Bewährung gab es nicht. Der Verurteilte stand schon wegen Körperverletzung unter Bewährung.

Der Angeklagte hatte am 1. März seine Tochter bei seiner ehemaligen Lebensgefährtin, 39, abgeholt und wollte sich und seinem Kind einen schönen Tag machen. Nach einem Kinobesuch kamen sie an einem Reisebüro vorbei. Der Angeklagte studierte die Angebote und sah eine günstigen Flug nach Portugal.

Er ging mit seiner Tochter nun noch einmal zur Wohnung der Mutter, um abzuklären, was sie von einem Vater-Kind-Urlaub in Portugal halte. Die Mutter fühlte sich überrannt und wollte nicht über das Thema sprechen. Vor der Wohnungstür im Treppenhaus kam zu einem heftigen Streit, mit gegenseitigen Beleidigungen.

Mit acht Monaten noch gut bedient

Schließlich kam der neue Partner der Frau aus der Wohnung gestürmt und mischte sich ein. Der 45-Jährige befürchtete, der Angeklagte könnte wieder ausrasten und wie früher die Frau schlagen. Vor zwei Jahren war er vom Amtsgericht Erding zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung verurteilt worden, weil er sie mit der Faust aufs Auge geschlagen und ihr eine brennende Zigaretten ins Gesicht gedrückt hatte.

Nun standen sich die Männer dicht gegenüber und brüllten sich an. Die Tochter habe versucht, die beiden zu trennen, berichtet die Mutter des Mädchens - "aber die haben sie gar nicht bemerkt". Der Angeklagte behauptete, der andere habe ihn mehrmals mit der Brust bedrohlich nah an den Treppenabsatz gedrückt. Und weil sein Kind sich an sein Bein klammerte und er in der Hand eine Tüte hielt, habe er keinen Ausweg als die Vorwärtsverteidigung mittels Kopfstoßes gesehen. Der andere Mann und die Frau sagten hingegen, der Angeklagte habe unvermittelt angegriffen.

Verteidiger Robert Alavi sprach im Sinne seines Mandaten zunächst von einer Notwehrsituation und forderte Freispruch. Und wenn es nicht echte Notwehr war, so zumindest "putative Notwehr". Das heißt, dass sein Mandant objektiv nicht wirklich in Gefahr war, aber subjektiv das glaubte, was aus einer vorsätzlichen eine nur fahrlässige Körperverletzung mache. Die sei dann mit einer Geldstrafe ausreichend geahndet. Richter Kramer entschied anders - "das war nichts, was eine Notwehrsituation war" - und machte deutlich, der Angeklagte sei mit acht Monate noch gut bedient.

© SZ vom 11.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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