Jahresrückblick Landkreis Erding:Kommunen schaffen selbst Asylunterkünfte

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Eine Visualisierung des vom Immobilienunternehmer Robert Decker geplanten Wohnkomplexes für Geflüchtete auf dem Tonwerk-Areal in Dorfen. (Foto: Visualisierung: Decker)

Wohnheime für Geflüchtete sind auch ein Geschäft. Immobilienunternehmer planen selbständig große Anlagen. Immer mehr Kommunen erkennen, dass sie die Sache selbst in die Hand nehmen müssen, wenn sie die Bauträger-Projekte nicht nur abnicken wollen.

Von Florian Tempel

2023 stehen die Kommunen wieder einmal unter Druck, weil sie in aller Eile Unterkünfte für Asylsuchende bereitstellen müssen. Etwa alle zwei Wochen kommt ein Bus voller Neuankömmlinge im Landkreis Erding an, die untergebracht werden müssen. Wieder einmal werden in den Mitteilungsblättern der Gemeinden Appelle des Landratsamts veröffentlicht: "Liebe Bürgerinnen und Bürger, die Objekte, die dem Landkreis Erding zur Unterbringung von Geflüchteten zur Verfügung stehen, sind sehr knapp (...) Daher bitten wir Sie, uns zu kontaktieren, falls Sie in der Lage sind, Flüchtlinge bei sich aufzunehmen oder dem Landkreis ein mögliches Mietobjekt - von einer Wohnung bis zu einem ganzen Gebäude - zur Verfügung zu stellen." So geht das seit zehn Jahren. Doch von privater Seite kommt so gut wie nichts mehr.

Der Aufbau oder zumindest die Planung von neuen Asylunterkünften läuft 2023 im Landkreis Erding auf zwei Schienen. Einerseits bieten lokale Immobilienunternehmer Unterbringung im großen Stil an. Im Frühjahr sorgt die Planung eines Immobilienunternehmers für eine Anlage für 200 Menschen im Erdinger Stadtteil Bergham für Aufregung. Es formiert sich Widerstand bei den Nachbarn und der Bürgermeister sagt, man könne nichts machen. Asylunterkünfte sind privilegierte Bauvorhaben, die die lokale Bauverwaltung genehmigen muss, wenn so weit alle Regularien eingehalten werden.

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Aus dem Projekt in Bergham wird dann zwar doch nichts, weil es vom Projektanten zurückgezogen wird. Dafür wird von der Stadt auf dem Parkplatz an der Dr.-Henkel-Straße eine Wohnanlage für 139 Menschen genehmigt. Die Stadtverwaltung sagt, dass man nicht anders entscheiden konnte. Bei einer Online-Petition mit dem Titel "Nein zur Asyl-Großunterkunft" hatten Anwohner 1573 Stimmen gegen das Projekt gesammelt.

In Dorfen geht es zäher. Erst im dritten Anlauf stimmt der Dorfener Stadtrat einer Wohnanlage für Geflüchtete auf dem Tonwerk-Gelände zu - unter dem Vorbehalt, dass das noch nicht geklärte Problem des Kanalanschlusses gelöst wird. Aus diesem Grund war die Mehrheit vorher zweimal gegen das Projekt. Dabei soll es keine der sonst üblichen Gemeinschaftsunterkünfte werden. Der Dorfener Bauträger Robert Decker will ein Gebäude mit 30 Wohnungen errichten, die alle über eigene Küchen und Bäder verfügen. Decker produziert die Wohnungen in Modulbauweise in einem eigenen Werk. Wenn die Wohnungen maximal dicht belegt werden, könnten hier allerdings 174 Menschen untergebracht werden.

Die Bauträgerschiene ist zwar eine große Hilfe, stößt aber auch immer wieder auf Widerstände. Deshalb erkennen immer mehr Kommunen, dass sie die Sache selbst in die Hand nehmen sollten. St. Wolfgang macht den Anfang und baut als erste Gemeinde im Landkreis Erding auf eigene Kosten ein Wohnheim für Geflüchtete - nach einem einstimmigen Beschluss im Gemeinderat eine Wohnanlage, die für 50 Menschen konzipiert ist. Sie soll in Modulbauweise im Hauptort auf einem Teil der Festwiese und somit in günstiger und sehr zentraler Lage errichtet werden. Die Gemeinde Sankt Wolfgang hat mit ihrer Eigeninitiative auf ein Angebot eines Investors reagiert, der dem Landratsamt den Bau einer Anlage für bis zu 300 Menschen vorgeschlagen hatte.

Auch Neuching baut selbst, Eitting will es ebenfalls, ebenso Moosinning. Und es werden immer mehr Kommunen, heißt es auf Nachfrage am Jahresende aus dem Landratsamt - weitere Namen werden aber nicht genannt. Man möchte niemanden aufschrecken.

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