Kulturelles Erbe:Bewahre uns!

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Bevor das neue Dorfener Rathaus gebaut wurde, fand ein Archäologie-Team dort, wo das alte stand, massenhaft interessante Dinge. Das Bild zeigt, wie ein Brunnen freigelegt wurde. (Foto: Renate Schmidt)

Ein Zwischenbericht zum Kommunalen Denkmalkonzept kommt beim Dorfener Stadtrat nicht uneingeschränkt gut an.

Von Florian Tempel, Dorfen

Dorfen ist, wie jeder weiß, uralt. Die seit 1250 Jahren schriftlich belegte Geschichte der Stadt wurde im vergangenen Jahr ausgiebig gefeiert. Während das Festjahr lief, ist passenderweise auch intensiv an einem Kommunalen Denkmalkonzept gearbeitet worden. Nun gab es einen Zwischenbericht im Stadtrat, denn der Großteil der Arbeit ist gemacht. Es gab Aufregendes zu hören. Die einen waren begeistert, andere leicht schockiert.

Die am Denkmalkonzept beteiligten Archäologen sagten, die Stadt Dorfen sei "einzigartig", weil der Untergrund unter der Altstadt "Feuchtboden" sei, in dem organische Substanzen, ob Holz, Pflanzenreste oder Textilien über Jahrhunderte erhalten blieben. Noch dazu hätte die Altstadthäuser keine Keller. "In ganz Bayern gibt es keine andere Stadt mit diesen Erhaltungsbedingungen", sagte der Archäologe Sikko Neupert. "Wie ein Sechser im Lotto für die Archäologie", sagte sein Kollege Marcus Simm. Womöglich finden sich im feuchten Dorfener Boden Dinge, die der Wissenschaft ganz neue Erkenntnisse bringen.

Ein Glasfläschchen aus dem Spätmittelalter, gefunden unter dem Dorfener Rathaus. (Foto: Renate Schmidt)
2022 wurde die hervorragende erhaltene Holzbefestigung des spätmittelalterlichen Stadtgrabens freigelegt. (Foto: Archäologie Baumgartner)

Wenige im Stadtrat nahmen das mit Begeisterung auf, mehrere schienen die tolle Nachricht eher als Bedrohung zu verstehen. Der ganze Umfang der kompletten Dorfener Altstadt ist eh schon als ein einziges großes Bodendenkmal ausgewiesen. Das bedeutet, dass jedes Mal, wenn in der Altstadt gebaut wird, erst mal ein Archäologenteam anrücken muss. Und egal, wo sie graben werden, sie werde immer etwas finden, sagten die Archäologen. Was erstens zu Verzögerungen im Bauplan führen kann. Und zweitens muss der Bauherr die Kosten für die archäologische Untersuchung zahlen, das gefällt sicher nicht jedem.

In ähnlicher Weise wird auch der Denkmalschutz von nicht wenigen Stadtratsmitgliedern eher skeptisch gesehen. In Dorfen zeigte sich das zuletzt 2020 sehr deutlich. Als bekannt wurde, dass das alte Kaufhaus am Kirchtorplatz abgerissen und durch einen neuen Bau ersetzt werden soll, hatte im Stadtrat niemand etwas dagegen einzuwenden. Und als dann das Landesamt für Denkmalpflege sein Veto einlegte, weil das Haus zwar nicht selbst ein Denkmal ist, aber mit den angrenzenden Gebäuden unter Ensembleschutz steht, stieß das in Dorfen auf vollständiges Unverständnis. Das Haus sei doch alt und hässlich! Der Bauausschuss stellte sich stur und blieb bei seiner Abrissgenehmigung. Der Bauherr besann sich indes eines anderen und änderte seine Pläne. Das Haus wurde und wird nicht abgerissen.

"Das Gesicht der Stadt in der gewachsenen Struktur erhalten und auch weiterentwickeln."

In der jüngsten Stadtratssitzung sprach Bürgermeister Heinz Grundner (CSU) nun sehr klug formuliert, von Denkmalschutz als einer "kulturellen Aufgabe über Generationen hinweg". Es müsse allen ein Anliegen sein, "das Gesicht der Stadt in der gewachsenen Struktur zu erhalten und auch weiterzuentwickeln". Gerhard Ongyerth vom Landesamt für Denkmalpflege hörte das gerne. Es gehe um Dorfens "kulturelles Erbe", sagte er, und das Denkmalkonzept helfe, es zu bewahren.

Dass ein so schönes altes Haus wie das Kulturzentrum Jakobmayer für sich alleine ein Denkmal ist, ist leicht nachvollziehbar. Beim Ensembleschutz wird es schon etwas anspruchsvoller, dessen Bedeutung zu erkennen. Komplettes Neuland waren für viele aber weitere Kategorien, die Martin Späth, einer der Verfasser des Denkmalkonzepts, vorstellte: "bauliche Anlage mit besonderem Aussagewert", worunter einige unscheinbare Geschäfts- und Wohngebäude in der Innenstadt fallen; "ortsbildprägende Gebäude" wie der Bahnhof oder die Villen am Bahnweg; und schließlich die Kategorie "strukturprägende Gebäude". Da geht es um völlig unspektakuläre Häuserzeilen wie in der Bäckergasse oder der Erdinger Straße. Späth versuchte zu erklären, die Art und Weise, die Größe und die Baulinie der Häuser sei markant und wichtig. Das sei aber nur eine "fachliche Außenansicht", die man berücksichtigen könne, falls man wolle, betonte Späth, "wir gängeln niemanden".

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Das kam im Stadtrat dennoch nicht so gut an. Andi Hartl (GAL) plädierte dafür, das Denkmalkonzept nicht fertigzustellen, da es im Denkmalschutz nur eine weitere bürokratische Ebene einziehe, wo es doch schon so viele gebe. Barbara Lanzinger (CSU) und Josef Wagenlechner (TEG) gaben ihm "total recht". Wagenlechner sagte, das Denkmalkonzept scheine ihm sogar, "im schlimmsten Fall einer weiteren Entwicklung in Dorfen entgegenzustehen".

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