Graphic Novel:Odyssee durch entfremdete Regionen

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Der Protagonist seines Buchs sinniert im Garten seines Hauses, der ihm ebenso immer fremder wird. (Foto: Albin Zauner)

In seinem Buch "Im Demenzlabyrinth" bringt der Dorfener Künstler und Kunsttherapeut Albin Zauner seine Erfahrungen mit Alzheimer-Patienten zu Papier. Die in 84 Bildern gezeichnete Erzählung verzichtet auf Text, aber nicht auf Poesie.

Von Florian Tempel, Dorfen

Eine Graphic Novel zum Thema Demenz, geht das? Tatsächlich funktioniert es, obwohl der Dorfener Künstler und Kunsttherapeut Albin Zauner in "Im Demenzlabyrinth" ganz und gar auf die Kraft des Visuellen setzt und Text in seiner Bildererzählung sogar nur in Form von optisch eingewebten Gedichtzeilen vorkommt. Auf einigen, wenigen Seite finden sich Gedichte von Hölderlin, Nelly Sachs, Georg Trakl und Tomas Tranströmer. Und dennoch ist das Buch auch ohne Sprechblasen oder Erklärungstexte eine fließende Erzählung.

Im Mittelpunkt steht ein alter Schriftsteller, der an Alzheimer erkrankt ist. Zauner hat den Beruf seines Protagonisten bewusst gewählt. Für einen Menschen, in dessen Leben das Lesen und Schreiben immer eine zentrale Rolle gespielt hat, ist der Verlust der kognitiven Fähigkeiten eine besonders starke Belastung. Eine Demenzerkrankung erweist sich bei einem Geistesarbeiter "als faustisches Problem, das plötzlich eine neurologische Dimension bekommt", sagt Albin Zauner: "Wozu habe ich diese ganze Bildung?"

Er behandelt in der Erzählung nicht die medizinische Seite des Krankheitsbildes, sondern die innere Erlebniswelt eines Betroffenen. Einsam sitzt der alte Schriftsteller, nur noch mit einer flüchtigen Ahnung an sein früheres Leben, in den Räumen seines Hauses und in seinem Garten, wo ihm alles immer fremder wird, sonderbarer und entrückter. Als schließlich seine Tochter zu ihm nach Hause kommt, gerät auch die familiäre Vertrautheit ins Wanken. Und am Ende löst er sich in einem finalen Traum selbst auf.

Eine Seite aus dem Buch "Im Demenzlabyrinth" von Albin Zauner. (Foto: Albin Zauner)

Albin Zauner beschreibt es so: "Das große Abenteuer meines Helden, besteht in einfachsten Alltagsschritten. Selbst im eigenen Zuhause erwarten ihn hinter so mancher Türe, die er öffnet, plötzlich fremde Räume und verwirrende Situationen. Auch im lange gehegten Garten lauern seltsame Ereignisse und eine letzte Umrundung des Hauses wird zu einer Odyssee durch vollkommen entfremdete Regionen."

Pflanzen bekommen ein bedrohliches Eigenleben

In den Bildern hat der Betrachter an diesem sonderbaren und surrealen Erleben teil: Leere Papiere quellen aus einem Schrank, Bücher fließen aus dem Regal und hinter Türen öffnen sich lange und dunkle Gänge. Doch auch nachdem der Protagonist den Weg nach draußen in den Garten geschafft hat, ist er dort mit einer verwirrenden und unbekannten Welt konfrontiert. Gartengeräte und Pflanzen bekommen ein bedrohliches Eigenleben, Beete und Wege lösen sich wie ein Puzzle in einzelne Teile auf. Der Weg zurück ins Haus bringt freilich keine Erleichterung.

Türen spielen in Zauners Buch eine wichtige Rolle, sie sind Schlüsselmotive. Denn "Türen sind falsche Verheißungen", das hat Albin Zauner in seiner Arbeit als Kunsttherapeut auf der gerontopsychiatrischen Abteilung der kbo-Klinik Taufkirchen gelernt. Demente Menschen verspüren ob ihres räumlichen, zeitlichen und sonstigen Orientierungsverlusts oft eine große Unruhe und möchten sich auf den Weg machen, um da irgendwie rauszukommen. Doch hinter der nächsten Tür, durch die sie hoffnungsvoll gehen, wird nichts klarer, ganz im Gegenteil.

Die Ausbildung zum Kunsttherapeuten lag nahe

Albin Zauner schöpft aus vielen Jahren beruflicher Erfahrung mit Demenzkranken. 1964 in Innsbruck geboren hat in den 1980er Jahren ein Kunststudium an der Münchner Kunstakademie absolviert. In seiner Klasse, bei einem Professor, der ein Vertreter des abstrakten Expressionismus war, war Zauner ein extremer Antipode. "Ich habe Malerei studiert und keinen Pinselstrich gemalt." Denn Zauner hat immer schon gezeichnet, am liebsten mit dem Bleistift, und nie damit aufgehört. Nach dem Abschluss seines freien Kunststudiums hängte er ein Aufbaustudium in Kunsttherapie dran. Das passte bei ihm auch deshalb so gut, "weil ich mich schon immer für Outsider-Kunst interessiert habe".

"Im Demenzlabyrinth" ist im Verlag Hogrefe erschienen, die 112 Seiten gibt es für 24,95 Euro. (Foto: Verlag Hogrefe)

Als Kunsttherapeut begann er in der psychiatrischen Klinik in Haar und wechselte dann auf eine feste Vollzeitstelle in Taufkirchen. Seinem "Brotberuf" blieb er treu, im vergangenen Jahr hatte er sein 25. Dienstjubiläum. Er hat zunächst mit Drogenabhängigen gearbeitet und war 15 Jahre auf der Gerontopsychiatrie. Seit mehreren Jahren ist er Kunsttherapeut in einer allgemeinen, geschlossenen Abteilung. Im Nachwort zu seiner Graphic Novel berichtete Zauner von seinen beruflichen Erfahrungen und Begegnungen mit Demenzkranken. Nach den in Zeichnungen symbolisch verdichteten Beschreibungen bringen die von Zauner erinnerten Erlebnisse mit Patientinnen und Patienten für den Betrachter/Leser eine weiteren tiefen Eindruck in die sich auflösende Welt von Demenzkranken.

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