Amtsgericht Erding:Kokaindeal als Kick in der Midlife-Krise

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Ein 53-Jähriger gerät bei seinem ersten und einzigen Drogengeschäft an eine verdeckte Ermittlerin der Kripo. Vor Gericht kommt er mit Bewährung und einer Geldstrafe davon.

Thomas Daller

Am 2. März dieses Jahres klickten auf dem Parkplatz der Therme die Handschellen: Ein Dealer war bei einem Geschäft mit 100 Gramm Kokain an eine V-Frau der Kriminalpolizei geraten und wurde bei der Übergabe geschnappt. Erst glaubte die Polizei, sie habe einen "dicken Fisch" erwischt.

Bei der Verhandlung vor dem Amtsgericht Erding stellte sich allerdings heraus, dass der 53-jährige Angeklagte bei seinem ersten und einzigen Deal geschnappt wurde, den er um des "Kicks" willen in einer Art von Midlife-Krise gesucht habe: "Wenn ich darüber nachdenke, hätte ich besser Bungee-Jumping gemacht."

Der bislang völlig unbescholtene Mann hatte nach eigenen Angaben in einem Fitness-Club in seiner Heimatstadt Euskirchen die Bekanntschaft eines ehemaligen vorbestraften Dealers gemacht, der immer wieder Räuberpistolen aus seiner kriminellen Vergangenheit erzählt habe. "Da bin ich auf die wahnwitzige Idee gekommen, so etwas auch einmal zu versuchen." Gesagt, getan: Über die alten Kontakte des Dealers ließ er in der Münchner Nachtclubszene nachfragen, wer Interesse an Kokain habe.

Prompt geriet er an eine Frau, die als Scheinkäuferin der Polizei arbeitet. Man einigte sich zuerst telefonisch, dann per E-Mail auf 100 Gramm zum Preis von 8000 Euro. Dann machte sich der Angeklagte, wiederum mit Hilfe seiner Kontakte aus dem Fitness-Studio, auf die Suche nach einem Dealer, der ihm das Kokain verkaufte. Da Euskirchen nur 60 Kilometer von der niederländischen Grenze liegt, floriert auch auf deutscher Seite der Drogenhandel. Von einem "Orkan oder Arkan" erhielt er 100 Gramm zum Preis von 4700 Euro. Damit wurde er dann bei der Übergabe in Erding geschnappt.

Nach seiner Festnahme veranlasste die Kriminalpolizei Erding, dass seine Wohnung in Euskirchen durchsucht wurde. Doch dabei fand man weder Hinweise auf Drogenhandel noch auf Konsum. Seine Lebensgefährtin, deren Wohnung ebenfalls in Augenschein genommen wurde, fiel aus allen Wolken: Ihr Freund sei Nichtraucher und Abstinenzler, der nicht einmal ein Gläschen Wein trinke. Dass er etwas mit Drogen zu tun haben könne, sei unvorstellbar.

Diese Aussage deckte sich auch mit dem Ergebnis einer Haaranalyse der Polizei: Obwohl der Mann sein Haar schulterlang trägt und somit ein Nachweis von etwa zwei Jahren möglich wäre, fand man keine Spuren von Drogen in der Probe.

Dennoch waren die Erdinger Polizisten, die als Zeugen geladen waren, fest davon überzeugt, dass es sich um einen erfahrenen Dealer handeln müsse. Zum einen habe er sich "sehr professionell" verhalten, zum anderen spreche die hohe Qualität von mehr als 62-prozentigem Kokain für diese These, denn man müsse schon über ausgezeichnete Kontakte verfügen, um an so reinen Stoff zu gelangen.

"Zum Glauben gehe ich in die Kirche", kritisierte Rechtsanwalt Erich Hanslmaier, der Verteidiger des Angeklagten, die Aussagen der Polizisten, die für ihre Vermutungen diese Vokabel benutzt hatten: "Sie haben keinerlei objektive Beweise." Ein Drogenfahnder aus Euskirchen, der ebenfalls als Zeuge geladen war, war auch anderer Ansicht als seine Kollegen aus Erding: 60-prozentiges Kokain möge in Bayern als Spitzenqualität gelten, aber nicht im Grenzgebiet zu Holland: "80 Prozent ist bei uns normal. Bei uns würden sich Konsumenten bei 60-prozentigem Kokain über die schlechte Qualität beschweren."

Nachdem es nicht gelungen war, die Darstellung des Angeklagten zu widerlegen, wurde er wie ein Ersttäter bestraft: Er erhielt zwei Jahre Freiheitsstrafe zur Bewährung, 5000 Euro Geldstrafe und drei Monate Fahrverbot.

© SZ vom 04.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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